Das Film Festival Cologne steht vor der Eröffnung am 17. Oktober auf dem Prüfstand. Die Filme machen Lust auf ein besseres Festival.
Film Festival CologneWas kommt und was sich beim Kölner Filmfestival ändern muss
Die Kölner Sehnsucht nach einem großen Filmfestival ist eine Geschichte verpasster Möglichkeiten und gebrannter Kinder. Den letzten, äußerst vorsichtigen Schritt in diese Richtung unternahm 1998 Lutz Hachmeister, als er die Cologne Conference, ein Treffen der internationalen Fernsehbranche, um eine Sektion für Kinofilme erweiterte. Seitdem hat sich die Conference schleichend in ein Filmfestival verwandelt, das auch Fernsehproduktionen zeigt; 2016 gab sie sich einen zu dieser Entwicklung passenden neuen Namen. Allerdings erfüllt auch das Film Festival Cologne die alte Sehnsucht nicht – und ist dieses Jahr überdies kurz vor Festivalbeginn ins Gerede gekommen.
Ehemalige Mitarbeiter des Festivals beklagen ein vergiftetes Betriebsklima
In anonymen Briefen an die Geldgeber des Festivals (die Stadt Köln, das Land NRW und die Film- und Medienstiftung NRW) beklagen sowohl ehemalige wie aktuelle Mitarbeiter ein vergiftetes Betriebsklima und prekäre Arbeitsverhältnisse. Beides leiten sie nicht zuletzt aus der Tatsache ab, dass das Film Festival Cologne mehr oder weniger als Einzelpersonen-Gesellschaft geführt wird. Sämtliche Zuschüsse der öffentlichen Hand (rund eine Million Euro) gehen an die Cologne Conference GmbH, deren Geschäftsführerin die Festivalleiterin Martina Richter ist. Vor vier Jahren sollte diese private Trägerschaft in eine öffentliche umgewandelt werden, an der das Land NRW als Mehrheitsgesellschafterin mit 50,1 Prozent sowie die Stadt Köln und Richter beteiligt sind. Ein entsprechender Antrag wurde vom Kölner Stadtrat angenommen, von den Beteiligten aber nicht weiter forciert.
Martina Richter weist sämtliche gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück, die Geldgeber wollen nach Festivalende mit ihr über die weitere Zukunft beraten. Gut möglich, dass der 2020 aufgesetzte Gesellschaftsvertrag dann doch noch unterzeichnet wird. Bei dieser Gelegenheit sollte auch über das Profil des Festivals geredet werden. Als Treffen der Fernsehbranche hat es keine Bedeutung mehr, ein „richtiges“ Filmfestival ist es aber längst noch nicht. Dazu erscheint die Auswahl der Preisträger und vor allem die Programmatik zu beliebig; die „Retrospektiven“ und „Hommagen“ verdienen diese Namen nicht, und ein beachtlicher Teil der Filme wird allein deswegen gezeigt, weil Geld aus NRW in ihnen steckt.
Neben dem „NRW-Wettbewerb“ und den Fernsehreihen ist in Köln eine Blütenlese der großen A-Festivals zu sehen, mit prominenten Vorpremieren, wie man es von vergleichbaren Publikumsfestivals etwa in München oder Hamburg kennt. Aber selbst diese Vorstellungen sind selten ausverkauft. Offenbar hat das Kölner Festival keine Wurzeln in seiner Stadt geschlagen.
Die Stadt Köln hat ihr Vorzeige-Filmfestival laufen lassen
Die Stadt Köln fördert ihr Vorzeige-Filmfestival zwar „nur“ mit jährlich 240.000 Euro, aber das Laufen-lassen ist trotzdem bezeichnend für den Stand der Kulturpolitik in Sachen Filmkultur. Den Plan eines kommunalen Kinos, das sich der Filmgeschichte widmet, hat die Stadt nie ernsthaft verfolgt und dem Sterben der Cinemathek im Museum Ludwig weitgehend tatenlos zugesehen. Stattdessen delegierte sie die Pflege der Filmkunst an private Initiativen, die oftmals am Rande des Existenzminimums (und des Sichtfeldes des Publikums) agieren. Dieser Flickenteppich engagierter Klein- und Spartenfestivals wird von der Politik gerne als kulturelle Vielfalt gefeiert, doch wird diese Vielfalt nicht selten durch Selbstausbeutung und prekäre Arbeitsverhältnisse erkauft.
