Der König und PferdKölner Karikaturist Miguel Robitzky veröffentlicht Graphic Novel
Sein erstes Buch, sagt Miguel Robitzky, hat er zwei Mal geschrieben. Die erste Version, das sei im Grunde eine Aneinanderreihung von Sketchen gewesen – und das verwundert erst einmal nicht, verdiente Robitzky sein Geld bislang vor allem als Autor für Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“. „Aber ich habe gemerkt, dass in dieser Form die Charaktere überhaupt nicht funktioniert haben, total farblos blieben“, sagt Robitzky. „Also habe ich eigentlich nochmal komplett von vorn angefangen.“
Nun hieß in diesem Fall von vorn anfangen aber nicht nur: umschreiben. Sondern: umzeichnen. Denn Robitzkys Debüt „Mein Leben unter Ludwig II. – Memoiren eines Leibreitpferdes“ (Rowohlt, 289 Seiten, 28 Euro) ist eine sogenannte Graphic Novel. Quasi ein Roman als Comic. Oder eben andersherum. In Deutschland in jedem Fall noch ein Nischenmedium, und dann auch noch mit einem – so meint man – Nischenthema: ein sprechendes Pferd, das das Leben des wundersamen bayrischen Königs nacherzählt. Wer, bitteschön, soll das lesen? Beziehungsweise: sich anschauen?
Eigentlich ein Millennial
„Darüber habe ich mir ehrlicherweise nie wirklich viele Gedanken gemacht“, sagt Robitzky, der bereits mit 16 Jahren begann, Karikaturen in Medien wie „DWDL“, „Eulenspiegel“ oder „Titanic“ zu veröffentlichen. „Wahrscheinlich Menschen wie ich.“ Da ergibt dann alles vielleicht wieder Sinn, wer weiß das schon, jedenfalls meint man eine gewisse Logik zu erkennen: Robitzky erzählt, er sei irgendwann in eine Art Wikipedia-Rausch geraten, in dem er sich stundenlang durch die Geschichte von Ludwig II. geklickt habe, fasziniert davon, wie modern dieser Mann doch war. Also für einen Monarchen im 19. Jahrhundert.
„Er war Pazifist, hat Kunst geliebt, lieber nachts gearbeitet, viel fotografiert. Er hatte mit psychischen Problemen zu kämpfen, wurde letztlich drogenabhängig“, sagt Robitzky. „Im Grunde war er ein Millennial.“ So wie Robitzky, der 1997 in Aschaffenburg geboren wurde (und nicht drogenabhängig ist).
Konsequenterweise schlägt auch dessen Erzählung permanent Brücken zwischen dem Leben des Märchenkönigs und der Gegenwart. Mal ganz offensichtlich quatschige: Da ist Thomas Gottschalk, der als Jahrmarktmoderator auftritt (und natürlich überzieht), da ist Ludwig II. selbst, der John Lennon zitiert und ein Snickers isst und da sind seine Diener, deren liebste Hobbys aufgezählt werden (Gehorchen, Befehle ausführen und Squash).
Doch Robitzky schafft es gleichzeitig auch, ganz subtile, kluge Verbindungen zwischen der Vergangenheit und dem Jetzt herzustellen: Etwa als Ludwig II. seinen Stallmeister Richard Hornig küsst, man merkt, dass er sich zu ihm hingezogen fühlt, sich aber letztlich nicht traut, mit seiner Homosexualität offen umzugehen, aus Angst vor gesellschaftlicher Schmähung – und unter Tränen die Annäherung beendet.
„Das Leben von Ludwig II., diese Aneinanderreihung des Scheiterns und der skurrilen Fakten, das war im Grunde schon der perfekte Plot. Nicht nur für eine Doku, davon gibt es unzählige über ihn. Auch für einen Comic“, sagt Robitzky, der für sein Buch nicht nur die Schlösser von Ludwig II. besucht hat, sondern auch alle Fakten über den König noch einmal von einem Kunsthistoriker überprüfen ließ. Inklusive der korrekten Anreden. (Wir lernen: Es heißt „Eure Majestät“, nicht „Ihre Majestät“).
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Aber da ist ja noch die Sache mit dem Pferd, die andere Hauptfigur der Erzählung. Auch das gab es wirklich: Ludwig II. ließ seine Schimmelstute Cosa Rara sogar gelegentlich vom gedeckten Tisch essen, es gab Braten, Forellen und Rotwein. Heute steht sie ausgestopft auf Schloss Nymphenburg.
„Bei mir kommt das Pferd immer dann ins Spiel, wenn die reale Geschichte nicht ganz klar ist. Es gibt Ludwig II. Ratschläge und ist eigentlich an allem Schuld, was schiefläuft“, sagt Robitzky. Im Buch zumindest ist Cosa Rara auch am Tod von Ludwig II. nicht ganz unbeteiligt – über den bis heute Verschwörungstheorien kursieren. Es fällt auf, dass Ludwig, der kurz vor seinem Ableben entmündig wurde, weil man ihn für „seelengestört“ hielt, im ganzen Buch die einzige Person ist, die das Pferd verstehen kann.
Parodie auf Literaturbetrieb
Ist das Tier vielleicht doch nur eine Metapher für das Gewissen des Königs? Bildet der sich die ganzen Unterhaltungen vielleicht nur ein?
Dem widerspricht Robitzkys fiktiver Herausgeber, Prof. Dr. Hubert Fußnoté, der den Leser durchs Buch führt und eine Parodie ist auf, na ja, den alten, weißen Mann, den deutschen Literaturbetrieb, letztlich so ziemlich alles, was er selbst wohl „bourgeois“ nennen würde. Fußnoté jedenfalls behauptet, die tatsächlichen Memoiren des Pferdes seien in einer Münchener Dachgeschosswohnung gefunden worden und von unschätzbarem Wert.
Nur die Aufbereitungsform der Graphic Novel hält er natürlich für völlig unpassend und zitiert Thea Dorn: Alles nur eine Masche, um sich „das Geld verschreckter Nerds mit komplexem Vaterverhältnis“ zu sichern. In seinem Schlusswort rät er: „Wenn Ihnen das Comic gefallen hat, können Sie ja gerne mal ein richtiges Buch lesen.“
Die aber sind in der Regel nicht so lustig wie Robitzkys gelungenes Debüt.