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Ehrenpreis für Dietmar SchneiderSo einen schrägen Kulturmanager gibt es nur in Köln

Lesezeit 4 Minuten

Dietmar Schneider vor einem kleinen Teil seines Archivs

Köln – „Das hätte man aufschreiben sollen.“ Dieser Satz fällt häufiger bei unserem Besuch und er gilt für beinahe alle Geschichten, die Dietmar Schneider über seine Erlebnisse mit Künstlern erzählen kann. Wenn der 82-Jährige in seinem gut gefüllten Gedächtnis kramt, springt mindestens eine schöne Anekdote dabei heraus. „Nam June Paik hatte immer Probleme mit den Füßen“, sagt Schneider etwa, ohne genau zu wissen, wie er jetzt gerade darauf kommt, „und schusterte sich deswegen seine Schuhe selbst.“ Eines Tages habe ein gemeinsamer Freund in Richtung Paik gefrotzelt: „Ich sollte deine Schuhe sammeln und nicht deine Kunst.“

Freunde hatte Schneider in der rheinischen Kunstwelt viele und nicht nur gute Kontakte, wie man es von einem Hansdampf in allen Kunstgassen erwarten kann. Insofern ist es schon etwas verwunderlich, dass er erst jetzt den Kölner Ehrenpreis für sein Lebenswerk als Kulturmanager erhält. Hoch verdient ist die Ehrung allemal. Schneiders lange Strecke als Kunstförderer begann 1966 zu einer Zeit, als die Museen für junge Künstler noch eine weitgehend geschlossene Gesellschaft waren und die Galerieszene noch in den Kinderschuhen steckte.

Dietmar Schneider brachte die Kunst in die Einkaufsstraßen

Also überredete der gelernte Versicherungskaufmann immer wieder Kölner Geschäftsleute, ihre Auslagen, Verkaufs- und Schalterräume für Ausstellungen frei zu räumen – 1968 konnte er dann erstmals eine Ausstellung in den Schaufenstern der Hohe Straße organisieren. In den nächsten Jahren machte sich dieses spektakuläre Projekt zur Demokratisierung der Kunst auf den Kölner Einkaufsstraßen breit: Stollwerck räumte die Auslage für Dieter Roths Schokoladenküche frei, bei Wormland baute Heinz Mack seine beweglichen Objekte auf, und Joseph Beuys stellte sich mitten ins Getümmel, um mit Passanten zu diskutieren. Später wagte sich Beuys sogar in den Kölner Rosenmontagszug – ein untrügliches Zeichen, wie gut Schneiders Überredungskunst in beide Richtungen funktionierte.

„Ich machte eigentlich Art Consulting“, sagt Schneider, „bevor es das Wort dafür gab. Allerdings habe ich niemals Provisionen genommen.“ So seien ihm viele Freundschaften geblieben: „Beim Geld gibt es früher oder später immer Krach.“ Von den Künstlern habe er manchmal eine kleine Arbeit als Dankeschön erhalten und sich gesagt: „Okay, dafür habe ich was gemacht.“ Zudem sei er oft „eher Trostspender als Manager“ gewesen, zumal für Künstler, deren Karrieren gerade nicht den erhofften Erfolgsweg nahmen. Schneider kannte Paik, Beuys, Andy Warhol, Gerhard Richter und andere Stars. Aber für sein „Helfersyndrom“ habe es keine Rolle gespielt, wie hoch die Werke eines Künstlers am Markt gehandelt wurden.

Dietmar Schneider 1977 mit behütetem Joseph Beuys

Im Laufe der Jahre ermöglichte Schneider nicht nur Hunderte Ausstellungen in Köln, er gewann auch bedeutende Unternehmen als Sponsoren. Gemeinsam mit der Firma 4711 initiierte er den Kunstpreis Glockengasse, und der Autobauer Toyota finanzierte einen Fotokunstpreis – so sorgte Schneider ganz nebenbei dafür, dass es für seine „Kölner Skizzen“, eine Art illustriertes (und enzyklopädisches) Tagebuch der großen Kölner Kunstjahre, immer etwas aufzuschreiben gab.

Über 30 Jahre begleitete Schneider in den „Skizzen“ das Kölner Kunstleben und dokumentierte es mit der Fotokamera. In seinen Fotobüchern findet sich praktisch jeder Künstler, der mehr als einige Stunden in Köln gastierte, und das waren neben vielen heute unbekannten auch und gerade die berühmtesten ihrer Zeit.

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Sein Archiv hat sich entsprechend hungrig durch die nicht gerade kleine Wohnung im Kölner Agnesviertel gefressen, Regalmeter um Regalmeter, etliche Zimmer sind bis unter die Decke mit Bildern, Briefen und anderen Materialien vollgestopft. „An die Zeichenschränke“, sagt Schneider, „traue ich nicht mehr ran. Da gehen die Schubladen nicht mehr auf.“ Mit all diesen Schätzen hat er etwas vor, das allerdings noch nicht ganz spruchreif ist. „Ein bisschen Bammel habe ich schon“, sagt er dazu, denn ein Großteil seines Lebens verlasse wohl demnächst das Haus. „Aber es ist das Richtige.“ Stapel aus Kunstkatalogen stehen zum Nachfüllen bereit. Aber die werden nicht reichen, die Lücken zu füllen.

Kölner Kulturpreis wird wieder verliehen

Nach coronabedingter Pause vergibt der Kölner Kulturrat 2021 wieder die Kölner Kulturpreise. Die Verleihung findet am 30. August in der Kölner Flora statt. Als „Kulturmanager des Jahres“ werden Jutta Pöstges vom Kunsthaus KAT18 sowie der Begründer der c/o pop Norbert Oberhaus geehrt. Mit dem Ehrenpreis würdigt die Jury das Lebenswerk von Dietmar Schneider. (ksta)

Als junger Kerl hätte sich Schneider nicht träumen lassen, dass sein Leben eine künstlerische Wendung nimmt. Irgendwann habe er aber gemerkt: „Hoppla, das öffnet Augen.“ Dieses Glück wollte er möglichst vielen Menschen nahebringen und gerade auch solchen, die wie er nicht mit Kunst aufwuchsen. Reich hat ihn die Kunst dabei nicht gemacht, obwohl sich wohl manche Gelegenheit geboten hätte – jedenfalls nicht reich an Geld. Kurt Hackenberg, der ehemalige Kölner Kulturdezernent, habe einmal über ihn gesagt: „Dem Schneider brauchen wir nichts geben, der macht das sowieso.“ Recht hatte er. „So eine Type wie mich“, glaubt Schneider, „gibt es sonst nicht. So eine schräge Sache.“