Heike Makatsch über Klimaschutz„Hä, warum muss da eine Folie um die Gurke sein?”
- In den 80ern ging Heike Makatsch mit ihren Eltern gegen die Pershing-II-Raketen demonstrieren, in den 90ern war sie das unpolitische „Girlie der Nation“.
- Und heute? Freut sie sich, wenn junge Menschen sich für etwas einsetzen – und die Erwachsenen wachrütteln.
- Jetzt spielt die 48-Jährige im neuen Benjamin-Blümchen-Kinofilm mit.
- Ein Gespräch über Klimaschutz, den Youtuber Rezo und ein riesiges Elefanten-Herz.
Törööö! Wer kann hier nicht mitsingen? „Benjamin, du lieber Elefant, kannst sprechen und bist überall bekannt ...“. Seit mehr als vierzig Jahren schon trötet ein sprechender Elefant durch deutsche Kitas und Kinderzimmer. Heike Makatsch war sechs, als die erste Hörspielfolge von Elfie Donnellys „Benjamin Blümchen“ erschien. Nun ist sie 48 und begleitet die Kinokarriere des tollpatschigen, hilfsbereiten und offensichtlich zuckersüchtigen Elefanten. Heike Makatsch spielt Zora Zack, eine boshafte Immobilienspekulantin.
Für die Rolle der Zora Zack mussten Sie wahrscheinlich nur die aktuellen Entwicklungen auf dem Berliner Immobilienmarkt studieren, oder?
Erst einmal gefiel mir das Drehbuch sehr gut, auch deswegen, weil hier eine Haltung transportiert wird und weil bereits den ganz Kleinen mitgegeben wird, dass alles Moderne und Neue nicht unbedingt gut sein muss. Umgekehrt wird dadurch oft das Traditionelle und Alte aufs Spiel gesetzt oder ja, siehe Wohnen in Berlin, weggentrifiziert.
Was gefiel Ihnen daran, die Bösewichtin zu spielen?
Ich mochte den Anspruch, den Kindern zu zeigen: Da kommt ein Mensch, der glamourös aussieht, strahlt und lacht, und dann dreht sich dieser Mensch um, und es sieht alles ganz anders aus. Erst dann merkt man, was eine Immobilienspekulantin wie die Zora Zack wirklich im Sinn hat: Wachstum, Profit, die kalte Knete. Es hat mir trotzdem gefallen, diese Rolle zu spielen, diese doppelgesichtige Frau, die auch etwas Trauriges in sich trägt, aber eigentlich knallhart ist und das Warme und Herzige und Lebendige verachtet.
Es gibt inzwischen 86 „Benjamin Blümchen“-Trickfilme und mehr als 150 Hörspielfolgen. Auf diesen Elefanten war immer Verlass. Er hat den Zoo, den Kindergarten oder auch mal die Biber gerettet. Im neuen Kinofilm wollen die Menschen ihn retten, wütend und mit selbst gebastelten Schildern gehen sie für ihn die Straße. Das ist ein sehr aktuelles Motiv.
Es wird jetzt langsam wieder aktuell, man hat das Gefühl, dass schon sehr lange kein Mensch mehr aufgestanden ist für irgendwas. Die Zeiten müssen sich ändern – und sie ändern sich bereits. Man sieht doch, wie die Kids sich politisieren und für #Fridaysforfuture oder #unteilbar auf die Straße gehen. Wenn Benjamin Blümchen auch dazu beitragen kann, dann ist es gut. Die jungen Leute sollen denken, dass Demokratie funktioniert, dass man für etwas einstehen muss, dann wird sich auch etwas ändern
In den 90ern arbeiteten Sie als Moderatorin beim Musiksender Viva. Damals ging es weniger darum, die Welt zu retten, Partymachen war wichtiger. War das eine gänzlich unpolitische Zeit, als Sie mit der Sendung Interaktiv 1993 online gingen?
Es fällt mir schwer, zu behaupten, dass die Neunziger ein besonders politisches Jahrzehnt gewesen wären.
In Ihrer ersten Sendung sagten Sie: „Wir sind mehr als nur ein Fernsehsender, wir sind euer Sprachrohr und euer Freund, und ab heute bleiben wir für immer zusammen.“ Könnte von einem YouTuber stammen.
