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Schauspiel-Chef Stefan Bachmann„Ich weigere mich, einen Plan B zu entwerfen“

Lesezeit 5 Minuten

Stefko Hanushevsky und Katharina Schmalenberg in „Atemschaukel“

Köln – Ein Plan B? Stefan Bachmann seufzt. „Ich weigere mich, einen Plan B zu entwerfen.“ Gerade hat die Stadt die laufende Spielzeit der Kölner Bühnen für beendet erklärt. Vorzeitig, bedenkt man, wie viel noch online stattfindet.

Die nächste Spielzeit will sich der Kölner Schauspiel-Intendant nun beim besten Willen nicht nehmen lassen. Sollte die pandemische Lage nicht so entspannt sein, wie das Optimisten erhoffen, werde man auf die spezifischen Bedingungen reagieren. „Wir können Krise“, sagt Bachmann.

Zu Anfang des Corona-Elends hatte er oft betont, dass Theater für ihn eine Frage der körperlichen Anwesenheit sei. Inzwischen spielt sein Haus mit „Dramazon Prime“ in der ersten Liga der digitalen Theaterkanäle. Sowohl die „New York Times“ als auch die „Financial Times“ haben dem Kölner Streaming-Angebot große Artikel gewidmet.

Nathan im alten Bühnenbild

Jetzt sollen noch drei in Arbeit befindliche Produktionen der abgebrochenen Spielzeit – „Endloser Sommer“, „Saison der Wirbelstürme“ und „Die Blechtrommel“ – in digitale Formate überführt werden, bevor der Bachmann am 10. September das Haus mit „Nathan der Weise“ wiedereröffnet. Lessings Klassiker wird er im gleichen Bühnenbild wie „Vögel“ inszenieren, die beiden Nahost-Stücke um Identität und Toleranz sollen miteinander ins Gespräch kommen.

Es folgen stolze 23 Premieren, drei neue Tanzabende von Richard Siegals „Ballet of Difference“ mit eingerechnet. Ein pralles Programm, es hat sich ja auch viel aufgestaut: „Utopolis“, für das die Gruppe Rimini Protokoll Zuschauer an 48 Orten in der Kölner Innenstadt versammeln will, um mit ihnen über die ideale Stadtgemeinschaft zu diskutieren, hätte ursprünglich die Spielzeit 19/20 beschließen sollen.

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Auch Armin Petras Dramatisierung von Eugen Ruges Roman „Metropol“ und Bastian Krafts Adaption von Herta Müllers „Atemschaukel“ rutschen aus der verkürzten in die neue Spielzeit, ebenso wie Bachmanns Köln-Düsseldorfer Inszenierung des neuen Rainald-Goetz-Stückes „Reich des Todes“.

Es gibt auch jede Menge Neues zu verkünden. Beziehungsweise die Früchte einer kontinuierlichen Arbeit, die das Schauspiel Köln in den letzten Jahren weit vorangebracht hat: Thomas Jonigk folgt auf Beate Heine als neuer Chefdramaturg. Mit Bachmann teilt er eine 30 Jahre umfassende Arbeitsbiografie. Als Regisseur hatte er in Köln bereits Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“ erfolgreich entmottet, jetzt wird er Heinar Kipphardts Doku-Drama „Bruder Eichmann“ auf seine unbequeme Aktualität abklopfen.

Update zum NSU-Attentat

Nuran David Calis verpasst nicht nur mit „Die Lücke 2.0“ seinen Abend zum NSU-Attentat in der Keupstraße ein Update, er wird zudem mit einer zweiten Produktion an den 30. Jahrestag der rassistischen Morde von Mölln erinnern.

Altmeister Frank Castorf kehrt mit einer Inszenierung zurück, die anhand der Stücke und der Biografie Molières das Theater selbst, die Lust an Rollenspiel und Entgrenzung, feiern soll.

Falstaff und Richard III.

Jan Bosse, der vergangenen September mit „Warten auf Godot“ die Spielzeit eröffnete, widmet sich jetzt Shakespeares hemmungslosem Genussmenschen Falstaff, während Pınar Karabulut nach ihrer Streaming-Serie „Edward II.“ mit „Richard III.“ ins Depot 1 zurückkehrt, allerdings in einer Überschreibung der jungen Schweizer Autorin Katja Brunner.

Luk Perceval sucht derweil in Iwan Gontscharows Couch-Kartoffel Oblomow das Urbild unserer selbstisolierten Pandemie-Zeit. Das Projekt wird folgerichtig online umgesetzt, den erreichten Vorsprung in der digitalen Transformation will man nicht drangeben. Sein Oblomow soll übrigens weiblich werden.

Identitätspolitik im Theater

Passend dazu dramatisiert Regisseurin Lucia Bihler Virginia Woolfs geschlechtswandelnden „Orlando“ und auch Rafael Sanchez’ Uraufführung von Thomas Melles Neufassung von „Ode“ knüpft an die aktuellen Diskussionen um Identitätspolitik an. Ebenso wie Anta Helene Reckes „Svenja“, das Konflikte zwischen weißen Müttern und ihren schwarzen Kindern verhandelt. Recke gilt als Shooting Star der deutschsprachigen Theaterszene, ihre Verpflichtung ist definitiv ein Coup.

Peter Miklusz und Elias Reichert verlassen das Ensemble. Neu dazu stoßen drei junge Schauspieler – Paul Basonga, Kei Muramoto, Rebecca Lindauer – und ein alter Bekannter: Andreas Grötzinger, der bereits von 1998 bis 2013 am Schauspiel Köln gespielt hat.

Alle Schauspiel-Köln-Premieren der Spielzeit 21/22

Nathan der Weise von Lessing, Regie: Stefan Bachmann, 10.9., Depot 1

Utopolis von Rimini Protokoll, 15.9., in der Stadt

Ode von Thomas Melle, Regie: Rafael Sanchez, 17.9., D 2

Orlando von Virginia Woolf, Regie: Lucia Bihler, 2.10., D 1

Atemschaukel von Herta Müller, Regie: Bastian Kraft, 22.10., D 1

Bruder Eichmann von Heinar Kipphardt, Regie: Thomas Jonigk, 23.10., Depot 2

Metropol nach Eugen Ruge, Regie: Armin Petras, Okt., D 2

Reich des Todes von Rainald Goetz, Regie: Stefan Bachmann, Herbst, D 1

Die Lücke 2.0, von Nuran David Calis, Herbst, D 2

Oblomow Revisited nach Gontscharow, Regie: Luk Perceval, 12.11., digital

Der Wilde nach Guillermo Arriaga, Regie: David Gaitán, 19.11., D 2

Made Two Walking/ Made All Walking, Choreografie: Richard Siegal, 10.12., D 2

Domprojekt von Oliver Frlijć, 17.12., D 1

Molière, Regie: Frank Castorf, 21.1., D 1

Wunderschönes Welkfleisch, OLDSCHOOL, Regie: David Vogel, 29.1., D 2

Triple, Choreografie: Richard Siegal, 11.2., D 1

Falstaff nach Shakespeare, Regie: Jan Bosse, 18.3., D 1

Mölln 92/22 von Nuran David Calis, 8.4., D 2

Richard III., Regie: Pınar Karabulut, 23.4., D 1

Svenja von Anta Helena Recke, 29.4., D 2

Ballet of Obedience, Choreografie: Richard Siegal, 20.5., D 1

Engel in Amerika von Tony Kushner, Regie: Moritz Sostmann, Mai, Open Air