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Dolly Parton wird 75Wenn jemand Amerika einigen kann, dann sie

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Dolly Parton 190121

Dolly Parton

Nashville – Jetzt wollen sie ihr also ein Denkmal bauen. Direkt auf dem Hügel des Tennessee State Capitol in Nashville, dem Sitz der Regierung und des Gouverneurs. Mehr als 25 000 Menschen haben eine Online-Petition unterschrieben, mit dem Ziel, an Stelle der Statuen konföderierter Offiziere, die dort immer noch stehen, jene Frau zu ehren, „die ihr ganzes Leben daran gearbeitet hat, uns näher zusammenzubringen“.

An diesem Dienstag feiert die noch sehr lebendige Dolly Parton ihren 75. Geburtstag. Und das nicht nur als Legende, sondern gewissermaßen auf dem Höhepunkt ihres doch seit Jahrzehnten beträchtlichen Ruhms.

Die Nachrichten, die man in den vergangenen Monaten von Parton lesen konnte, nähern sich der Hagiographie: Mal hat sie mit einer Millionenspende die Entwicklung eines zu 95 Prozent effektiven Corona-Impfstoffes mitfinanziert, dann eine neunjährige Statistin am Filmset davor bewahrt, von einem Auto überfahren zu werden. Gedreht wurde übrigens ein Weihnachtsfilm und Parton spielte selbstredend einen Engel.

Oberweite im Barbie-Maß

Die allgemeine Bewunderung, mit der man der Country-Sängerin heute begegnet ist auch so etwas wie eine Abbitte für all die Jahrzehnte, in denen man sie auf ihre künstlich auf Barbie-Maße angehobene Oberweite und die dieser Körperform entsprechenden blonden Perücken reduziert hatte.

Es hat reichlich lang gedauert, bis die Öffentlichkeit begriff, dass sie dabei die ganze Zeit lang zu Partons Bedingungen spielte: Die hatte nämlich gleich zu Anfang ihrer Karriere eingesehen, dass selbst ein so außergewöhnliches Songschreiber-Talent wie ihres in einer Welt der Oberflächenreize nicht ausreichen würde, um der Armut zu entfliehen, in der sie als viertes von zwölf Kindern in einer Ein-Zimmer-Hütte am Fuß der Smoky Mountains von Tennessee aufgewachsen war.

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Gleich ihre erste Single trug den programmatischen Titel „Dumb Blonde“. Im Text heißt es dann allerdings: „this dumb blonde ain’t nobody’s fool“, „diese dumme Blondine lässt sich nichts vormachen“. Ließ sie nicht. Der Song gefiel dem etablierten Country-Star Porter Wagoner, der sie 1967 als Co-Star seiner landesweit ausgestrahlten Fernsehshow verpflichtete. An seiner Seite wurde Dolly Parton berühmt, aber es war Wagoner der noch mehr von dieser Partnerschaft profitierte, ihre gemeinsamen Duette stammen zumeist aus Partons Feder.

Als sie sich 1974 als Solistin emanzipierte, schickte sie ihm mit „I Will Always Love You“ einen Abschiedsgruß für die Ewigkeit hinterher. Wagoner geriet in Vergessenheit, doch das Mädchen aus der Ein-Zimmer-Holzhütte wurde zum Weltstar. Jahrzehnte vor Taylor Swift gelang ihr der Cross-over ins Popgeschäft.

Mordballaden und Alltagsnöte

Am Anfang ihrer Gesangskarriere standen erstaunlich düstere Beziehungsballaden, die häufig mit Mord oder Suizid endeten. Es waren Volkslieder, die ihr als Kind vorgesungen worden waren, aber Parton dichtete sie konsequent aus weiblicher Sicht um. Später wurden ihre Songs autobiografischer: Im berühmtesten, „Coat of Many Colors“, erzählt sie, wie ihre Mutter ihr aus vielfarbigen Lumpen eine neue Jacke nähte. Nun sang sie in „9 to 5“ von den Alltagsnöten arbeitender Frauen und spielte auch eine Hauptrolle in der gleichnamigen Hollywood-Komödie, in der drei „working girls“ ihren sexistischen Boss entführen.

Heute gilt Parton vielen jungen Frauen als feministische Ikone, als Pionierin der dritten Welle des Feminismus, in der Geschlecht zum Konstrukt und Sex ein wichtiger Teil weiblicher Selbstbestimmung wurde. Eine Zuschreibung, die Parton selbst vehement ablehnt: Sie ist eben ein „country“ und kein „riot grrrl“.

Kirchgängerinnen und Drag Queens

Ihr Ausnahmestatus liegt ja gerade darin begründet, dass sie Menschen zusammenbringt, die sich sonst an unversöhnlichen Fronten gegenüberstehen. Besucht man ein Dolly-Parton-Konzert, so beschreibt es der ebenfalls sagenhaft erfolgreiche Podcast „Dolly Parton’s America“, erlebe man eine Art Alternativ-Version von Amerika: „ein multiethnisches Publikum aus Cowboyhut-Trägern, Drag Queens, Kirchgängerinnen, Lesben, kleine Mädchen an der Hand ihrer Familie“ und „alle gehen höflich miteinander um“. Her mit dem Denkmal.