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HamsterkäufeWie konnte ausgerechnet Klopapier zum Symbol der Krise werden?

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Die Nachfrage nach Klopapier hat mit den Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie nichts mehr zu tun.

  1. Als Kinder in den 60er-Jahren haben wir immer von der Macht der Zigarette im Nachkriegsdeutschland vor der Währungsreform gehört.
  2. Wer Zigaretten wollte, musste etwas Wertvolles dafür abgeben. Schmuck, Teppiche, Klaviere, Bilder von Rembrandt.
  3. Diese Rolle hat nun das Klopapier eingenommen. Eine persönliche Betrachtung von Frank Nägele.

Köln – Als das Klopapier-Phänomen Anfang März begann, war mir klar, dass es schnell wieder vorbei sein würde. Weil: Der Stuhlgang ist eine im Großen und Ganzen regelmäßige Angelegenheit, die durch den Weltlauf wenig verändert werden kann, so lange die Versorgung mit Nahrungsmitteln einigermaßen gewährleistet ist. Die benötigte Menge Toilettenpapier pro Mensch wird also dieselbe bleiben, zumal Durchfall nicht zu den herausragenden Begleiterscheinungen der Covid-Krankheit gehört.

Große Mengen Klopapier werden irgendwann lächerlich. Dachte ich. Und mehr aus Spaß, denn aus Notwendigkeit habe ich seitdem den Bestand des für die Existenz der westlichen Gesellschaft so wichtigen Zellstoffes bei den Einzelhändlern meiner Wahl verfolgt. Der März nähert sich seinem Ende. Und es ist immer noch immer alles weg. Gestern lag da noch eine vergessene Packung Hakle feucht herum. Ein innerer Drang zwang mich dazu, sie in den Einkaufswagen zu legen. Es war nicht so einfach, das Triumphgefühl zu unterdrücken.

Klopapier ist unsere Zweitwährung

Als Kinder in den 60er-Jahren haben wir immer von der Macht der Zigarette im Nachkriegsdeutschland vor der Währungsreform gehört. Wer Zigaretten wollte, musste etwas Wertvolles dafür abgeben. Schmuck, Teppiche, Klaviere, Bilder von Rembrandt. Diese Rolle hat nun das Klopapier eingenommen. Man beachte das Wortspiel. Klopapier ist unsere Zweitwährung, und die Dealer unseres Vertrauens zucken jeden Tag mit den Schultern. Leider alles weg. Man würde ja fast jeden Preis bezahlen. Geld würd keine Rolle spielen. Man beachte wieder das Wortspiel. Wenn nur eine Rolle da wäre.

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Psychologen haben jetzt mit wissenschaftlichen Analysen darüber begonnen, wie es zu diesem Phänomen kommen konnte. Von allen Dingen, die wir in solch einer Situation zum Überleben brauchen, ist Klopapier – man traut es sich kaum auszusprechen – nicht das Allerwichtigste. Es scheint zu einem Symbol geworden sein.

Ich kann es mir nur so erklären, dass das erste Bild von Hamsterei in dieser Krise das Bild von einem leeren Klopapier-Regal war. Es wurde gepostet, geteilt, kommentiert und war bald überall. Was knapp ist, ist begehrt. Noch begehrter wird, was kaum noch zu bekommen ist. Daraus wurde diese Mischung aus Mangelangst und Jagdleidenschaft, mit der diese Nation hinter dem Klopapier her ist wie die Abenteurer des großen Goldrausches in Alaska hinter den Nuggets.

95 Prozent des Klopapiers im Besitz von 5 Prozent der Deutschen

Wenn das so weitergeht, wird nach den Gesetzen der Ökonomie, die im Verlauf der Geschichte noch immer gesiegt hat, bald 95 Prozent des Toilettenpapiers weltweit im Besitz von 5 Prozent der Deutschen sein. Wir werden das erleben. Da fällt mir ein Aphorismus des großen Wiener Schriftstellers und Zeitkritikers Karl Kraus (1874 – 1936) ein, der erklärte, er habe mit seinen Landsleuten nur zwei Dinge gemein: Den Dialekt und die Verdauung. Und das auch nur widerwillig.

Ich habe übrigens gerade nachgeschaut. In der Vorratskammer sind noch zehn Rollen Klopapier. Ich muss los.