Wir waren sehr frei damals in dem, was wir gesagt und gedacht haben, wie gehaltvoll das jeweils war, das sei jetzt mal dahingestellt. Heute ist YouTube das neue Sprachrohr, auch wenn keiner mehr dieses Wort benutzt. Da sitzen junge Leute und nutzen ihre Kanäle, um zu vermitteln, was ihnen wichtig ist. Man kann das schon vergleichen, die VJs waren eine Art Vorreiter für die Generation YouTube.
Die nun einen wie Rezo hat.
Die Folgen eines ökonomischen Ungleichgewichts sind nicht mehr zu verdrängen. Aber auch ökologisch ist ein neues Bewusstsein entstanden: Viele fragen sich, ob wir so noch weiterleben können in der Zukunft. Aus einer gewissen Ohnmacht und Passivität heraus ist eine junge Generation entstanden, die Dinge nicht mehr hinnehmen, sondern aktiv gestalten will. Man hat lange nicht mehr geglaubt, dass es eine engagierte Mehrheit gibt und dass diese Mehrheit tatsächlich Einfluss haben kann. Es wäre toll, wenn das nicht verpufft. Ich wünsche mir, dass der Druck auf die Politik so stark wird, dass sich etwas verändert.
Für was sind Sie früher auf die Straße gegangen?
Ich habe 1980 mit meinen Eltern gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen demonstriert, europaweit waren es Millionen. Wir waren in Bonn, ich war neun. Aber nichts von den Sorgen der Menschen ist gehört worden damals, nichts hat sich verändert. Das war ein resignativer Moment für mich. Und so kamen nach den 60er- und 70er-Jahren, die politisch sehr emanzipatorisch waren und in denen viele Umwälzungen stattgefunden haben, die 80er-Jahre, die sich mehr auf Individualisierung als auf das Kollektiv besonnen haben. Und die Kids der Neunziger nennt man dann heute die Partygeneration – ja, schön, dass wieder ein neuer Wind weht.
Ihre Kinder könnten Ihnen Passivität zum Vorwurf machen.
Das aufkommende Bewusstsein für Politik und Ökologie bei der heranwachsenden Generation sensibilisiert mich und ich denke: Hä, warum muss da schon wieder eine Folie um die Gurke sein? Vor drei Jahren hätte ich mir noch eine Plastiktüte an der Kasse geben lassen, das tue ich nicht mehr. Das ist neu. Mein Konsumverhalten ist anders geworden. Ich hoffe, dass es den Markt für die Dinge, die unsere Umwelt zerstören, bald nicht mehr geben wird.
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Warum war Klimawandel früher kein Thema unter Jugendlichen?
Der Umweltschutz hat eine gewisse Coolness bekommen. Wer früher den Regenwald retten wollte, galt als Öko. Heute gibt es Identifikationsfiguren wie Greta Thunberg, denen man gerne folgt. Und weil es viele tun, ist es angesagt. Bei Zwölfjährigen entsteht dadurch ein positiver Druck, in die Richtung, dass es eben uncool ist, wenn man eine Plastiktüte dabeihat oder wenn einem das Thema Umwelt ganz egal ist.
Im nächsten Film wird Benjamin Blümchen also das Klima retten?
Na ja, es gibt viele Baustellen, vieles muss gerettet werden, aber unser Planet, die Umwelt, das steht in der Prioritätenlisten schon ganz oben. Könnte also schon ein neuer Fall für Benjamin werden.
Benjamin Blümchen zieht es oft raus aus Neustadt. Er war auf hoher See, auf dem Mond, bei den Eskimos. Für was steht dieser Elefant eigentlich?
Er ist ja nicht allein, es ist ein Trio. Da ist Karla Kolumna, eine junge Journalistin, die viel hinterfragt, sich nichts vormachen lässt oder mit vorgefertigten Antworten zufrieden ist, sie geht investigativ vor. Dann ist da Otto, der getragen wird durch die Freundschaft zu Benjamin. Und der wiederum steht für …
… Zuckerstückchen?
Nein, das wäre gemein, wenn man Benjamin nur für verfressen und dumm halten würde. Er ist vielleicht nicht so das Brain wie Carla Kolumna. Aber er ist immer da für Otto, er ist unverrückbar, auf ihn kann man sich immer und ewig verlassen. Das ist auch so ein Wert, der ein bisschen verloren geht: Loyalität. Benjamin ist loyal, er ist nie nur auf den eigenen Vorteil aus, er will für die anderen da sein. Benjamin Blümchen steht für eine intuitive Weltsicht, für das Herz. Er steht für das Gute.
Das Gespräch führten Paul Linke und Anne Lena Mösken