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„Il Trittico“ bei den Salzburger FestspielenHimmelfahrt mit überraschender Pointe

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Asmik Grigorian als Suor Angelica

Salzburg – Die Salzburger Musiktheater-Dramaturgie kreist auch mit ihrer zweiten Neuproduktion um letzte Dinge. Nachdem der Doppelabend mit Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ und Carl Orffs Opernoratorium „De temporum finde comoedia" in der Regie von Romeo Castellucci in der Orff-Hälfte zum esoterischen Spektakel mit zweifelhaftem Erlösungsangebot geriet, versprach nun der Verismo-Meister Giacomo Puccini mehr Diesseitigkeit. Doch die in Salzburg gezeigte umgestellte Reihenfolge der drei Teile gibt dem Abend eine sogartige Entwicklung, die am Ende in einer auf Erlösung hoffenden Apotheose gipfelt

Regisseur Christof Loy setzt die Komödie „Gianni Schicchi“ um eine habgierige Nachkommen-Sippe eines vermögend Verblichenen und den schlitzohrigen Titelhelden an den Anfang – sozusagen als Satyrspiel - , lässt dann den sonst zum Auftakt gegebenen Verismo-Reißer „Il Tabarro“ um eine tödlich endende Dreiecksbeziehung in prekärem Milieu folgen, und endet mit „Suor Angelica“, dem sonst wenig geliebten und oft genug unterbelichteten Mittelstück des Trios.

Der Abend ist ganz auf seinen Star, die Sopranistin Asmik Grigorian, zugeschnitten

Das funktioniert schlüssig, weil Loy sein Konzept ganz auf den Star des Abends zuschneidet, die in Salzburg vor vier Jahren als Salome zu Weltruhm gelangte Sopranistin Asmik Grigorian. Hier verkörpert sie nun alle drei herausragenden Frauenrollen und legt damit eine überzeugende Steigerung hin: von der lyrisch-anschmiegsamen, eher nebensächlichen Lauretta in „Gianni Schicchi“ über die lebenslustige, in unglücklicher Ehe gefangene Giorgetta bis hin zur verhärmten Nonne Angelica, deren tragischer Leidensweg im Selbstmord gipfelt.

Diese Dramaturgie ist ein Drahtseilakt, denn sie könnte in der Leidens-Apotheose auch den alten Kitsch-Verdacht gegen Puccini bestätigen, aber Loy gelingt das Kunststück, nicht ins Süßliche abzugleiten, obwohl er die enge Klosterwelt der „Suor Angelica“ nicht anklagend vorführt, sondern ihre Riten und zweifelhaften Versprechungen ernst nimmt.

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Der Abend beginnt mit der Komödie um die Erben des alten Buoso, der sein Vermögen Klosterbrüdern vermacht hat statt seiner habgierigen Sippe. Das vielstimmige Gezerre ums Erbe inszeniert Loy in einem nüchternen Raum (Bühne: Étienne Plus) mit riesigem Bett elegant und mit leichter Hand, und bändigt klug das spielwütige Ensemble. Grigorian hat als Lauretta hier einen eher herben Auftritt, ihre Ohrwurm-Arie „O mio babbino caro“ singt sie schlank und ganz unprätentiös, ohne die üblichen Drücker und Schleifer, Misha Kiria ist ein baritonal wohlklingendes, mehr solides als auftrumpfendes Schlitzohr Gianni Schicchi, Alexey Neklyudovs Tenor als Laurettas Liebhaber Rinuccio ist dagegen etwas eng mensuriert, das restliche Ensemble grandios.

Für „Il Tabarro“ hat Étienne Plus einen realistischen Kahn auf die Bühne gewuchtet, vom prekären Pariser Schlepper-Milieu des frühen 20. Jahrhunderts sieht man allerdings kaum etwas. Die Szenerie bleibt trotz hyperrealistischer Elemente immer erkennbar Theaterbühne, das Spiel bleibt Spiel. Als Giorgetta mit roten Schuhen kann Grigorian nun mehr Temperament zeigen. Auch ihr hell lodernder Sopran fühlt sich in mit der expressiven Partie ihrer in heimlicher Leidenschaft für Luigi entbrannten Figur hörbar wohler. Aber auch Joshua Guerrero kann sich als ihr Liebhaber Luigi mit wiederum zu leichtgewichtigem Tenor neben ihr nicht wirklich behaupten.

Regisseur Christof Loy lotet das Dreiecks-Drama akribisch aus

Loy lotet das Dreiecks-Drama akribisch und mit reduzierten Mitteln klug aus, kleine Gesten und Blicke genügen, die erstorbene Ehe zwischen Giorgetta und Michele (solide: Roman Burdenko) zu zeichnen, über der wie ein dunkler Schatten der Tod des gemeinsamen Kindes liegt. Der Eifersuchtsmord am Liebhaber geschieht dann schnell, beiläufig und lässt fast ernüchtert zurück.

Dann aber, diesmal in heller, puristischer Leere das Nonnendrama: Suor Angelica ist Aristokratin, ihre Familie verbannte sie wegen ihres unehelichen Sohns ins Kloster, sie hat jahrelang keine Nachricht von ihrer Familie. Das Leben der Schwestern schildert Puccini allzu ausführlich mit lichten Gesängen zu alltäglichen Verrichtungen. Dann kommt überraschend die hartherzige Tante Angelicas zu Besuch und berichtet vom Tod ihres Sohnes. Die brutale Konfrontation zwischen der grandiosen Karita Mattila als Tante und Grigorian ist der dramatische Höhepunkt des Abends. Die Tante lässt einen Koffer zurück, darin findet sich ein Teddybär, ein schwarzes Etuikleid und eine Schachtel Zigaretten. Allein gelassen in ihrer Verzweiflung, streift Grigorian den Habit ab, zieht das Kleid über und zündet sich eine Zigarette an, als würde sie zurück spazieren in ihr altes Leben.

Franz Welser-Möst dirigiert einen schlanken, teils impressionistischen Puccini

Diese überraschende Pointe wäre eine ironische Brechung, die Loy aber alsbald kassiert, denn nun will sie sich vergiften, gewahrt, dass Suizid eine Todsünde ist und blendet sich zur Sühne mit einer Schere wie Ödipus. Sterbend läuft ihr ein kleiner Junge in die Arme, den sie nicht mehr sehen kann.

Grigorian findet jetzt zu ihrer Bestform und fesselt mit magischer Bühnenpräsenz. Franz Welser-Möst am Pult der Wiener Philharmoniker dirigiert einen schlanken, teils impressionistischen Puccini, der subtil klingt und sich allen Konventionen verweigert. Allerdings klingt manches dann auch eine Spur zu sachlich, die Italianitá bleibt auf der Strecke, was freilich auch für Grigorians gleißenden, wenig schmelzenden Sopran gilt. Fazit: Ein kluger, sehr klassisch inszenierter Abend, der mitreißt, aber nicht wirklich abhebt.