Helene Fischer wird ihre Fans in der Lanxess-Arena aus ihrem Alltag entführen. Ihr Erfolg ist auch eine Antwort auf die große Verunsicherung unserer Zeit.
Sieben Shows in KölnWas den Erfolg von Helene Fischer ausmacht
Deutschland ist verunsichert. Die AfD ist auf dem Vormarsch, der Klimawandel schreitet voran, der Krieg in der Ukraine hat uns brutal verdeutlicht, dass Frieden auch in Europa keine Selbstverständlichkeit ist, alles wird teurer. Nicht mal die Fußballnationalmannschaft, egal ob die der Frauen oder Männer, sorgt für gute Laune und Ablenkung. Und dann sind auch noch die letzten Konstanten verschwunden: Angela Merkel ist nicht mehr Kanzlerin, und im vergangenen Jahr starb die Queen.
Eskapismus ist ein Schlagwort dieser Zeit. Die Flucht vor der Wirklichkeit, zumindest für ein paar Stunden, erscheint vielen die einzig vernünftige Reaktion auf die allgemeine Überforderung zu sein. Und die Prophetin dieser Religion ist für viele Deutsche seit Jahren Helene Fischer. „In dieser schnellen Zeit bist du in Sicherheit, du bist nicht allein. Ich werd' hier bei dir sein“, singt sie in „Schmetterling“. Wo Helene ist, wird alles gut.
Es wird mit Sicherheit die perfekte Show
Mit ihren Jüngern in Köln meint es die 39-Jährige dabei besonders gut. Ganze siebenmal wird sie ab Freitag in der Lanxess-Arena auftreten. Eigentlich sollte sie ja schon im März kommen, doch dann zwang sie eine Rippenfraktur, die sie sich bei Proben zugezogen hatte, zur Verlegung. Nicht, dass man ihr das Unglück gegönnt hätte, aber es ist doch tröstlich zu wissen, dass Fischer tatsächlich ein im wahrsten Sinne verletzlicher Mensch und keine perfekte Maschine ist.
Davon wird man in Köln allerdings vermutlich wenig merken: Musik und Magie, Tanz und sensationeller Artistik verspricht die Ankündigung. Es wird mit Sicherheit die perfekte Show. Dafür ist Fischer bekannt, keine außer ihr kann in Deutschland mit amerikanischen Superstars mithalten, was Aufwand und Überwältigung angeht.
Da verwundert es nicht, dass das Forbes Magazin Fischer 2018 unter den Top Ten der einkommensstärksten Sängerinnen weltweit führte. Sie landete damals vor Celine Dion und Britney Spears mit Einnahmen von etwa 32 Millionen Dollar auf dem achten Platz der Liste.
Deutscher Schlager tat sich in der öffentlichen Wahrnehmung lange schwer. Seine Fans trugen ihre Begeisterung selten in die Öffentlichkeit. Wer gibt schon gern zu, dass er Nino de Angelo hört? In den 90er Jahren belebten Sänger wie Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn den deutschen Schlager wieder, doch was die Herren veranstalteten, war Ironie pur. Viel Glitter, viel Herzschmerz, viel Liebe. Alles ein bisschen zu bunt, zu laut, zu schrill. Bei Fischer ist auch alles bunt und laut und voller Glitter - doch sie meint die große Geste ernst.
Wie bei ihrem Auftritt vor neun Jahren in Köln. Da flog sie auf einem goldenen Phoenix durch die Arena und schmetterte „My Heart will go on“ - und nirgendwo war auch nur ein klitzekleines ironisches Zwinkern zu sehen. Warum auch? Ihre Fans lieben sie genau dafür. Was ist falsch daran, große Gefühle zuzulassen?
Alterslos wirkt die mittlerweile 39-Jährige. Auf der einen Seite so fröhlich und nett, dass sie auch bei der nächsten privaten Grillparty auftauchen könnte wie in der Butter-Werbung, die sie machte. Auf der anderen Seite wirkt sie so perfekt und dem Alltag entrückt, dass man sich nicht vorstellen kann, wie das aussieht, wenn sie mit ihrem Mann darüber streitet, wer den Müll rausbringt.
Wobei eine Helene Fischer vermutlich ohnehin nie streitet. Mit persönlichen Äußerungen hält sie sich sehr zurück. Ja, man weiß von ihrer Herkunft aus Sibirien, der Trennung von Florian Silbereisen, ihrer neuen Liebe und dem gemeinsamen Kind, aber viel mehr auch nicht.
Was der Privatmensch Helene Fischer denkt und fühlt, was sie aufregt oder freut, welche politische Meinung sie gar hat, all das bleibt meist unbeantwortet. Nach den Ausschreitungen in Chemnitz im August und September 2018 sprach sie sich bei einem Konzert gegen Gewalt und Hass aus, aber ansonsten hält sie sich sehr zurück mit privaten oder politischen Äußerungen.
Sie ist die perfekte Projektionsfläche
So ist ihr Großes gelungen: Sie ist die perfekte Projektionsfläche für ihre Fans geworden. Jeder kann das in ihr sehen, was er will. Bei ihren Konzerten himmeln sie Teenager ebenso an wie Senioren, denen die eingängigen Melodien und die fröhlichen Texte gefallen.
Konnte man früher gerade als junger Mensch nur hinter vorgehaltener Hand zugeben, dass man Schlager mag, füllt Fischer seit Jahren die ganz großen Hallen. Auch, weil sie das Genre von seiner Piefigkeit befreit hat. Ihre Shows sind perfekt choreografiert, für die aktuelle holte sie sich erneut Unterstützung vom Cirque du Soleil. Da wird nichts dem Zufall überlassen, jede Geste, jeder Tanzschritt, jeder Blick ist 1000 Mal geprobt.
Bei ihr ist Schlager nicht mehr nur dumpfe Mitgrölmusik, die man beim Après-Ski oder am Ballermann hört. Sie mischt klassischen Schlager mit Musical, Country und Rock, covert sich durch die Musikgeschichte, immer auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. So ist für jeden was dabei. Und das zahlt sich aus.
Bis heute hat sie mehr als 17 Millionen Tonträger verkauft. Das einzige Deutschlandkonzert Fischers im vergangenen Jahr fand im August vor 130.000 Zuschauern auf dem Gelände der Messe München statt. Für dieses bisher größte Konzert ihrer Karriere wurden innerhalb von 24 Stunden 100.000 Tickets verkauft.
Auch die Konzerte in Köln werden vermutlich den ein oder anderen Rekord brechen. Sie wird fliegen, in glitzernden Kostümen über die Bühne wirbeln, tanzen, singen und ihr Publikum für ein paar Stunden aus seinem Alltag reißen. In einem Land, in dem die Angst umgeht, ist Helene Fischer vielleicht die einzig verlässliche Medizin.
Siebenmal tritt Helene Fischer in der Lanxess-Arena auf. Die Konzerte sind am 25., 26., 27., 29. und 30. August und am 1. und 2. September, jeweils um 20 Uhr. Einige wenige Tickets gibt es noch.