In Köln wurde über die Zukunft der Museen diskutiert. Blüht diesen ein ähnliches Schicksal wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Diskussion zur Zukunft der Museen„Wir erleben derzeit eine Katastrophe“
Für deutsche Museumsdirektoren hielten die Corona-Jahre eine bittere Lehre bereit – die Politik schenkte ihnen in der Frage möglicher Wiedereröffnungen kaum Gehör und die Bürger nahmen die behördlich verordnete Schließung ihrer Schatzhäuser leise murrend, aber im Wesentlichen ergeben hin. So unersetzlich wie gedacht, schien die Kunst der Kulturnation gar nicht zu sein. Als die Corona-Auflagen gelockert wurden, waren vor den Museen die Baumärkte und Bordelle dran.
Die vier Direktoren, die am Donnerstag im Kölner Wallraf-Richartz-Museum über die Zukunft der Museen diskutierten, haben ihre Lektion offenbar gelernt. Die Aussicht auf Montagsdemos für die Kultur sorgte bei Marion Ackermann, Ulrike Lorenz, Felix Krämer und Marcus Dekiert jedenfalls für Heiterkeit, und eine aktuelle Umfrage, nach der das Museum als Institution beinahe so hochgeschätzt werde wie die Familie, wurde reihum mit gesundem Misstrauen quittiert. So fiel dem Kunstschriftsteller Wolfgang Ullrich mitunter die Rolle zu, seinen Beisitzern Mut zu machen. Allerdings war es dann ausgerechnet der als Außenseiter geladene Ullrich, der für die Museen einen ähnlichen Ansehensverlust wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommen sah.
So weit ist es allerdings noch lange nicht, und allein im Jahr 2023 zählten die deutschen Museen 106 Millionen Besucher. Die Stimmung während des von Stefan Koldehoff moderierten Gesprächs war entsprechend gelöst, wenngleich Selbstkritik mittlerweile zum guten Ton unter deutschen Museumsdirektoren zu gehören scheint. Marion Ackermann, Chefin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, berichtete von asiatischen Museen, die „knallvoll mit jungen Besuchern“ seien – da habe man hierzulande noch Nachholbedarf.
Felix Krämer, Leiter des Düsseldorfer Kunstpalasts, sieht die hoch subventionierten Museen ohnehin in der Bringschuld gegenüber den Bürgern und Steuerzahlern. Man müsse ein Produkt anbieten, das Nachfrage generiere und sich auch an schnöden Eintrittszahlen messen lassen. Ähnlich argumentierte Ulrike Lorenz, Präsidentin der Weimarer Klassik-Stiftung, wenngleich auf einer höheren Diskursebene. „Die Museen werden nur überleben, wenn sie soziale Orte werden und es ihnen gelingt, die Leute hineinzuziehen.“ Sie könne sich sogar vorstellen, ihre Häuser auf Zeit an Bürgerräte zu delegieren.
Wallraf-Direktor Marcus Dekiert geht dies zu weit. Auch er verficht die Demokratisierung der Museen, will diese aber weiterhin vor allem der Kunst verpflichtet sehen. „Ich leite kein Stadtteilzentrum“, so Dekiert. Aber vielleicht bald eine Bibliothek? Von dieser Institution, so Lorenz, könnten die Museen lernen, was es heißt, ein dritter Ort mit hoher Aufenthaltsqualität zu sein. Wolfgang Ullrich verglich das zukünftige Museum hingegen mit einer Buchhandlung, vielleicht um das böse Wort vom Gemischtwarenladen zu vermeiden. Schon jetzt seien Museen keine reinen Orte der Hochkultur mehr.
Selbst die Frage, was man im Museum anziehen müsse, ist in Düsseldorf offenbar keine Seltenheit
Gerade die paradoxe Forderung an die Museen, die hehre Kunst zu pflegen und zugleich populär zu sein, macht für Ulrike Lorenz deren „Verzauberungskraft“ aus. „Wir können diesen Widerspruch beherbergen und der letzte Ort sein, an dem sich die Menschen nicht sofort die Köpfe einschlagen.“ Dafür, mahnte Felix Krämer, müsse man vielen Menschen aber noch die Schwellenangst nehmen. Selbst die Frage, was man im Museum anziehen müsse, sei in Düsseldorf keine Seltenheit.
Das verblüffte nicht nur Wolfgang Ullrich. Er konstatierte, dass die Museen in den letzten Jahrzehnten schon niederschwellig geworden seien. Gerade bei Influencern erfreuten sie sich wachsender Beliebtheit. Allerdings sind eben nicht alle Museen instagrammable. Vor der Diskussion hatte Krämer offenbar noch eine Runde durch Kölner Ausstellungen gedreht und darin viel Luft gesehen.
Einen schweren Stand haben die Museen nicht nur beim Besucher, sondern zunehmend auch unter gewählten Volksvertretern. Die Politik, so Ulrike Lorenz, sei der Teil des Publikums, den es vor allen anderen zu bilden gelte. Marion Ackermann empfahl in dieser Hinsicht, auf den enormen Wirtschaftsfaktor der Museen hinzuweisen, doch kann dieses Argument, so ließ sich Marcus Dekiert verstehen, auch leicht nach hinten losgehen. „In Köln hängt die Oper wie eine dunkle Wolke über allem.“ Gegen die gern und oft erzählte Geschichte, dass die Kultur nicht mit Geld umgehen könne, komme man derzeit nur schwer an.
Angesichts der allgemeinen Haushaltslage schauten die vier Direktoren neidisch auf Hamburg, wo der Kulturetat gerade gegen den Trend erhöht wurde. „Wir erleben eine Katastrophe“, beklagte Marion Ackermann, die Kultursparten würden von den Haushaltspolitikern gegeneinander ausgespielt. Auch Lorenz sprach von einer „Kehrtwende, die uns aktuell herausfordert“, machte aber nicht den Eindruck, vor dieser Herausforderung kuschen zu wollen.
Zum Ausklang brachte Stefan Koldehoff das Gespräch auf die aktuellen Kulturkämpfe. Drohen die Museen zwischen Rechts und Links, AfD und Wokeness zerrieben zu werden? Wolfgang Ullrich bemerkte, Museen und Kunsthäusern würde bereits jetzt viel Misstrauen entgegenschlagen, im Zuge der Antisemitismus-Debatte zunehmend auch von staatlicher Seite. Mit dieser Entwicklung stehe man erst am Anfang, befürchtet er, denn auch die Arbeit der Museen werde immer häufiger als politisch einseitig wahrgenommen. Marcus Dekiert plädierte für das faktenbasierte Arbeiten als vertrauensbildende Maßnahme, während Marion Ackermann konstatierte: „Wir können uns aus den Kulturkämpfen nicht heraushalten, selbst wenn wir es wollten.“