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Dystopischer AlptraumWovon der in Köln gedrehte Film „Hyperland“ handelt

Lesezeit 4 Minuten

Hauptdarstellerin Lorna Ishema bei den Dreharbeiten zu „Hyperland“ in Köln-Ehrenfeld

  1. In Köln wird derzeit der Film „Hyperland“ über eine Zukunft im Bann sozialer Kontrolle gedreht.
  2. Wir haben die Dreharbeiten in Ehrenfeld besucht, um mehr über den Film zu erfahren.

Noch ist es totenstill in der oberen Etage des Kulturbunkers Köln; kein Geräusch dringt von außen durch den unverputzten Stahlbeton, fahles Licht fällt durch die kargen und türenlosen Wanddurchbrüche. Aber diese bedrückende Ruhe soll nicht lange anhalten, schließlich ist dieser befremdliche Ort aus den Zeiten des Zweiten Weltkrieges die perfekte Wahl, um dort eine Szene aus Mario Sixtus’ Dystopie „Hyperland“ zu drehen.

Wer hier aber an Postapokalypse und Weltuntergangsstimmung denkt, der liegt gehörig falsch. Denn nur wenig entfernt machen sich an einem Parkplatz, wo Kostüm, Maske und Catering aufgebaut sind, schon professionelle Tänzer warm, um aus dem Bunker für den letzten Drehtag eine glühende Party-Location zu machen. Natürlich mit dem gebotenen Corona-Abstand, dessen Einhaltung einen der ersten Filmdrehs in Köln seit Ausbruch der Pandemie überhaupt erst ermöglichte.

„Die Beschränkungen haben dem Team schon einiges abverlangt, aber wir sind froh, dass wir den Film trotzdem machen können“, sagt Jeanette Schlüter von der Marcelo Busse Filmproduktion. Das Drehbuch von Regisseur Mario Sixtus konnte zum Glück auf die aktuelle Situation angepasst werden: Der ZDF-Fernsehfilm spielt in einer Gesellschaftsordnung, in der die Menschen über soziale Netzwerke kommunizieren, anstatt sich persönlich zu treffen.

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Beim Morgenkaffee erklärt Mario Sixtus, den der „Spiegel“ einmal den „deutschen Netz-Propheten“ nannte, die Welt – zumindest die von „Hyperland“: „Bei unserem Film handelt es sich um ein Gedankenexperiment, das in einer Realität nur fünf Meter weiter spielt.“ In seinem Drehbuch hat er vieles vereint und auf die Spitze getrieben, was derzeit schon in einigen Gegenden Wirklichkeit wird, um einen Ausblick auf eine mögliche Zukunft zu erschaffen.

So sind die Menschen in „Hyperland“ den strengen Regeln eines Systems unterworfen, das sich nach der Beliebtheit in sozialen Medien ordnet. Wer es schafft, sympathisch und geländegängig zu wirken, erhält Punkte für seinen „KarmaCount“ und steigt auf; wer sich unbeliebt macht, steigt ab. Doch als wäre dieser an das Konzept des „Sozialkredit-Systems“ aus China angelehnte Alptraum noch nicht genug, ist ein Entkommen aus diesem System nahezu ausgeschlossen. Alle Menschen sind „gechippt“ und sehen die Inhalte des Netzes im eigenen Blickfeld.

Lustige Social-Media-Features als Ausdruck einer geknechteten Gesellschaft – der erfolgreiche Motion-Designer Fritz Gnad hat sie für den Film hergestellt. Auf seinem Handy zeigt er einige Ergebnisse seiner Arbeit, wie zum Beispiel eine Maske aus grünen Blättern, die von alleine an ein sich bewegendes Gesicht andockt. Obwohl das Tool mit Corona-Schutz vor dem Mund selbstverständlich etwas hakt, wird deutlich, wie sehr auch die Kunstform Film von der Technologie der Gesichtserkennung profitieren kann.

Durch den geringeren Aufwand in der Nachbearbeitung schafft sie schließlich auch größere Spontanität für den Einsatz: Der Kameramann Hajo Schomerus, der gerade vor dem Bunker letzte Absprachen mit seinen Mitarbeitern getroffen hat, ist jedenfalls begeistert. Obwohl er eher dem Dokumentarfilm zugeneigt ist, hat er für „Hyperland“ zugesagt. Ganz ähnlich wie in seinem Lieblingsgenre erlaubt ihm dieser spezielle Spielfilm auch, nicht nur eine Handlung, sondern eine ganze Welt zu erzählen. Dabei setzt er weniger auf geleitete Wahrnehmung – und mehr auf weite Bilder, in welchen der Zuschauer vor allem das sehen darf, was seine Aufmerksamkeit erregt.

Denn auch wenn die Realität, die wir kennen, der von „Hyperland“ nicht unähnlich ist, so gibt es doch bestimmte Unterschiede. Autos existieren in dieser Version der Welt beispielsweise gar nicht und auch Werbetafeln und Plakatwände wird man nirgendwo finden. Dafür musste Hauptdarstellerin Lorna Ishema lernen, wie man mit imaginären Menschen in der Luft videochattet. Eine Herausforderung, welche ihrer Vorstellungskraft einiges abverlangt.

Bei ihrer Figur Cee handelt es sich um einen spannenden, ambivalenten Charakter, der von Anfang an die Welt um sich herum kritisch betrachtet. Zwar ist Cee zum einen als Künstler-Agentin absolut Teil der Gesellschaft, aber ihr privates Ich hat sie sich bewahrt. „Das gibt ihr auch die große Freiheit, sich den sozialen Normen entziehen zu können“, so Ishema. Genau diese Fähigkeit tritt im Film immer mehr an die Oberfläche, nachdem sie merkt, dass ihr „KarmaCount“ manipuliert wurde.

Dieser Anstoß bewirkt auch, dass sie den Kampf gegen das System aufnimmt und nach einigen Wirren in den Kontakt mit den sogenannten Zeros kommt – versteckt lebende Aussteiger, die sich dem Druck des Systems komplett verweigern. In der Abgeschiedenheit stellt sie sich den verdrängten Gefühlen ihrer Vergangenheit und ist hin und her gerissen zwischen ihrer früheren Traumwelt und der harten Realität.

Ob Cee am Ende dem Widerstand beitritt, ob sie dazu beitragen kann, die Welt zu verbessern oder ob sie am Ende doch unter der Last des Systems zusammenbricht, das erfahren wir erst, wenn der Film fertig ist. Jetzt gilt es für Lorna Ishema und die anderen erst einmal, ihn zu beenden. Die Maschine läuft wieder an und alle Gewerke gehen auf ihre Positionen – im Bunker wird endlich gedreht.