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„Das Rheingold“In Düsseldorf wird schon wieder Theater gespielt

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Die Rheintöchter

Düsseldorf – Düsseldorfs neu gestalteter Gustaf-Gründgens-Platz ist noch nicht eingeweiht, da gräbt sich ein Bewohner des Untergrunds durch den Asphalt ins Freie. Zwischen Schauspielhaus, Thyssenhochhaus und dem heckenbepflanzten Kö-Bogen II wirkt Alberich (Florian Lange) wirklich wie ein Zwerg, ein von Schmieröl und Dreck bedeckter Prolet.

Der Kontrast fällt noch schärfer ins Auge, als Alberich den Rheintöchtern begegnet, einem fröhlich und abschätzig daherträllernden Poptrio, dessen Spiegel-Kleider das Licht irisieren lassen wie kräuselnde Wellen. Alberich tut groß und fühlt sich bald ganz klein.

Das Kieler Autoren-Duo Feridun Zaimoglu und Günter Senkel hat dem Alb in seiner radikalen Neufassung von Wagners Ring-Vorspiel „Das Rheingold“ die wortmächtigsten Monologe geschenkt; die Einsicht des Zwergs in die buchstäbliche Abgrundtiefe seiner Hässlichkeit ist erschütternd – er ist der Abfall, der Rest, den die strahlenden Fassaden des Kapitalismus verbergen, obwohl er diese durch seine Arbeit erst ermöglicht hat. Er hat keine Chance, aber er nutzt sie: Der Liebe abzuschwören fällt ihm leicht, und so raubt er den schönen Töchtern das Rheingold.

Goldene Rollergirls

Diesen Schatz lässt der Düsseldorfer Hausregisseur Roger Vontobel von Rollergirls in goldenen Gymnastikanzügen darstellen, wie er überhaupt in dieser Freilicht-Inszenierung dem Show-Affen Zucker gibt: Gespielt wird in und auf Flugzeugteilen, eine Installation, die eigentlich für die letztjährige Ruhrtriennale angefertigt wurde; Wotan (Florian Claudius Steffens mit Wolverine-Frisur) und Fricka (Judith Bohle mit Lady-Gaga-Bouffant) reiten auf dem Dach eines schwarz übermalten Wohnmobils auf den Platz; die Riesen Fasolt (Thomas Wittmann) und Fafner (Andreas Grothgar) donnern hoch oben von den Zinnen der Götterburg Walhall, als die hier Bernhard Pfaus schön geschwungenes Schauspielhaus doubelt.

Schraubt sich die Dramatik hoch, dreht auch das Rocktrio im Flugzeugrumpf die Verstärker-Regler auf elf. Anfangs hatte es noch Wagners Es-Dur-Vorspiel zitiert, später bewegt es sich eher in Richtung skandinavischen Metals, in der Eurovisionsversion.

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Das ist gut so. Nach acht Monaten erzwungener Spielpause und häuslichem Dahindämmern ist ein schmissiges Open-Air-Spektakel genau der richtige Befreiungsschlag. Mit dem Nachteil, dass man das dramatische Geschehen teilweise eher wie einen 3D-Fantasyfilm goutiert, oder wie einen ironischen Besuch der Bad Segeberger Karl-May-Spiele.

Einzelne Rollen, wie das Duo Donner und Froh (Sebastian Tessenow und Joscha Baltha) mit schlecht abgeguckten Gangsta-Rap-Posen, sind im Text komisch angelegt. Aber eben nicht alle. Mit der Entzauberung der Hochfinanz-Götter und des Goldes ist es Zaimoglu und Senkel ja durchaus ernst.

Loge als heimlicher Held

Ausgerechnet der verschlagene Loge wird bei ihnen zum heimlichen Helden des Stoffes. Er spielt allzu gerne und ohne Rücksicht auf Konsequenzen, gerade deshalb versteht er jedoch als Einziger, was hier gespielt wird – und um welchen Einsatz.

André Kaczmarczyk ist die Düsseldorfer Idealbesetzung für solche maliziös-mephistofelischen Rollen, er hat sich Lippen und Fingernägel rot lackiert, trägt noch dazu rote Kontaktlinsen und könnte genauso gut auf solch überdeutliche Zeichen verzichten. Jetzt weiß man zumindest, dass er sein beträchtliches Charisma auch auf offenen Plätzen zu entfesseln vermag.

Ursprung des Wohlstands

Am Ende des knapp dreistündigen „Rheingold“, wenn der gedemütigte Zwerg wieder unter den Gustaf-Gründgens-Platz zurück geklettert ist, Fafner seinen Bruder des Goldes wegen erschlagen hat und die Götter mehr über sich und den Ursprung ihres Wohlstands erfahren haben, als ihnen lieb sein kann, zweifelt nicht länger nur Loge. Jetzt stellt selbst Wotan die Legitimität seiner Herrschaft in Frage. Und vielleicht war das ja von Anfang an der Plan des Lügengottes.

Die Vorstellung, dass Götter an ihrer Herrschaft zweifeln könnten, ist denn wohl das utopische Moment des Dramas.

Die Inzidenzwerte fallen, für ausverkaufte Vorstellungen von „Das Rheingold“ am 29., 30.5. und 3.-6.6. gibt es nun zusätzliche Kartenkontingente.