Club-Hopping in KölnAachener Band Fjørt spielt vier Konzerte an einem Tag
Köln – Ein Tag, vier Konzerte in vier verschiedenen Locations, alle Platten ihrer bisherigen Diskographie: Dieses sportliche Programm hat die Aachener Band Fjørt am Freitag in Köln auf die Beine gestellt. Mit einer 16-köpfigen Crew und drei Backlines zog das Posthardcore-Trio also durch die Stadt, eine Schar aus Fans hinterher, mitten durch das Gamescom-Chaos.
Kapitel 1: „Demontage”
Los geht es um 12 Uhr im Sonic Ballroom in Ehrenfeld mit der ersten EP der Bandgeschichte „Demontage”. 2012 erschienen und ein 26-minütiges Stück widerspenstiger Krach vom Feinsten. Die Punkinstitution an der Oskar-Jäger-Straße war nach gerade mal einer Minute ausverkauft, in der schwülheißen Enge tummeln sich also nur die Glücklichen, die noch ein Ticket ergattern konnten.
Während die Stadt hinter den Sticker-tapezierten Wänden ihren mittäglichen Geschäften nachgeht, herrscht im Sonic Ekstase. Die Fans feiern die Band und die Band feiert den Club: „Der beste Laden überhaupt!” Es ist in diesem Fall nicht bloß ein sprachliches Bild zu behaupten, dass Schweiß von der Decke tropft.
Kapitel 2: „D’accord”
Weiter geht es um 15 Uhr im Artheater mit dem Debütalbum von 2014: „D’accord”. Der Tag ist auch eine Zeitreise durch die Bandgeschichte: In verschiedenen Projekten haben Gitarrist Chris Hell, Bassist David Frings und Schlagzeuger Frank Schophaus irgendwie schon immer Musik gemacht, sind fest verwurzelt in der regionalen alternativen Musikszene. Angefangen in kleinen Läden vor einer handvoll Menschen, konnten sie sich mittlerweile als feste Größe in der alternativen Musikszene etablieren. Seit Heisskalt still und leise abgedankt haben, ist das Aachener Trio wohl ohne Zweifel das Beste, was der deutsche Post-Hardcore aktuell zu bieten hat.
Während der Corona-Pandemie war es auch um Fjørt ruhig geworden, umso überraschter war die Band über die Resonanz, als sie sich im April mit der Aktion „Zwei Tage - Alle Platten” zurückmeldeten (freitags in Köln, samstags das gleiche nochmal in Hamburg).
„Wir sind vom Stuhl gekippt, das war unfassbar, was da passiert ist, als wir das Ding ins Internet gehauen haben! Als die ersten Shows nach wenigen Minuten bereits ausverkauft waren, dachte ich wirklich, mich trifft der Schlag!” sagt Sänger und Gitarrist Chris Hell und Bassist David Frings fügt hinzu: „Wir verneigen uns einfach vor den Zuschauer:innen, die sagen: Ihr ward so lange weg von der Kante, wir haben euch a) nicht vergessen und b) haben wir mega Bock, auch alte Songs mit euch zu feiern!”
Kapitel 3: „Kontakt”
Bock zu feiern haben die Fans ohne Frage noch immer, als es um 18 Uhr weiter geht ins Gebäude 9. Ein paar Meter weiter strömen verkleidete Videogamefans in die Kölnmesse zur Gamescom, während im Vorhof des Clubs Konzertbesucher ihre schweißdurchtränkten T-Shirts auswringen. „Kontakt” ist das zweite Album der Band, 2016 erschienen, nachdem die Band beim Hamburger Indie-Label Grand Hotel van Cleef gesignt wurde. Es ist weniger brachial als die vorherigen Platten, die Kanten etwas geglätteter, trotzdem noch laut, roh, naturgewaltig.
„Chris und ich hatten vor allem die Befürchtung, dass unsere Stimmen die Sollbruchstelle sind”, sagt Frings einen Tag vor den Shows. Denn Clean-Gesang gibt es bei Fjørt eigentlich gar nicht, stattdessen brüllen Frings und Hell die Lyrics abwechselnd.
„Wir haben, seit es die Pandemie zugelassen hat, wirklich unendliche Stunden geprobt, bestimmt vier bis fünfmal die Woche”, erzählt Frings. „Wir haben aber relativ schnell gemerkt, dass das überhaupt nicht das Problem ist. Das Problem ist eher sich bei allen Songs zu merken, wo die Finger auf dem Griffbrett hingehören. Wir sind halt nicht die prädestinierten Musiker, wir sind wirklich Handwerker. Wir sind alle drei Autodiktaten und müssen die Songs in Fleisch und Blut kriegen.”
Kapitel 4: „Couleur”
Das ist ihnen gelungen und wird im gleichen Zug zur größten Stärke der Band: Denn egal, ob im kleinen Punkladen oder bei der letzten Show des Tages im Kölner Gloria Theater: Fjørt schaffen es zuverlässig, ihr Publikum mit der Energie ihrer Songs anzustecken, egal wie klein oder groß die Location.
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Das ehemalige Premierenkino in der Kölner Innenstadt wird zum Schauplatz vom bislang letzten Studioalbum der Band: „Couleur”. Von schwindenden Kräften ist trotz des langen Tages weder bei der Band noch beim Publikum etwas zu merken. Mit der Frage: „Was soll danach noch kommen?” hatte das Label vorab für wilde Theorien unter den Fans gesorgt: Entweder, sie verkünden nach der Show, dass sie sich auflösen oder sie kündigen ein neues Album an! Als nach dem letzten Song im Gloria der Vorhang fällt, ist die Erleichterung groß: Das neue Album „Nichts” wird am 11.11.22 erscheinen. Ein besseres Datum gibt es wohl kaum und einen besseren Abschluss für einen wahnsinnigen Tag sowieso nicht.