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Germany's Next TopmodelWie die Kölner Siegerin die Inszenierung durchbrach

Lesezeit 4 Minuten
GNTM_dpa

Heidi Klum mit Gewinnerin Alex

„Germany’s Next Topmodel“ hatte sich in seiner gefühlt tausendsten Staffel der Vielfalt verschrieben. Und so kam es, dass zum Finale mit dem Kölner Transgender-Model Alex Mariah, der vollschlanken, in der Ukraine geborenen Dascha, der aus Syrien geflüchteten Soulin und der mit 21 Jahren schon durch die Untiefen von Instagram-Bekanntheit und Schönheitschirurgie geschrittenen Romina vier junge Frauen standen, die das Leitmotiv mit Leben füllten. Dazu wäre eigentlich noch Jurastudentin Ashley gekommen, Münchnerin und Women of colour, die sich allerdings entschied, nicht am Finale teilzunehmen. Die Gründe für ihren Rückzug hätten zu den interessanteren Erkenntnissen der Sendung gezählt – wenn Pro Sieben sie denn bekannt gegeben hätte.

Peinlich und plakativ, friedlich und harmlos

Ja, für einen mittelalten Vater dreier Töchter, der schon einige Staffeln gesehen hat, war es langweilig. Es war erwartbar. Hin und wieder: Zum Fremdschämen. Peinlich. Sexistisch. Plakativ. Aber es war auch verhältnismäßig okay. Sogar ein Fortschritt. Unnötig, aber eher harmlos und in seiner holzschnittartigen Feier der Vielfalt: nicht nur schlecht. Als Spiegelbild der Gesellschaft: Ein bisschen erschreckend, weil so gefiltert, geglättet und beschnitten wie ein Instagram-Bild, aber auch beruhigend, weil friedlich und irgendwie auch tolerant.

„Personality“ heißt jetzt, von Andersartigkeit zu berichten

Heidi Klum war mit dem Vorsatz angetreten, aus alten Model-Stereotypen auszubrechen und allen Mädchen, wie die jungen Frauen von ihr versüßlichend genannt werden, eine Chance zu geben. Längst wäre es undenkbar, vor allem ultradünne Frauen in der Show zu präsentieren – die Wutausbrüche im Netz wären ähnlich gewaltig wie eine Fokussierung auf Frauen mit heller Hautfarbe. Auch gewöhnliche Lebensläufe haben keine Chance mehr – Klum geht es ja um „Personality“. Bedeutete das Wort anfangs vor allem, ihr zu gehorchen und perfekt zu funktionieren, bedeutet es inzwischen, zu funktionieren, zu gehorchen – und eine Geschichte zu erzählen, die die Individualität und Andersartigkeit in den Vordergrund rückt. Bei fast jedem Casting sollten die Frauen diese Story in Szene setzen.

Wenn die Sprache der Chefin vor Klischees strotzt, werden allerdings leider auch intelligente Protagonistinnen dazu verführt, Klischees von sich zu geben – und in erwartete Rollen zu schlüpfen. Bloß nicht aufmüpfig oder hintergründig werden, dann hat Heidi leider kein Foto. Soweit, so bekannt.

Kleiner Fortschritt

Trotzdem bedeutet die zurückliegende Staffel einen kleinen Fortschritt. Immerhin saß ich mit meiner Tochter vor dem Fernseher und erklärte ihr, was Transgender bedeutet und warum es nach einem Nackt-Shooting zu einem Disput zwischen der Syrerin Soulin und Yasmin, deren Eltern aus Marokko kommen, kam. Soulin hatte sich als Tabubrecherin inszeniert, Yasmin vor einer Verallgemeinerung gewarnt – die beiden Frauen hatten bei ihrem Gespräch nach den Fotoaufnahmen getan, was GNTM an sich leider nur selten schaffte: über Stereotype diskutiert und so dazu beigetragen, sie aufzubrechen.

Wohltuend auch, dass das Format nicht länger mit dem Versprechen spielt, die Frauen stünden vor einer großen Laufsteg-Karriere. Stehen sie ja bekanntlich nicht, meistens steht ihnen eine Laufbahn im Boulevard beziehungsweise an der Seite von Profifußballern bevor. Jetzt geht darum, anders attraktiv, divers, besonders zu sein - und nicht länger ein Topmodel.

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Leider werden die eigentlich interessanten Geschichten mit dem Holzhammer erzählt: Woche für Woche bekamen die Zuschauerinnen eingebläut, warum es völlig okay sei, wie Dascha „curvy“ zu sein und seinen Körper zu akzeptieren. In einer Anmoderation im Finale hieß es dann, puh, weghören, Dascha habe „nicht nur durch ihre Kurven“ fasziniert. Die meiste Sendezeit bekam Soulin, geflüchtet aus dem syrischen Bürgerkrieg, die vor allem dann Jobs bekam und von Klum gelobt wurde, wenn sie ihre Fluchtgeschichte „authentisch“ erzählte.

Interessante Geschichten werden nicht erzählt

Kaum zu Wort kam in den ersten Sendungen Ashley, deren Erfahrungen vom Leben mit dunkler Hautfarbe womöglich nicht immer nur positiv waren – es wären wohl Geschichten mit mehreren Schichten gewesen, mit Widersprüchen. Ein bisschen zu authentisch, wer weiß.

So ward Romina, die sich nach Klums Wünschen die Haare rot färben ließ, im Finale zur „Feurigen“, Dascha zur Powerfrau, Soulin verkörperte die Furchtlose, Alex Mariah die Liebende. Aua.

Immerhin schaffte es die Siegerin immer mal wieder, die Inszenierung der Sendung zu durchbrechen. Die Kölnerin Alex hatte in der Staffel viel über Ängste und Zweifel geredet – auf der Bühne war sie professionell und selbstbewusst, erhaben, fast kühl. Der Gefühlsstempel, den Klum ihr aufdrücken wollte, passte nicht wirklich zu ihr. Alex erzählte ihre Geschichte zurückhaltend, sagte, dass es viel gewöhnlicher sei, anders zu sein, als weithin angenommen werde, oder, dass sie vor der Kamera nichts Intimes sage.

Sie spielte mit der starren Dramaturgie der Sendung und wirkte um Meilen cooler als die darin gefangene Heidi Klum. Würde die Chefin der „Personality ihrer Mädchen“ wirklich Raum geben - GNTM könnte eine wirklich anregende Sendung sein. Am Ende war immerhin Alex eine perfekte Siegerin: Hübsch, divers, cool - eine echte Persönlichkeit.