Hape Kerkeling hat für sein neues Buch seine Familiengeschichte erforscht. Im Kölner Tanzbrunnen las er daraus ohne Moderation, stattdessen durfte das Publikum Fragen stellen.
Königlich amüsiertHape Kerkeling begeistert im Kölner Tanzbrunnen
„Hape Kerkeling hält sich für einen Urenkel des britischen Königs Edward VII,“ schreibt der Spiegel. Und das klingt weniger nach einer lit.Cologne-Veranstaltung als nach einem Fall für die geschlossene Psychiatrie – kurz vor „hält sich für den Weihnachtsmann“. Aber selbst den Weihnachtsmann würde man Hape Kerkeling irgendwie abkaufen. Sein Publikum liebt ihn, egal ob als Horst Schlämmer, Pilgerer auf dem Jakobsweg, oder eben britischer Thronfolger.
Und Hape Kerkeling liebt sein Publikum: „Wer schon mal bei einer meiner Lesungen war, weiß, dass ich mich gerne mit meinen Lesern austausche und mit dem Publikum rede. Das ist mir fast wichtiger als das Lesen“, sagte er am Samstagabend im Kölner Tanzbrunnen. Gelesen hat er aber natürlich trotzdem aus seinem neuen Buch „Gebt mir etwas Zeit“, das ihn auf dem Cover in royalem Outfit zeigt.
Die Sache mit der Thronfolge ist eine super Geschichte darüber, welche abenteuerlichen Entdeckungen man machen kann, wenn man sich, wie Hape Kerkeling, auf die Spuren seiner Vorfahren begibt. Sie ist aber eigentlich nur das Krönchen auf seinen Gedankenspielen: Welche Wendung hätte das Leben wohl genommen, wenn Urahne xy... Da ist ziemlich viel Konjunktiv im Spiel: „Wenn unser Omma nicht unehelich geboren wäre und nicht mit einem Kommunisten verheiratet gewesen wäre und katholisch noch dazu – dann stünde ich in der Tat auf Platz 111 der britischen Thronfolge“, erklärt er und gibt auch zu, dass er sich lange nicht sicher war, ob er das zum Aufhänger des Buchs machen soll: „Mein Mann und ich haben uns immer wieder tief in die Augen geguckt und auch der Piper Verlag und ich haben uns immer wieder tief in die Augen geschaut und uns gefragt: Können wir das mit König Edward bringen oder kriege ich danach eine Vormundschaft?“ Aber am Ende sei doch der Zweifel ohnehin interessanter und spannender als die Gewissheit.
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Anfang Januar 2020 habe er angefangen, sich mit der Ahnenforschung zu beschäftigen, erzählt Hape Kerkeling – in der Corona-Pandemie hatte er plötzlich jede Menge Zeit. „Und ich dachte: Mach mal so ein DNA Test, mal gucken was dabei rauskommt.“ Die folgenden dreieinhalb Jahre tauchte er tief in die Familiengeschichte ein – und fand unter anderem heraus, dass seine Vorfahren väterlicher- und mütterlicherseits im 17. Jahrhundert nur 200 Meter entfernt voneinander in Amsterdam wohnten: „Ab dem Moment habe ich gedacht, daraus wird ein Buch.“
Hape Kerkeling gerät regelmäßig auf erzählerische Abwege
Diese niederländische Stadt spielt eine zentrale Rolle in seiner Geschichte und verbindet, was überhaupt nicht zusammenzugehören scheint. Denn auf den Spuren seiner Vorfahren gerät Hape Kerkeling regelmäßig auf erzählerische Abwege – und die sind nicht immer so lustig wie eine royale Herkunft. Aber umso wichtiger: Die Schwulenfeindlichkeit beim WDR zu Beginn seiner Karriere, zum Beispiel. Und eine andere Pandemie, die wir gesellschaftlich verdrängt haben: Aids. 1987 verliebte sich Hape Kerkeling in Amsterdam in einen jungen Mann, mit dem er zwei Jahre zusammen war und der schließlich am HI-Virus starb. Er erinnert in seinem Buch daran, wie herz- und schonungslos die Infizierten damals behandelt wurden.
So offen über seine schmerzhaften Erfahrungen zu sprechen und zu schreiben, sei nicht leicht für ihn, gesteht er: „Aber wenn man sich so öffnet in einem Buch, dann muss man es auch wirklich und echt tun. Dann soll der Leser auch wissen, wie es in einem aussieht. Denn wenn ich nichts fühle beim Schreiben – wie sollte ein Leser dann etwas fühlen?!“
Es ist ein eigentlich unmögliches Kunststück, die potenziellen Liebesabenteuer von Edward VII und die Homphobie im Deutschland der 1980er und 1990er Jahre zwischen zwei Buchdeckeln unterzubringen. Aber Hape Kerkeling kann das – auch wenn er zwischendrin selbstkritisch scherzt: „Ja, der Oppa kommt ins Schwafeln.“ Aber genau diese Ausschweifungen, Assoziierungen und all die Abzweigungen bringen ihn zum Kern seiner Geschichte. Die davon handelt, dass alles mit allem vernetzt ist: Vergangenheit, Gegenwart, selbst weit entfernte Orte und gesellschaftliche Schichten. Und womöglich eben sogar Hape Kerkeling und Edward der VII – wer weiß?!
Enge Verbundenheit mit dem Publikum
Dieses Gefühl der engen Verbundenheit feiert Hape Kerkeling auch mit seinem Publikum. Eine Moderation braucht er nicht, er möchte, dass die Leute im Tanzbrunnen Fragen stellen und stellt gleich zu Beginn klar, dass die auch nichts mit seinem aktuellen Buch zu tun haben müssen. Und so fragen seine Fans nach ganz anderen Dingen als es eine Moderatorin oder ein Moderator vermutlich getan hätte. Etwa, ob es einen zweiten Teil von der Fernsehserie „Club Las Piranjas“ geben wird. Antwort: „Ja, das kann schon passieren. Im Moment arbeite ich aber gerade an einem neuen Horst Schlämmer-Film“. Das Publikum will wissen, ob er bei „Let's Dance“ mitmachen würde („Nein“), ob er das Hörbuch selbst eingesprochen hat („Ja“). Jemand fragt aber auch nach der deutschen Fernsehunterhaltung, die Hape Kerkeling heute zu sehr „mit heißer Nadel gestrickt“ ist und nach der politischen Lage – er hat „großes Vertrauen in unsere Zivilgesellschaft“.
Auf alles antwortet er schlau, unterhaltsam und schlagfertig und am Ende der Veranstaltung ist klar, dass ein roter Faden bei alldem komplett überflüssig ist. Und dass es auch eigentlich ziemlich egal ist, ob Hape Kerkeling vom Weihnachtsmann oder von Edward VII erzählt – so oder so amüsiert sich das Publikum königlich.
Hape Kerkeling, „Gebt mir etwas Zeit“, Piper, 368 Seiten, 24 Euro.