Elektropop-Duo ComaVom Ehrenfelder Kellerstudio bis nach Mumbai
- Marius Bubat und Georg Conrad zogen fürs Studium vom Niederrhein nach Köln. Techno fanden sie erstmal doof.
- Eine Nacht auf der „Total Confusion“-Party brachte die Wende. So euphorische Musik wollten sie auch machen.
- Kurz darauf galt ihr Projekt Coma als Kölns heißester Elektro-Export. Jetzt ist ihr drittes Album „Voyage Voyage“ erschienen.
Köln – Als Georg Conrad und Marius Bubat, besser bekannt als Elektropop-Duo Coma, aus dem Niederrheinischen nach Köln zogen, fanden sie elektronische Musik, so Bubat, eher doof: „Auf dem Land war das die Musik der Prolls. Und dann merkst du auf einmal, dass es in der Großstadt eine total krasse Subkultur gibt, die so gar nichts mit dem zu tun hat, was wir unter Techno kannten.“ Ein wohltuender Schock.
Conrad und Bubat leben und arbeiten bis heute Köln. Auch wenn letzterer noch ein Zimmer in Berlin hat – „da kann man halt ein bisschen mehr Input kriegen als in Köln“ – und behauptet, sich nirgendwo heimisch zu fühlen, liegt der Lebensmittelpunkt von Coma in jenem kleinen Kellerstudio in einem Ehrenfelder Gewerbehof, in dem wir die beiden Musiker treffen.
Conrad und Bubat hatten sich gleich in der fünften Klasse am Gymnasium in Rees miteinander angefreundet, zwei Jahre später verfielen sie auf die Idee, sich die Landlangeweile durch gemeinsames Musizieren zu vertreiben. Sie hörten und spielten Indie-Rock, den klassischen Soundtrack unterforderter Provinzjugendlicher.
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Jede Kulturszene ist auf den Nachwuchs angewiesen, damit neue Impulse entstehen. Welche Perspektiven findet dieser in Köln vor, was sind Anreize, hier zu bleiben und nicht nach Berlin abzuwandern?
Das Kölner Duo Coma, Georg Conrad und Marius Bubat, hat seine ersten EP auf Firm Records veröffentlicht. 2013 folgte das Debütalbum „In Technicolor“ auf Kompakt. Jetzt ist ihr drittes Album „Voyage Voyage“ erschienen.
Jetzt standen die Erstsemester am Rande der Tanzfläche im Studio 672, dem heutigen Jaki, auf der allfreitäglichen „Total Confusion“-Party von Tobias Thomas und Michael Mayer, und realisierten, dass hier einfach Indie-Kids wie sie tanzten, „nur dass die jetzt coole elektronische Musik hören“.
Was sie vor allem interessierte, erzählt Georg Conrad, war das reine Tempo der Musik, „dieses Euphorische, das kannten wir bis dahin noch nicht, diese so genannte Efferveszenz im Club“. Also jene gemeinschaftsbildende Kraft, die nach dem Religionssoziologen Emile Durkheim während rauschhafter, kollektiver Rituale entstehen kann.
„Da“, sagt Conrad, „wollten wir uns musikalisch auch mal ausprobieren.“ Außerdem drohte das alte Bandmodell schon am fehlenden Proberaum in der Stadt zu scheitern. „Wir mussten also schauen, wie wir die Musik, die wir im Kopf hatten, umsetzen konnten, und sind zwangsläufig auf elektronischere Pfade gekommen.“
Und so saßen Bubat und Conrad zwecks Euphoriegewinnung stundenlang zusammen vor dem Rechner und nerdeten sich autodidaktisch in Musik-Software rein. „Wir waren am Anfang so laienhaft in diesen Programmen unterwegs, das fast automatisch was Interessantes entstanden ist“, sagt Bubat. „Wir haben jedenfalls nie versucht, wie irgendwas anderes hier in Köln zu klingen.“ Zumal der damals viel beschworene Sound of Cologne, zuvörderst der poppig wippende Minimal Techno aus dem Hause Kompakt, ja bereits etwas in die Jahre gekommen war.
Coma, wie sich Conrad und Bubat jetzt nannten, wirkten wie eine frische Brise in der Kölner Bucht. Sie brachten Melancholie und Melodie aus ihrer Indie-Sozialisation zum Tanzen, klangen dreckiger und aufregender als die Minimal-Produzenten hinter ihren Laptops. Prompt folgte die Anfrage von Tobias Thomas, ob sie nicht ein Set auf der „Total Confusion“ spielen wollten?
„Das war für uns der Ritterschlag“, sagt Conrad. „Zuerst haben wir uns gefragt, wie wir denn auf so einer Party spielen sollen?“ Dann, mit mehr Selbstvertrauen: „Wenn die uns wollen, dann halt so, wie wir sind. Das hat ja auch einen Exotenstatus, wenn du zwischen den DJs etwas mit Gitarre, Synthie und Vokals machst. Das war unser Alleinstellungsmerkmal.“ Mehr noch, es gab zu jener Zeit, betont Bubat, einfach nichts vergleichbares. „Nicht nur auf Köln bezogen. Wir standen zwischen den Stühlen, aber gerade das fanden die Leute interessant.“
Und nicht nur in Köln. Bald spielten Coma in Clubs rund um den Globus, von Mumbai bis Hanoi, von Tel Aviv bis Mexico-City, verreisten mit Kompakt oder im Auftrag des Goethe-Instituts, was, so Conrad, immer so einen komischen Touch von Kulturimperialismus gehabt hätte.
Ausgepresste Zitrone
Für eine kurze Zeit maßschneiderten sie ihre Tracks zielgerichtet auf den kollektiven Rausch, aber, sagt Bubat, „in dem Moment, in dem wir verstanden hatten, wie es funktioniert, war es auch schon total langweilig. Natürlich kannst du dich dann entscheiden, die Zitrone möglichst krass auszupressen. Aber wir wollten schon beim ersten Album Sachen machen, die mehr unserer DNA entsprechen.“
Und wo liegt sie, die DNA von Coma? Immer noch, sagt Conrad, im Bandkontext. „Wir haben früher viel Indie-Rock gehört, belgische Bands wie dEUS und Das Pop, die frühen Soulwax-Sachen, auch Hot Chip. Alle, die an der Schnittstelle akustisch/elektronisch gearbeitet haben, das fanden wir immer spannend.“
Es sei ihnen wichtiger, ergänzt Bubat, dass ihre Harmonien berühren, als dass 1000 Tanzwütige darauf ausrasten, weil man den ultimativen Drop in den Track eingebaut hat. „Emotionalität statt Intensität, das ist die DNA von Coma. Inzwischen wissen wir es zu schätzen, wenn die Leute einfach mal zuhören.“
Neue Heimat
Dementsprechend haben sie für ihr neues Album „Voyage Voyage“ ihre alte Heimat Kompakt verlassen und bei City Slang, dem Berliner Indie-Label, unterschrieben. Auch, weil es mal wieder an der Zeit für eine Veränderung gewesen sei. „»Voyage Voyage« kann man sinnbildlich für unseren musikalischen Werdegang sehen“, sagt Conrad, „eine Reise, die nicht immer straight war, bei der wir hier und da abgebogen sind.“
Live sind sie jetzt mit Drummer unterwegs, also fast schon eine Band. In Köln kann man Coma wieder am 23. Mai im Stadtgarten live erleben.