Das Film Festival Cologne wäre die Gelegenheit, es richtig zu machen und sich zur Filmkunst zu bekennen. Vorbilder für funktionierende Publikumsfestivals gibt es in Deutschland genug, und die Fundamente dafür sind auch in Köln gelegt, wie ein Blick auf das aktuelle Programm des am 17. Oktober beginnenden Festivals beweist. Für neue Filme von Pedro Almodóvar, Andrea Arnold, Jacques Audiard oder Quentin Dupieux sollte sich in einer Millionenstadt stets ein Publikum finden und auch für weniger namhafte Produktionen wie „Des Teufels Bad“ von Severin Fiala und Veronika Franz, ein Historiendrama über Kindsmörderinnen, das bereits auf der Berlinale für Aussehen sorgte.
Der Eröffnungsfilm des Festivals, Andres Veiels „Riefenstahl“, ist alles andere als Durchschnitt
Der Eröffnungsfilm des Festivals, Andres Veiels „Riefenstahl“, ist zwar keine originelle Wahl, aber alles andere als der bleierne Durchschnitt, der bei derlei Gelegenheiten (nicht nur in Köln) gerne zur Aufführung gelangt. Für seinen Dokumentarfilm über Hitlers Lieblingsregisseurin konnte Veiel das private Archiv Riefenstahls auswerten und förderte dabei neben köstlichen Fachsimpeleien mit Albert Speer über die Höhe von Talkshow-Gagen auch unveröffentlichte Passagen ihrer Autobiografie zutage. In diesen geht es vor allem um Missbrauch (durch den Vater und Joseph Goebbels), aber Veiel belässt es bei Andeutungen, vielleicht, weil er fürchtete, die in Lebenslügen verstrickte Regisseurin von „Triumph des Willens“ dadurch zu entlasten. Dabei dürfte die Gefahr, dass aus Riefenstahl eine feministische Ikone wird, zumindest in Deutschland überschaubar sein.
Einen ähnlich renommierten Dokumentarfilmer, Raoul Peck, ehrt das Festival mit dem Kölner Filmpreis. Bekannt wurde der haitianische Filmemacher vor allem mit der virtuosen Aufbereitung historischer Stoffe, wie etwa in „I am Not Your Negro“, dem Porträt des Bürgerrechtlers James Baldwin; sein Werk umfasst aber auch Spielfilme über Karl Marx, den kongolesischen Politiker Patrice Lumumba oder den Völkermord in Ruanda. In Köln ist lediglich Pecks jüngster Dokumentarfilm über den südafrikanischen Fotografen Ernest Cole zu sehen, alles Weitere scheint das Festival den Streaming-Diensten überlassen zu wollen. Dort läuft unter anderem „Silver Dollar Road“ (2023), für den Peck den Kampf einer afroamerikanischen Großfamilie gegen die drohende Enteignung durch ein „weißes“ Immobilienunternehmen verfolgt. In den USA war der Fall ein Skandal, weil zwei Mitglieder der Familie wegen angeblichen Hausfriedensbruchs eine achtjährige Haftstrafe verbüßen mussten.
Michael Premo porträtiert in „Homegrown“ militante Trump-Anhänger
Einer ähnlich langen Gefängnishaft sieht einer der „Proud Boys“ entgegen, die Michael Premo in seinem Dokumentarfilm „Homegrown“ porträtiert. Allerdings wirkt sein im Vorfeld und während der Erstürmung des US-Kapitols aufgenommenes Bildmaterial eher entlastend: Der 37-jährige Chris Quaglin war an diesem Aufruhr zwar in erster Reihe beteiligt, erscheint (wie der von ihm verehrte Donald Trump) aber vor allem als Maulheld, der ständig die Angst vor der eigenen Courage betäuben muss. Auch den übrigen Porträtierten traut man trotz ihrer landestypischen Waffenarsenale keinen Umsturz zu; diese „White Supremacists“ ähneln eher Hooligans, wie man sie von deutschen Fußballtribünen kennt. Harmlos wirken sie deswegen allerdings nicht.
Michael Premo ist etwas gelungen, was wenigen Dokumentarfilmern mit „Feindkontakt“ gelingt: Er hat einen Film auf Augenhöhe gedreht. „Homegrown“ lässt uns hinter die Fassade der Militanz blicken, ohne zu entschuldigen oder zu verurteilen. Am Ende bleibt nur die Frage, inwiefern die laufende Kamera seinen tragischen Antihelden Chris Quaglin erst zu dessen Taten angestiftet hat.
Film Festival Cologne, Spielstätten: Filmpalast, Filmhaus, Köln, 17. bis 24. Oktober. Tickets auf https://filmfestival.cologne