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Streit um „Die Sendung mit der Maus“Was dürfen Kinder über Transsexualität erfahren?

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Spot aus „Die Sendung mit der Maus“

Köln – Die Sitzbank auf dem Bauwagenplatz ist in den Farben des Regenbogens angestrichen. Auch die Blumen im Kasten sind nach dem Lichtspektrum gepflanzt. „So schön und unterschiedlich wie wir Menschen eben auch“, sagt Moderatorin Laura Kampf. Dann verrät sie den jungen Zuschauern der „Sendung mit der Maus“, wofür die Regenbogenfahne steht und Christoph Biemann, wie immer im türkisgrünen Pulli, ergänzt, dass in wenigen Tagen, am 31. März, der „Transgender Day of Visibility“ gefeiert werde.

Aber was genau ist eine Transperson? Das weiß Laura Kampf: „Ein Mensch, der als Mädchen geboren wurde, aber eigentlich ein Junge ist, oder andersherum als Junge geboren wurde, sich aber eigentlich wie ein Mädchen fühlt.“

Ist kinderleicht. Eigentlich. Da kann man sich nun mit seinen kleinen Schutzbefohlenen zurücklehnen, Hans Poseggas unverwüstliche Titelmelodie mitpfeifen und sich auf den Moment freuen, in dem die Maus wieder so laut mit ihren Augenlidern klimpert. Ist die Maus eigentlich ein Junge oder ein Mädchen? Oder am Ende gar die beliebteste Transperson des deutschen Fernsehens? Ach, ist doch egal.

Julian Reichelt benutzt AfD-Wortschatz

Julian Reichelt aber ist es gar nicht egal. Seit ihn der Axel-Springer-Verlag als „Bild“-Chefredakteur entlassen hat, weil er Privates und Berufliches nicht klar getrennt habe, sucht Reichelt nach neuem Erregungspotenzial. Und wird ausgerechnet bei der „Sendung mit der Maus“ fündig. Er nennt sie die „Zwangsmaus“, in Anspielung auf die „Zwangsgebühren“, die man im Wörterbuch „Deutsch – AfD“ unter „Rundfunkbeitrag findet. Diesem öffentlich-rechtlichen Biest also wirft Reichelt auf Twitter – dem ihm verbliebenen Sprachrohr – vor, es wolle erreichen, „dass wir uns nicht mehr trauen, Dinge zu sagen, von denen wir wissen, dass sie wahr sind. Sie wollen uns einschüchtern und erziehen, bis wir aus Furcht Fakten verleugnen: Jungs sind Jungs, Mädchen sind Mädchen.“

Der „Maus“ eine pädagogische Absicht zu unterstellen, das ist ungefähr so, als würde man Picasso eine künstlerische Absicht unterstellen. Aber sollte sich ein unerschrockener Kriegsreporter wie Reichelt vom gemütlichen Christoph im grünen Pulli einschüchtern lassen? Wären Jungs wirklich immer Jungs und Mädchen immer Mädchen, dann gäbe es folglich keine Transpersonen. Reichelt spricht ihnen also zumindest indirekt das Existenzrecht ab.

Warum Erik jetzt Katja heißt

Zum Beispiel einer Person wie Erik, der jetzt Katja heißt, und dem die aktuelle „Sendung mit der Maus“ einen langen Beitrag widmet. Die Reporterin Siham El-Maimouni hat Erik bereits vor einiger Zeit kennengelernt, als Protagonisten einer „Maus“-Sendung über Obdachlosigkeit, denn der dünne, weißhaarige Mann lebte seit fast 20 Jahren auf der Straße. Inzwischen hat Erik allerdings eine kleine Wohnung vermittelt bekommen und absolviert ein Praktikum als Haustechniker.

Die Reporterin besucht Erik in Hildesheim, aber auf dem Klingelschild steht jetzt „Katja“. Denn die neu gewonnene Sicherheit hat die ehemalige Obdachlose genutzt, um sich endlich so zu zeigen, wie sie sich schon immer gefühlt habe. „Kannst du uns mal erklären was das genau heißt, eine Transfrau?“, will El-Maimouni wissen und Katja antwortet unverblümt: „Man wird mit einem Penis geboren und weiß im Inneren ganz genau: Das bin ich nicht. Ich bin eine Frau.“

Keine sexualisierte Früherziehung

Ist das schon die „ideologisch-sexualisierten Früherziehung“, die Reichelt der „Maus“ vorwirft? Im „Spiegel“ kontert WDR-Kinderprogrammchefin Brigitta Mühlenbeck den Vorwurf: Weder gehe es in der Sendung um Geschlechtsangleichungen noch um Geschlechtsverkehr. Stattdessen spricht El-Maimouni mit Katja über ihr Äußeres, das nun endlich zum Inneren passe. Wir schauen Katja beim Schminken zu, sie präsentiert ihre kleine Damenschuhsammlung. Erzählt, wie sie mit 15, 16 heimlich die Schuhe der Mutter anprobierte, dass sie sich nie getraut hatte, zu ihren Eltern zu gehen und wie schlimm es für ein Kind sei, sich stattdessen so eine Geheimniswelt aufbauen zu müssen.

Dass Katjas Lieblingsschuhe silbern glitzernde Pumps sind, dass sie gerne Kleider trägt und Lippenstift, das passt wiederum der „Emma“-Redakteurin Chantal Louis nicht. Sie sieht eine ganz andere Indoktrinationsgefahr durch die „Maus“: Hier lernten Kinder, dass Frauen nur Frauen seien, wenn sie Röcke und Kleider tragen und hohe Schuhe, in denen man erst laufen lernen müsse.

Die Sendung verschweige, dass „die Zahl der echt Transsexuellen sehr niedrig ist“, schreibt Louis, führt an, dass die Zahl der Mädchen, die das Geschlecht wechseln wollen, heute mindestens zehnmal so hoch sei wie die der Jungs und insinuiert, dass das vor allem daran liege, „dass sie einfach keinen Bock haben auf Rosa und Prinzessin und lieber Fußball spielen oder sich in ein Mädchen verlieben“.

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Eine steile These. Zur Häufigkeit von Transsexualität äußert sich die Sendung zwar in der Tat nicht. Aber es geht ja auch um die Sichtbarmachung einer unterdrückten Minderheit. Und was Zahlenspiele angeht: Die sind schwierig, beziehungsweise leicht zu manipulieren, weil es nun mal so viele Grade und Spielarten von Geschlecht gibt. Seit man in Deutschland eine Personenstandsänderung – was das ist erklärt die Sendung in vorbildlicher Klarheit – ohne geschlechtsangleichende Operation beantragen kann, bewegt sich das Verhältnis von Transmännern zu Transfrauen jedenfalls im Bereich 1:1.

Dem Beitrag über Katja folgt ein bebildertes Lied über eine Prinzessin, die lieber Ritter sein will. Sie „nimmt sich ganz ungestört eine Lanze und ein Schwert“, wird da gesungen und gezeigt wird ein Mädchen, das keinen Bock hat Prinzessin zu sein, ohne dass es dazu das Geschlecht wechseln müsse oder wolle. Früher, hat Christoph Biemann in einem Interview zum Jubiläum der Sendung im vergangenen Jahr geklagt, sei man mutiger gewesen bei der „Maus“.

Heute muss sich das aufklärerische Nagetier schon für simple Toleranzaufrufe rechtfertigen.