Verehrt, geschmäht, geliebt, parodiertDie Queen in Kunst und Popkultur
London – Manchmal erreicht ein trotteliger Bär mehr als hundert investigative Reporter: Nachdem Queen Elizabeth II. die Öffentlichkeit etliche Jahrzehnte darüber im Unklaren gelassen hatte, was genau sie eigentlich in ihrer ikonischen Handtasche mit sich herumträgt, lüftete sie im Juni 2022, nur drei Monate vor ihrem Tod, endlich das lang gehütete Geheimnis.
Ein kurzer Film zu ihrem 70-jährigen Thronjubiläum zeigt die Königin im Buckingham Palace beim gemeinsamen Tee mit Paddington Bär. Auf das Angebot des Kinderbuch-Helden im blauen Dufflecoat, sein Notfall-Marmeladen-Sandwich mit ihr zu teilen, kontert die Queen mit ihrem eigenen Notfall-Sandwich. Das bewahre sie immer in ihrer Handtasche auf – zwei britische Ikonen, die wissen, was wirklich wichtig ist. Der herzige Clip ging sofort viral, es sollte der letzte Schauspiel-Auftritt Elizabeth Windsors werden.
Ihren spektakulärsten hatte sie zehn Jahre zuvor, zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London: Deren Regisseur Danny Boyle besaß die Chuzpe, die Queen in einem Einspielfilm von Daniel Craig in seiner Rolle als James Bond im Buckingham Palace mit einem Hubschrauber abholen, über ihren Untertanen kreisen und dann live über dem Olympia-Stadion abspringen zu lassen.
Und obwohl jeder Zuschauer wusste, dass ein Stuntman im identischen Kleid und mit grauer Perücke am Fallschirm hing, führte der Moment, in dem ihre Majestät ohne jedes Zögern aus der offenen Helikoptertür hüpfte, zur kollektiven Schnappatmung. Ein wunderbarer Gag.
Boyle zufolge hatte Elizabeth II. seinem Vorschlag nicht nur sofort zugestimmt, sondern noch zudem auf eine Sprecherrolle bestanden: „Good Evening, Mr. Bond!“
Ein selbstbewusster und erstaunlich selbstironischer Auftritt. Vor allem wenn man bedenkt, dass der erste massenmediale Selbstdarstellungsversuch der Queen in einem Fiasko endete. Auf Zuraten ihres damaligen Privatsekretärs William Heseltine hatte sie 1968 einer BBC-Dokumentation zugestimmt, für die die königliche Familie ein Jahr lang in ihrem Alltag gefilmt wurde. Und so guckten rund 30 Millionen Briten im Juni 1969 dabei zu, wie sie ihrem Sohn Edward ein Eis kauft, ein Kleid für die Oper aussucht und den amerikanischen Botschafter als Gorilla bezeichnet.
Solche Einblicke sollten die Royals nahbarer wirken lassen, stattdessen erschienen sie uninteressant und kleingeistig. Der Trash-Geruch dessen, was man später Reality-TV nennen würde, blieb bis heute hartnäckig an ihnen haften, wenn auch nicht an der Regentin selbst.
Peter Morgan hat diesen Teufelspakt in der dritten Staffel seiner beliebten Serie „The Crown“ nacherzählt und damit den Kreis von der Monarchie als reiner Fiktion zur Fiktionalisierung ihrer handelnden Personen geschlossen. „The Crown“ wird am Ende wohl die gesamte Regentschaft Elizabeths II. mit königsgemäßem Aufwand nacherzählt haben. Ihren natürlichen Endpunkt hat die Serie ja nun mit dem Tod der Königin gefunden. Tatsächlich ist die Überlagerung von fürs Streamingformat aufbereiteter und noch im Werden befindlicher Geschichte nicht unproblematisch. Aus Respekt hat Morgan am Freitag die Dreharbeiten zur fünften Staffel ruhen lassen.
Für „The Crown“ haben bislang Claire Foy, Olivia Coleman und Imelda Staunton die Queen im Laufe der Jahre porträtiert, die bekannteste Queen-Darstellerin dürfte aber Helen Mirren sein, die Elizabeth II. 2006 im Film „The Queen“ gespielt hat und sechs Jahre später auf der Bühne in „The Audience“ – sowohl das Drehbuch als auch das Drama hat Peter Morgan verfasst. Davor wurde die Frau, deren Gesicht auf jeder Pfundnote zu sehen ist, im Film vor allem als optischer Gag verwendet: Ihre Doppelgängerin Jeannette Charles musste unter anderem in „Die nackte Kanone“, „Hilfe, die Amis kommen“ und „Austin Powers in Goldständer“ für grob gestrickte Slapsticknummern herhalten.
Seriöse Porträts der Königin waren der bildenden Kunst vorbehalten: Britische Künstler wie Peter Blake, Lucien Freud und Damien Hirst machten sich jeweils ein Bild ihrer Regentin, der Amerikaner Andy Warhol sah in ihr nur eine weitere Ikone massenmedialer Vervielfältigung – als junger Künstler hatte er sich einst gewünscht, „so berühmt wie die Queen von England“ zu werden.
Die stärksten emotionalen Ausschläge provozierte Elizabeth II. aber ausgerechnet in der populären Musik. „Gott schütze die Königin/ Sie ist kein menschliches Wesen/ Und es gibt keine Zukunft/ Und England träumt“, schnarrt Johnny Rotten auf „God Save the Queen“, der bilderstürmerischen Single, die die Sex Pistols pünktlich zum Silberjubiläum veröffentlichten. Der Song richtet sich indes weniger gegen die Person Elizabeth II. als gegen die verkrusteten Institutionen des Königreiches.
Ungleich giftiger klingt Morrissey auf der The-Smith-Single „The Queen Is Dead“, er macht sich über Nachfolge-Gelüste von Charles, laxe Sicherheitsvorkehrungen im Buckingham Palace und die Idee der Monarchie im Allgemeinen lustig: Er stamme selbst in 18. Generation von irgendeiner alten Queen ab, lästert Morrissey und spielt dabei auf ebenjene Doppelbedeutung ab – der Titel kann auch als abschätzige Bezeichnung für einen effeminierten schwulen Mann verwendet werden –, der die Band Queen ihren Namen verdankt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Wie naiv und possierlich erscheint dagegen das kurze Minnelied, das Paul McCartney auf der Auslaufrille von „Abby Road“ „Her Majesty“ widmete: Ein ziemlich nettes Mädchen sei ihre Majestät, singt der Beatle dort, auch wenn sie nicht viel zu sagen habe. Er aber möchte ihr gerne sagen, dass er sie liebe – doch das traut er sich nicht auf nüchternen Magen.
2002, bei einem Konzert vor dem Buckingham Palace zum Goldenen Thronjubiläum, hat Sir Paul es schließlich getan und sein Set mit „Her Majesty“ eröffnet. Die Reaktion der Queen ist, wie immer, schwer zu interpretieren. Grinst sie still in sich hinein, oder sehnt sie sich nach dem Marmeladenbrot in ihrer Handtasche?