Jasmin Tabatabai und Klaus Peter Wöhler lasen im Wechsel die Dichtung.
Copyright: Thilo Schmülgen
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Die finale Lesung der lit.Cologne, die erneut in Kooperation mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ stattfand, lockte über 4000 Besucher an.
Dompropst Gerd Bachner rechtfertigte das singuläre Ereignis in seiner kurzen Ansprache.
Köln – „Das kann doch nicht wahr sein“ sagte ein Passant, als er die abendliche Menschen-Schlange erblickte. Die schlängelte sich vom Westportal des Kölner Domes über die Domplatte und vorbei am verwaisten Dom-Hotel bis zum Brauhaus Früh. Doch – das konnte wahr sein. Denn die finale Lesung der lit.Cologne, die erneut in Kooperation mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ stattfand, lockte über 4000 Besucher an. Mehr Karten standen nicht zur Verfügung für diese historische Lesung.
Historisch? Tatsächlich hatte es das noch nie an diesem geweihten Ort gegeben: Gelesen wurde nicht nur aus dem „Hohelied“ der Bibel, sondern auch aus dem Werk der persischen Mystiker Rumi (1207 – 1273) und Hafis (1320 – 1389/90). Dompropst Gerd Bachner rechtfertigte das singuläre Ereignis in seiner kurzen Ansprache. Das Zweite Vatikanische Konzil habe ausdrücklich festgestellt, dass die katholische Kirche nichts von dem ablehne, was in anderen Religionen wahr und heilig sei. Und weil die Gottessehnsucht in der persischen Lyrik unübersehbar sei, dürfe diese durchaus im Dom zu Köln vorgetragen werden.
Quellen der Hoffnung
Dies zumal in einer Zeit des Terrors, der Gewalt und des Unrechts. Da suchten die Menschen nach Quellen der Hoffnung. Das Gebet sei eine solche Quelle, so der Dompropst, aber auch die Lyrik könne eine sein. Und damit waren genug Gründe angeführt, warum diese „interreligiöse Brücke“, dieser „literarisch-spirituelle Dialog“ am rechten Ort stattfand.
Vor der Lesung bildeten sich lange Schlangen vor dem Kölner Dom.
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Joachim Frank, Chefkorrespondent dieser Zeitung, hatte die Lesung konzipiert. Er führte ein in die Welt der persischen Mystik und in die des „Hohenlieds“. Da wie dort geht es immerzu um die Liebe, die sehnsuchtsvolle und die körperliche Liebe, um die zu einem Geliebten oder einer Geliebten – und womöglich immerzu um die Liebe zu Gott. Denn als Allegorie werden die Texte gerne gedeutet: Die Liebe unter den Menschen entspreche der Liebe von Gott zu seinem Volk. Dass nicht zuletzt das „Hohelied“ vor Sinnlichkeit leuchtet, ist dabei so klar wie nur etwas klar sein kann: „Berauscht Euch an der Liebe!“.
Drei großartige Schauspieler trugen die Texte vor
Drei großartige Schauspieler trugen diese Texte vor. Jasmin Tabatabai, die persische Wurzeln hat, eröffnete mit einem Ghasel – so der Name dieser Gedichtform – von Hafis im persischen Original. Dieses wunderbare Schwingen im schier unendlichen gotischen Raum packte die Besucher sogleich. Katharina Thalbach, von der man im kalten Gemäuer zunächst nur die Augen aus einem Berg aus Jacken und Decken hervorlugen sah, ließ es dann fantastisch, schier alttestamentarisch Rauschen, Raunen und Rollen. Ihre Stimme schlang sich, vom langen Echo getragen, um Pfeiler und Streben und war mehr als einmal ein Ereignis. So lebte sie, was sie las: „Ich bin der Hall und Widerhall“.
Katharina Thalbach, von der man im kalten Dom zunächst nur die Augen aus einem Berg aus Jacken und Tüchern hervorlugen sah, ließ es dann fantastisch Rauschen.
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Gustav Peter Wöhler schließlich fügte sich perfekt ein und trug im souveränen Wechsel die Dichtung vor, die eine Botschaft hatte: So stark wie die Liebe ist nur der Tod. Die achtköpfige „Vokalexkursion“, das Kölner Ensemble für Vokalmusik, rundete diese sehr besonderen Dialog der Kulturen ab. Mit Liedern, die auch nur von dem einen handelten – von „amor“, „love“ und „Liebe“.