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Große Ausstellung zu Ewald MataréEr schuf die schönsten Tiere der Welt - nach Gott

Lesezeit 4 Minuten
Skulptur einer grasenden Kuh vor weißem Hintergrund

Ewald Matarés „Grasende Kuh I.“ ist derzeit im Museum Kurhaus Kleve zu sehen.

Das Museum Kurhaus in Kleve zeigt eine wunderbare Retrospektive zum Werk des Bildhauers und Beuys-Lehrers Ewald Mataré.

Glatte Oberflächen, weiche, hand- und augenschmeichelnde Formen, edles Holz und warme Farben - seine Tierskulpturen haben bis heute nichts von ihrer bezaubernden Schönheit verloren, immer noch ziehen sie auf ihre stille Art in Bann. Die stilisierten Kühe sind zum Inbegriff seiner Kunst geworden, Kreaturen, deren Verletzbarkeit, Anmut und Ebenmaß in den lebendigen Oberflächen und schönen Formen ihr angemessenes Bild finden.

Ewald Mataré (1887-1965), obschon er auch Maler, Zeichner und Grafiker war, ist vor allem als Bildhauer bekannt, mit seinem skulpturalen Werk längst auch international in Museen und im öffentlichen Raum vertreten. Jetzt - im kommenden Jahr jährt sich sein Todestag zum 60. Mal - wird mit der Ausstellung „Ewald Mataré. Kosmos“ in Kleve mit gut 600 Arbeiten das Werk des Künstlers umfassend in den Blick genommen. Schließlich ist der zweimalige Documenta-Teilnehmer nicht nur ein herausragender Künstler der klassischen Moderne, sondern auch der wichtigste Künstler in der Sammlung des Museums Kurhaus und wesentlicher Teil von dessen Gründungsgeschichte.

Es ist die bisher größte Ausstellung zu Leben und Werk von Ewald Mataré

Es ist die bisher größte Ausstellung zu Leben und Werk von Ewald Mataré überhaupt, bestückt mit zahllosen Werken aus der großzügigen Schenkung (von 1.200 Arbeiten) des vormaligen Museumsdirektors Guido de Werd, den Tochter Sonja als Erben eingesetzt hatte. De Werd hatte in den 1980er Jahren Matarés Werk nach Kleve gebracht. Jetzt sind sie alle versammelt, die Tiere und Menschenfiguren, die Hühner und Pferde, Kühe und Engel, Kinder und Steinböcke; vom Aquarell bis zum Relief zur Großskulptur, und sogar das Atelier des Künstlers wurde rekonstruiert und ist Teil der Schau geworden.

In Berlin, wohin er 1907 seinem Bruder Josef gefolgt war, hatte Ewald Mataré eine klassische Malereiausbildung begonnen. In jenen Jahren sind die akademischen Körper- und Perspektivstudien entstanden, die jetzt ebenfalls in Kleve zu sehen sind, vom Impressionismus inspirierte Landschaftsaquarelle, religiöse Motive, expressiv und pathetisch, Studien nach Antiken, Akte, aber auch Porträts einfacher Leute, unrasierter Männer und müder Frauen. Cézanne und Mondrian oder auch ein bisschen kubistische Geometrie sind erkennbar, die fehlende Entschlossenheit, bis zum Äußersten zu gehen, allerdings auch.

Drei Männer sitzen in einer Kneipe an einem Tisch.

Ewald Mataré (Mitte) bei Stammtisch in Aachen, um 1907

Man sieht besonders in den druckgrafischen Blättern und Aquarellen sein Ringen um eine formale und inhaltliche Modernisierung – die freilich nie so weit ging wie die vieler seiner avantgardistischen Künstlerkollegen. Wohl nahm der Künstler am Berliner Kunstgeschehen Anteil, besuchte Ausstellungen, kommentierte sie in seinem Tagebuch und trat 1918 der Künstlervereinigung „Novembergruppe“ bei. Richtig Teil dieser Szene aber wurde er nicht.

Die Berliner Jahre sind für Mataré die Zeit der künstlerischen Suche: realistische Bleistift- und Kohlezeichnungen, Menschenbilder von hoher Detailtreue. „Nirgendwo ist der Strich eilig oder schnell, immer ist er sorgfältig, flächig und geduldig in dem Bestreben nach einer naturalistischen Wiedergabe“, beschreibt ein damaliger Lehrer Matarés Arbeit. Es ist diese ernsthaft-bedächtige Haltung, die er beibehält, auch als er die Malerei an den Nagel hängt.

Mataré schuf die Bronzetüren für das Südportal des Kölner Doms

Im Sommer 1920 nämlich beginnt Ewald Mataré mit plastischen Arbeiten und Holzschnitten. Ein Aufenthalt an der Nordsee hatte ihm Schwemmholz vor die Füße und, bildlich gesprochen, ein Messer in die Hand gespült - Material und Werkzeug seiner neuen Berufung. Von nun an war er Bildschnitzer und –hauer, bemüht sich, wie schon und immer noch in den Papierarbeiten, um Abstraktion - und hatte recht bald Erfolg mit seiner reduzierten Formensprache und der strengen Stilisierung. Er bewegt sich in Richtung Abstraktion, aber richtig abstrakt wird er nie.

Kurz nachdem der Künstler 1932 samt Familie an den Rhein gezogen und seine Akademieprofessur in Düsseldorf angetreten hatte (Paul Klee hatte ihn vorgeschlagen) entließen ihn die Nationalsozialisten wieder. In Kleve wurde 1937 im Zuge der nationalsozialistischen Diffamierungen und Säuberungen seine monumentale Plastik „Der tote Krieger“ zerstört. Mataré zog sich zurück, konnte sich mit kirchlichen Aufträgen aber über Wasser halten. 1946 dann übernahm er wieder eine Bildhauerklasse, unterrichtete Joseph Beuys, Erwin Heerich, Günter Grass und Georg Meistermann und erhielt auch wieder wichtige öffentliche Aufträge: die Bronzetüren für das Südportal des Kölner Doms etwa, an dem auch Beuys mitarbeitete, das Westfenster des Aachener Doms, die Portale der Weltfriedenskirche in Hiroshima und das Salzburger Domportal.

Ewald Mataré ist als Bildhauer berühmt geworden. Doch hochgeschätzt war er auch als Lehrer. Sein Atelier- und Wohnhaus in Meerbusch-Büderich dient heute dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen als Atelierhaus.


„Ewald Mataré. Kosmos“, Museum Kurhaus, Kleve, Di.-So. 11-17 Uhr, bis 09. März 2025