AboAbonnieren

„Captain Kirk“ zum 90.Warum William Shatner eigentlich ein guter Schauspieler ist

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (5)

William Shatner

Los Angeles – Ein Freund von mir erhielt zu seinem Geburtstag eine elektronische Gratulationskarte von einer amerikanischen Bekannten. Die bestand aus einem kurzen Video: William Shatner steht vor einem Chor aus drei Sängerinnen und rezitiert, auf seine unnachahmlich pompöse Art, den Isley-Brothers-Song „Shout“. Auf einer Kino-Werbetafel prangt der Name meines Freundes. Und dann spricht ihn auch William Shatner aus und wünscht persönlich einen fröhlichen Geburtstag.

Hätte in den 70er Jahren ein Zeitreisender mein kindliches Ich besucht, er hätte mir nichts Erstaunlicheres über die Zukunft eröffnen können, als dass man sich Filmchen schicken kann, in denen man von Captain James T. Kirk persönlich gegrüßt wird.

Am kommenden Montag hat der Enterprise-Kapitän selbst Geburtstag, er wird 90 Jahre alt. Damit, dass seine drei Jahre als Star einer zuerst erfolglosen Science-Fiction-Serie den Rest seiner Karriere überstrahlen, hat William Shatner schon lange seinen Frieden gemacht. Mehr als das, der kanadische Sohn jüdischer Emigranten hat seine frühen schauspielerischen Ambitionen aufgegeben, nachdem „Star Trek“, zehn Jahre nach seiner Erstausstrahlung, durch Wiederholungen zum popkulturellen Phänomen wurde.

Kirk vor der Kamera

Seitdem spielt Shatner konsequent jede Rolle - inklusive der seiner öffentlichen Person - als Captain Kirk, der durch eine nicht näher erklärte Anomalie im Raum-Zeit-Gefüge vor die Kameras geraten ist.

Deshalb gilt William Shatner heute als Schutzheiliger des hemmungslosen Chargierens. Woran er, wie gesagt, alles andere als unschuldig ist. Fair ist diese Einschätzung deshalb noch lange nicht. Ausgebildet wurde er als Shakespeare-Schauspieler - daher also die grandios-lächerlichen Falstaff-Gesten - und als solcher wurde er auch in seinen frühen 20ern gefeiert. Hollywood ließ nicht lange auf sich warten, 1958 spielte er in einer Dostojewski-Verfilmung den jüngsten Karamasow-Bruder, kurz darauf sah man ihn als Army-Captain in „Das Urteil von Nürnberg“.

In einer Reihe mit Redford

Alles Rollen, die man unmöglich mit dem späteren Shatner zusammenbringt. Damals jedoch wurde er zusammen mit Steve McQueen und Robert Redford als künftiger Leading Man gehandelt. Daraus wurde nichts und es ist im Nachhinein schwer zu sagen, ob es daran lag, dass William Shatner einfach jeden Job annahm, egal wie schlecht Gage oder Rolle war, oder ob er in die Mühlen der Ebenen gezwungen wurde, weil sich die großen Erwartungen eben nicht erfüllten.

Auch nachdem „Star Trek“ aufgrund konstant schlechter Quoten abgesetzt wurde, hielt sich Shatner mit B-Filmen und Gameshow-Auftritten über Wasser. Und gab immer noch alles: Als ein Kandidat bei der Spielshow „Die Pyramide“ wegen eines geringen Regelverstoßes seines Promi-Mentors den gesamten Wetteinsatz verlor, warf der Ex-Captain vor Enttäuschung seinen Stuhl durchs Studio. Es half alles nichts: Shatner musste sein Haus aufgeben und lebte in einem Wohnmobil. Offenbar wollte ihn die Welt nicht als Schauspieler sehen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Aber sie wollte Captain Kirk. Zusammen mit seinen ehemaligen Co-Stars trat Shatner bei Fan-Conventions auf, und von diesen stammen auch die zahlreichen Anekdoten über sein selbstherrliches Verhalten am Set. Dieses Studiogeflüster verschmolz mit der eigentlichen Rolle zum aufgeblasenen Macho-Kirk, wie er immer wieder parodiert wurde: der Muppet-Captain Link Hogthrob in „Schweine im Weltall“, Tim Allens Commander Peter Quincy Taggart in „Galaxy Quest“, Zapp Brannigan aus „Futurama“. Schaut man sich dagegen alte „Star Trek“-Folgen an, begegnet einem ein anderer Kirk. Er ist ein für seine Zeit erstaunlich fürsorglicher Mann.

Die Menschen aber wollen das Klischee und William Shatner hat sich entschlossen, es lieber zu bedienen, als noch einmal ins Wohnmobil zurückzukehren. Ich würde es als einen gewaltigen Akt jahrzehntelangen Method Actings bezeichnen. Oder, in Shatners eigenen Worten: „Von solchen Dingen wie Würde lasse ich mich nicht aufhalten.“