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Comedian Till Reiners in KölnMan darf über alles Witze machen

Lesezeit 4 Minuten

Am 11. September tritt Till Reiners nach langer Corona-Pause in Köln auf.

  1. Till Reiners begann als Poetry-Slammer, wurde dann Kabarettist, nannte sich irgendwann Comedian – und weil wir das Jahr 2020 haben, ist er natürlich auch Podcaster.
  2. Seinen Humor kann man arrogant und ignorant nennen – oder sozialkritisch.
  3. Das Kölner Publikum sei sehr dankbar: „Dank Karneval gibt es im Rheinland die Einstellung: Da macht einer einen Witz, das ist erst einmal etwas Gutes."

Köln – Niemand sagt so charmant böse Dinge, ist über Till Reiners zu lesen. Und da sein Charme eher nicht auf Bescheidenheit beruht, hat der Comedian diesen Satz vermutlich irgendwann einmal selbst über sich geschrieben. Am 11. September hat der Wahlberliner einen seiner ersten Auftritte nach einer langen Corona-Pause in Köln.

Das Motto seines dritten Bühnenprogramms: „Bescheidenheit wieder groß machen.“ Reiners hat die Auftrittspause gut genutzt. Er hat gerade einen Lauf, könnte man sagen. Seine Karriere begann der 35-Jährige als Poetry-Slammer, wurde dann mehrfach ausgezeichneter Kabarettist, nannte sich irgendwann Comedian – und weil wir das Jahr 2020 haben, ist er natürlich auch Podcaster. Alle zwei Wochen beim NDR-Radioformat „Talk ohne Gast“, seit ein paar Wochen mit eigenem Spotify-Talk „Jokes“, in dem er Kollegen aus dem Humorfach trifft und mit ihnen über ihre Karriere und „Die Geschichte hinter dem Witz“ spricht. Ein Herzensprojekt, wie er sagt, über dessen Erfolg er sich wahnsinnig freut.

Zur Hochphase der Ausgangsbeschränkungen stampfte ZDF Neo eilig „Homies“ mit ihm und Moritz Neumeier aus dem Boden. Die Sendung thematisierte alles, was plötzlich allgegenwärtig war: Masken und Verschwörungstheorien, tagelang im Bademantel am Küchentisch arbeiten, mittags aus Langeweile den ersten Sekt trinken.

Mit Flaschenbier vor dem Webscreen

Die Sendung wurde vermeintlich „live aus dem Bunker“ der beiden Gastgeber gesendet, die Zuschauer befanden sich mit Flaschenbier sichtbar vor der Webcam. „Fernsehen für die neue Zeit“ eben. Das war manchmal hölzern, aber besser, als am ewig gleichen Programm festzuhalten, in der Hoffnung, dass die Menschen aus Langeweile sowieso nichts anderes sehen wollen.

Reiners ist auch immer öfter an den Sendeplätzen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen, wo der Versuch linker, deutscher Satire einigermaßen glückt: unter anderem in der ZDF-„heute show“ und in „Die Anstalt“. Zuletzt wirkte er in der „Anstalt“ vor und hinter der Kamera in einer Folge über „Rassismus“ mit, die so gut war, weil sie endlich einmal die weiße Mehrheitsgesellschaft in den Mittelpunkt stellte. Nach dem Prinzip: Wir sind die Rassisten, wir müssen etwas ändern, nicht „die Anderen“ müssen sich rechtfertigen.

Darf man über alles Witze machen?

Wenn man Reiners am Telefon hat, muss man ihn angesichts von aufgeregten Feuilleton-Debatten über „Cancel Culture“ einfach fragen: Darf man über alles Witze machen? „Ehrlich gesagt ist das schon die falsche Frage“, so seine Antwort. „Ja klar, darf man. Aber ich mach doch nicht alles, was ich darf. Die Frage muss sein: Wie gelingt gute Satire?“ Okay. Wie gelingt gute Satire, Herr Reiners? „Gute Satire gelingt, wenn andere Menschen sich in ihr erkennen und darüber lachen können.“

Das unterscheidet Reiners Programm von vielen Kabarettisten, die wahlweise von links auf CDU-Politiker und Wirtschaftsbosse oder von rechts auf Feministinnen und Ausländer schießen. Reiners zeigt am Ende des Witzes auf sich selbst. Und somit auf uns alle. „Ich präsentiere meine eigene Widersprüchlichkeit und hoffe, dass sich Leute darin sehen können.“

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Zum Beispiel, wenn er den Linken gibt, der reich sein will. Er hätte gerne sehr, sehr viel Geld, heißt es in einer Bühnennummer, im Wissen, dass Geld haben nur so lange Spaß macht, wie andere es nicht haben. Dass dir Geld zwar nicht hilft, wenn dein Kind aus dem Fenster fällt, es ohne Geld aber bestimmt noch schrecklicher wäre.

Ignorant oder sozialkritisch?

Das kann man arrogant und ignorant nennen – oder sozialkritisch. Reiners hat Politikwissenschaft studiert, ist SPD-Mitglied, schrieb 2016 ein Buch über den Versuch, Pegida und die AfD zu verstehen. Sein großes Vorbild ist der Österreicher Josef Hader.

Zurück zum bevorstehenden Auftritt im Comedia Theater. Funktioniert Humor auch mit Abstand? „In Köln mache ich mir wenig Sorgen, da ist die Stimmung immer gut“, sagt Reiners, angeblich ohne sich anbiedern zu wollen. „Kölnerinnen und Kölner sind einfach sehr fröhlich, die haben das Lachen von klein auf gelernt.“

Und schließt im Gespräch fast ein kleines Plädoyer für den Kölner Karneval an. „Dank Karneval gibt es im Rheinland die Einstellung: Da macht einer einen Witz, das ist erst einmal etwas Gutes.“ Und sei es, in dem er mit breitem Grinsen böse Dinge sagt.