Export-ChampionWarum Köln im Mittelalter eine Stadt der Superlative war
- Der vierte Band der „Geschichte der Stadt Köln” widmet sich ihrer wohlhabendsten und mächtigsten Zeit, dem Spätmittelalter.
- Damals war Köln der Export-Champion des Reiches. Wie kam es, dass „kölnisch” zum leuchtenden Gütesiegel wurde?
- Wir haben interessante Fakten aus dem neuen Buch zusammengefasst.
Köln – Den Kölnern wird nachgesagt, einen besonderen Stolz auf ihre Stadt entwickelt zu haben. Woher diese Neigung rühren mag? Anhaltspunkte finden sich in dem jüngsten Werk der auf 13 Bände angelegten „Geschichte der Stadt Köln“. Das widmet sich freilich nicht der kölnischen Gegenwart, sondern dem Spätmittelalter, als die freie Reichsstadt so wohlhabend und mächtig war wie nie zuvor und nie mehr danach. In der Koehlhoff’schen Chronik von 1499 steht geschrieben: „Collen eyn Kroyn boven allen Steden schoyn.“
Diese Spitzenstellung wird nun im Lichte der neuesten Forschung bestätigt: „Köln hatte am Ende des Spätmittelalters den Zenit seines europaweiten Ansehens erreicht.“ So steht es im vierten Band der renommierten, von der Historischen Gesellschaft in Auftrag gegebenen Reihe, der den Zeitraum zwischen 1288 und 1513 abdeckt. Es fällt nicht schwer, den kölnischen Superlativ anhand der Entwicklung auf vielen Feldern des städtischen Lebens nachzuweisen.
Zum Glück lagen die entscheidenden Quellen bereits in Editionen vor, als das Historische Archiv der Stadt im Jahr 2009 einstürzte. Allerdings verstarb Wolfgang Herborn, der auserkorene Autor, im Jahre 2015. Der Historiker und Journalist Carl Dietmar hat daraufhin das Manuskriptfragment übernommen, grundlegend bearbeitet und erweitert – so wie er schon 2016 den Band 3 über das Hochmittelalter nach dem Tod von Hugo Stehkämper vollendet hat. Jetzt gilt das vielleicht kürzeste Vorwort der neueren Historiografie, formuliert von Herausgeber Werner Eck, zur Gänze dem Dank für dieses besondere Engagement.
Von der Blütezeit zeugt das dreieinhalb Meter breite Panorama, das Anton Woensam 1531 gefertigt hatte und das nun als halb so großer Reprint dem Band beigefügt ist. Es ist das Porträt des „hilligen Coellen“, wo die Kirchtürme dicht an dicht stehen und auf dem Rhein die unterschiedlichsten Schiffstypen von Geschäftigkeit künden – „Niederländer“ und „Oberländer“, der „Neusser“ und die „Lauertanne“. Umgeben ist die Stadt von einer mächtigen Befestigungsanlage, die bei Dunkelheit von Nachtwächtern bewacht wird, auch solchen zu Pferde, die zu viert ständig um die Stadtmauern reiten.
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Himmlischen Beistand gab es obendrein. Köln war überreich an Reliquien – darunter jenen der heiligen Ursula mit ihren elftausend Jungfrauen, des wackeren Mauritius mit seiner Thebäischen Legion und den Heiligen Drei Königen. Sie hatten buchstäblich legendäre, historisch aber kaum einmal nachweisbare Schicksale erlitten. Trotzdem lockten sie viele Pilger an.
Das Spätmittelalter ist jene Epoche, in der sich das Kölner Bürgertum mehr und mehr von der Herrschaft des Erzbischofs befreite. Dieser Prozess begann mit der Schlacht von Worringen im Jahre 1288 und fand seinen zwischenzeitlichen Abschluss mit dem „Reichsstadtprivileg“ von 1475. Darin bestätigte Kaiser Friedrich III. alle Rechte, die der Stadt im Laufe der Zeit da und dort zugestanden worden waren. Durch die „Reichsunmittelbarkeit“ wurde die Unabhängigkeit der Stadt vom Erzbischof bekräftigt, das hatte aber zur Folge, dass die Kommune immer mal wieder für Belange des Reiches zur Kasse gebeten wurde.
