AboAbonnieren

Fragiles SeelenbaumelnVier aktuelle Alben aus der Kölner Jazz-Szene – trotz Corona

Lesezeit 3 Minuten

Der weise Panda

  1. Vier aktuelle CDs aus der Kölner Jazz-Szene flanieren zwischen Romantik, Perspektivwechseln und Ausdrucksfreude.
  2. Wir haben sie uns angehört.

Während klar ist, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch lange zu spüren sein werden, ist aber noch längst nicht ausgemacht, ob und wie die längst überregional so bedeutsame Kölner Jazzszene diese Situation überleben wird.

Während vielerorts um den Erhalt sowohl von Künstlerexistenzen als auch von Kulturorten gerungen wird, gewinnt die Musik-CD wieder an Bedeutung, gerade im Jazz, gerade auch im Zusammenspiel mit digitalem Download oder Stream. Nicht von ungefähr weisen Musikerinnen und Musiker während eines Konzerts immer wieder auf den CD-Verkauf im Foyer hin, ist eine CD doch ein wirtschaftlich wichtiges Zubrot für sie. In der Regel aber ist sie noch weit mehr: Ein gutes Album ist eine völlig eigenständige Welt voller Ideen- und Klangsphären.

Nichts verbindet die folgenden vier Alben aus der Kölner Jazz-Szene miteinander, außer dass sie jeweils sehr individuelle, absolut hörenswerte Gesamtkunstwerke sind. Stilistisch vielfältig flanieren sie zwischen luzider Romantik und hymnischer Ausdrucksfreude, fern von jeglichem Jazz-Purismus: sozusagen Urban Jazz Tales, die durchaus traditionelle Spielweisen pflegen, sie aber ständig kneten und weiten, mit Weltmusik, Folk, Pop oder Rock mischen, mitunter auch mit aktueller Electronica veredeln.

Permanente Perspektivwechsel gehören zum Grundkonzept des Trompeters Frederik Köster und seiner Band Die Verwandlung. Als prall gefülltes akustisches Skizzenbuch speist sich ihre CD „Golden Age“ aus lyrisch strahlendem Kammerjazz, der einen förmlich umarmt, mal impressionistisch entschleunigt, mal weit ausholend zwischen Balkan und Afrika. Im Zentrum steht das Stück „Leak“, das souverän mit „undichten Stellen“ jongliert und mittendrin mit Loop, Ringmodulator und Fender Rhodes das Genre wechselt. Pianist Sebastian Sternal surft auf seinen eigenen Synthie-Wellen, darüber legt sich, wie nebenbei Coltranes „A Love Supreme“ zitierend, Sternals Trompete, während Schlagzeuger Jonas Burgwinkel und Bassist Joscha Oetz einmal mehr keine Begleiter, sondern kreative Triebfedern sind.

ALEXEJ MALAKHAU MIT „LEIBLICH“

Ähnlich markant setzt Joscha Oetz gemeinsam mit Schlagzeuger Bodek Janke Akzente auf der CD „Leiblich“ des weißrussischen Saxofonisten Alexej Malakhau, der nach seinem Musikstudium in Minsk 2003 nach Köln kam. Malakhaus Kompositionen und sein einfühlsam-warmer Saxofon-Ton sind durchtränkt von feinsinniger Melancholie, aber auch ein Beatles-Song wie „Julia“ generiert mit behutsamen Folk-Anleihen eine besondere Stimmung.

Gleich zwei Harmonieinstrumente (Rainer Böhm bzw. Kristjan Randalu am Klavier, Vitaliy Zolotov an der Gitarre) spinnen gänzlich hierarchiefrei ein luftig-fragiles Gewebe voller Nuancen, das von Ferne durchaus an Charlie Haden’s Quartet West erinnert.

DER WEISE PANDA SPIELT „DER WEISE PANDA“

Mit dem Stück „Fragile“ beginnt die zweite CD des Kölner Quartetts Der weise Panda mit Namen „Der weise Panda“. Prägend im ungemein dichten Band-Sound ist die in der Tat zerbrechlich wirkende, gleichwohl immens selbstbewusste und von atmosphärischer Strahlkraft getragene Stimme der Sängerin und Komponistin Maika Küster. Nach dem Opener reiht sich eine Song-Perle an die nächste, Küsters gruppendynamisches Zusammenspiel mit Felix Hauptmann (Piano), Yannik Tiemann (Bass) und Jo Beyer (Schlagzeug) verarbeitet unangestrengt mannigfache Spielarten von Jazz, Pop und Prog-Rock und entfesselt einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Endgültig magisch wird das Album dank der israelischen Cellistin Talia Erdal – ein hinreißendes Seelenbaumeln, Lichtjahre entfernt von jeder leichtfertigen Unverbindlichkeit.

HENDRIKA ENTZIAN + PRÄSENTIEREN DIE CD „MARBLE“

Wie soll in diesen Reigen der Klangkörper eine ausgewachsenen Big Band hineinpassen? Kein Problem, wenn er so nuancen-fein und betörend transparent daherkommt wie bei Hendrika Entzian + und ihrer CD mit Namen „Marble“. Nachdem die Bassistin zwei vorzügliche Alben mit ihrem Quartett eingespielt hatte, musste man lange auf ihr erstes Big-Band-Album als Arrangeurin und Komponistin warten. Unter anderem heben Sebastian Gille, Matthew Halpin, Shannon Barnett, Klaus Heidenreich und Theresia Philipp zu solistischen Höhenflügen an und bescheren Glücksgefühle selbst in Krisenzeiten: Ein Meisterstück! Die Verwandlung: Golden Age (Traumton/Indigo) Alexej Malakhau: Leiblich (Double Moon Records)

Der weise Panda: Der weise Panda (jazzhaus records) Hendrika Entzian +: Marble (Traumton/Indigo)