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David Bowie: „Toy:Box” enthüllt Verschollenes

Lesezeit 3 Minuten

Berlin – Das gealterte Gesicht des Musikers, auf einen Kleinkind-Körper montiert: Nein, für sein Cover-Motiv wird das mit Spannung erwartete verschollene Album „Toy” von David Bowie keinen Schönheitspreis gewinnen.

Wenn man sich aber davon nicht abschrecken lässt, hat die Songsammlung durchaus ihre Reize. Die Veröffentlichung kommt pünktlich zum 75. Geburtstag der Anfang 2016 gestorbenen Pop-Legende am 8. Januar in einem üppigen Boxset daher.

„Toy:Box” enthält Lieder, die Bowie („Heroes”, „Let's Dance”) eigentlich 2001 - nach einer Phase des gelegentlich ziellosen Experimentierens und kommerzieller Erfolglosigkeit - herausbringen wollte. Nach dem Triumph beim Glastonbury-Festival 2000 spielte der über 50 Jahre alte Superstar mit einer fantastischen Rockband neue Interpretationen von Songs ein, die er ursprünglich zwischen 1964 und 1971 geschrieben hatte. Nach einem Streit mit seiner Plattenfirma legte er das „Toy”-Projekt in den Tresor, es schien verloren.

Blick in den Rückspiegel

Nun also kommt offiziell ein Werk auf den Markt, das Bowie abermals als grandiosen Sänger präsentiert („Silly Boy Blue” oder „Karma Man” sind pure Offenbarungen), aber eben auch beim ungewohnten Blick in den Rückspiegel. Für den Bowie-Experten André Boße, Musikkritiker beim Vinyl-Fachmagazin „Mint”, markiert „Toy” sogar „den Moment, in dem Bowie sich entscheidet, seine Identitätssuche nicht länger auf die Zukunft auszurichten, sondern auf das, was gewesen ist”.

Der Retro-Touch von 60er-Jahre-Liedern wie „I Dig Everything”, „The London Boys” oder „Baby Loves That Way” kommt der Zugänglichkeit des Materials freilich zugute - erst recht im Vergleich mit schwierigen Vorgängeralben wie „Black Tie White Noise” oder „Earthling”. Weitere Erkenntnisse über eine bislang unterschätzte Bowie-Phase liefert das „Toy”-Boxset mit alternativen Mixes und B-Seiten sowie den „Unplugged & Somewhat Slightly Electric”-Versionen auf zusätzlichen Tonträgern.

Für den Musikbuch-Autor Tobias Rüther („Helden. David Bowie und Berlin”) ist das Ergebnis zwiespältig. Er kann zwar nachvollziehen, „dass Bowie diese Songs am Herzen gelegen haben. Sie erzählen die Geschichte des ganz jungen David mit all seinen Wünschen und Sehnsüchten.”

Jedoch habe es den Liedern nicht unbedingt gut getan, „sie noch einmal so überproduziert einzuspielen. Manchen hat es den Charme genommen”, sagt Rüther im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Ich zögere, dieses Projekt 'Nostalgie' zu nennen, vielleicht ist da eher Trotz im Spiel gewesen? Oder, freundlicher: Der Wunsch, diesen Songs endlich eine Chance zu geben.” Das Titelstück sei aber „ein sehr guter Song - das minimalistische Klavier, die offene Struktur”.

So dürfte „Toy” einer sagenhaften Künstlerbiografie nichts wirklich Sensationelles oder ganz Neues hinzufügen. Ein angemessener Trost für Fans am Bowie-Geburtstag 8. Januar und am Todestag 10. Januar sind diese gut 20 Jahre alten Stücke aber allemal.

© dpa-infocom, dpa:220104-99-585392/3 (dpa)