Befeuert wurde diese Entwicklung zur Selbstbestimmung durch die „überragende Wirtschaftskraft“ der Stadt. Ein Reichtum, der nicht zuletzt dem Stapelrecht von 1259 zu verdanken ist: Alle Waren, die zu Lande oder zu Wasser über Köln transportiert wurden, mussten dort drei Tage lang angeboten werden. Besonders intensiv wurde der Handel mit Wein betrieben, auch mit Tuchen und Heringen. Die Vokabel „kölnisch“ wurde zum weithin leuchtenden Gütesiegel. Dabei stammte gar nicht mal alles aus der Stadt, was ihren Namen trug. Es genügte, wenn die Ware dort geprüft worden war. So wurde Salz aus Portugal, in Seeland veredelt und Antwerpen erworben, als „kölnisches Salz“ vertrieben. Köln war der Export-Champion des Reiches.
Anschaulich erläutern die Autoren die radikalen Veränderungen der kommunalen Machtverhältnisse. Da geht es um das Schöffenkollegium und die Richerzeche, den engen und den weiten Rat. Und immer wieder um die einflussreichen Familien, die in diesen Gremien vertreten waren. Sie gerieten bald schon mit den Gaffeln und Zünften in Konflikt um Privilegien. Mit dem Sturz der Geschlechter-Herrschaft im Jahre 1396 schlug die Stadt ein neues Kapitel auf: Der Verbundbrief hielt die neue Verfassung fest, die „einem verhältnismäßig großen Kreis von Einwohnern Mitwirkungsmöglichkeiten in der Stadtpolitik“ einräumte. Der „Transfixbrief“ von 1513 erweiterte diese kleine Revolution noch um das Recht auf körperliche Unversehrtheit und persönliche Ehre. Die Autoren fassen zusammen: „Ein herausragendes Rechtszeugnis an der Wende zur Neuzeit“.
Ein weites Spektrum zwischen Politik und Privatem wird hier geboten, in leicht nachvollziehbarer Weise. Solcherart wird auch die komplexe Geschichte der Juden in der Stadt aufgefächert – vom vitalen Gemeindeleben über das Pogrom von 1349 und die Wiederansiedlung von 1372 bis zur Ausweisung per Ratsbeschluss im Jahre 1424.
Weiter heißt es zur Rolle der Frauen, deren Zahl die der Männer übertraf: Zumindest Angehörige der Ober- oder Mittelschicht besaßen „weit mehr Rechte und berufliche wie wirtschaftliche Möglichkeiten als in vergleichbaren deutschen Städten“. Zudem gilt ein detailreiches Bildungs-Kapitel den „Generalstudien“, wie die wissenschaftlichen Einrichtungen der Bettelorden genannt wurden, sowie der Gründung der Universität im Jahre 1388. Köln war auch ein Zentrum des Buchdrucks – Ulrich Zell war hier der Pionier und könnte mit seinem Verlagsprogramm, in dem Werke von Cicero und Petrarca auftauchen, noch heute Eindruck machen. Schließlich ist auch ein Loblied auf die Altkölner Malerei zu vernehmen, deren Künstler zumeist anonym geblieben sind, sieht man von Stefan Lochner ab.
Die Zeitgenossen waren beeindruckt. Der Humanist Antonius Liber aus Soest gehörte dazu. Er meinte um 1500, „dass Köln dem Paradies gleiche und Rom, Athen, Paris und Venedig in vielen Bereichen übertreffe“. Beeindruckend ist freilich auch dieser attraktiv gestaltete Band, der das Köln des Spätmittelalters lebendig werden lässt.
Wolfgang Herborn und Carl Dietmar: „Köln im Spätmittelalter – 1288–1512/13“, Band 4 der „Geschichte der Stadt Köln“, hrsg. von Werner Eck, Greven Verlag, 630 Seiten, 60 Euro.