Interview mit Diane Kruger„Wenn Bullys bei Instagram auffällig werden, melde ich das“
- Die deutsche Schauspielerin Diane Kruger ist längst ein Hollywood-Star.
- In ihrem neuen Film „Die Agentin“ spielt sie eine Agentin, die für den Mossad arbeitet.
- Ein Gespräch über eine schlimme filmische Vergewaltigungs-Szene, die sie spielen musste, Geschlechtergleichheit in Hollywood und ihren Wunsch nach Privatsphäre als Mutter mit ihrem Baby in der Öffentlichkeit.
Frau Kruger, in Ihrem neuen Film „Die Agentin“ arbeiten Sie für den Mossad. Haben Sie mal drüber nachgedacht, ob Sie auch im echten Leben für diesen Beruf geeignet wären?
Ich glaube, dass ich die Intelligenz dazu hätte. Und auch den starken Willen, den es sicherlich braucht. Aber ob ich es schaffen würde, jahrelang unter einer falschen Identität zu leben und nie die Mission aus den Augen zu verlieren? Wahrscheinlich eher nicht. Die Mossad-Agenten, die uns beraten haben, haben mir immer wieder erzählt, dass das oberste Priorität hat: niemals die Mission zu vergessen, und sei es auch nur morgens beim Brötchenkaufen. Das über Jahre durchzuhalten, stelle ich mir extrem schwer vor. Genauso, wie dass man ständig über die Schulter gucken und Angst haben muss, enttarnt zu werden.
Waren Sie, genau wie Ihre Figur, eigentlich auch selbst im Iran?
Nein, nur unsere Second Unit Crew hat ein paar Aufnahmen dort gedreht. Wobei ich gar nicht weiß, wie sie das hingekriegt haben. Ich selbst wäre eigentlich sehr gerne auch mal dort gewesen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt möglich gewesen wäre. Und selbst wenn, hätte ich es wohl nicht ausprobiert. Denn ich war ja schwanger, und wenn irgendetwas gewesen wäre, wäre der Iran nicht der Ort gewesen, wo ich hätte festsitzen wollen.
Apropos schwanger. Konnten Sie sich überhaupt voll auf den Job konzentrieren, oder hatten Sie ständig Ihren Zustand im Hinterkopf?
Nicht wirklich im Hinterkopf, eher im Vorbauch. Aber klar, der Dreh war natürlich anstrengender, als wenn ich nicht schwanger gewesen wäre. Nach einem ganzen Tag auf den Beinen war ich abends ganz schön geschafft. Allerdings fand ich es auch schön, trotz der Schwangerschaft so aktiv zu bleiben. Einerseits den Moment erleben zu dürfen, ein Kind zu erwarten, und andererseits etwas zu tun, dass mich – auch intellektuell – so ausfüllt, war für mich die ideale Kombination.
Es gibt in „Die Agentin“ eine ziemlich heftige Szene mit einer (Beinahe-)Vergewaltigung ...
Ja, eine krasse Szene. Aber weil ich schwanger war, hatte ich dafür ein Double. Nur in den Nahaufnahmen meines Gesichts bin ich wirklich zu sehen. Was aber wiederum auch schwierig war, denn all die intensiven Emotionen dieser Szene musste ich nur mit meiner Mimik ausdrücken, obwohl ich die eigentliche körperliche Bedrängung nicht spielte.
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Da wir gerade über die Vergewaltigungsszene sprechen: haben Bewegungen wie #MeToo oder #TimesUp auch die Art und Weise verändert, wie Sie Drehbücher lesen? Ist das Gespür dafür, was in Sachen Figuren und Geschichten vielleicht nicht mehr geht, unter Schauspielern ein anderes geworden?
Ich glaube, das Gespür war zumindest bei vielen Frauen schon immer da. Es gab nur nicht unbedingt die Möglichkeit, die Stimme zu erheben. Und kaum Alternativen, denn Drehbücher waren fast immer aus einer männlichen Sichtweise heraus geschrieben. Es ist wirklich höchste Zeit gewesen, dass sich daran etwas ändert und wir Frauenfiguren mit mehr Facetten und Nuancen sehen. Denn die Frauen, die ich in meinem Umfeld sehe, sind alle komplex und stark und haben mindestens genauso viel, wenn nicht sogar mehr zu sagen als viele Männer. Aber der Prozess ist jetzt zum Glück im Gang, auch dank Amazon, Netflix und dem allgemeinen Bedürfnis nach mehr Inhalten. Schon bei den Projekten, die aktuell auf meinem Tisch landen, sind die Veränderungen zu erkennen.
Zur Person und zum Film „Die Agentin“
Diane Kruger wurde 1976 in Niedersachsen geboren. Sie spielt überwiegend in amerikanischen und französischen Filmen. Den internationalen Durchbruch bescherte ihr 2004 die Rolle der Helena in Wolfgang Petersens Historienepos „Troja“, das er für Hollywood produzierte.
In Fatih Akins „Aus dem Nichts“ war sie 2017 in ihrer ersten rein deutschsprachigen Rolle zu sehen. Für ihre Leistung wurde sie mit dem Darstellerpreis der Filmfestspiele von Cannes ausgezeichnet. Sie spielte die Frau eines Kurden, der bei einem Nagelbombenanschlag ermordet wird.
„Die Agentin“ von Yuval Adler startet am kommenden Donnerstag. Diane Kruger spielt darin Rachel, die für den israelischen Geheimdienst Mossad im Iran spioniert und spurlos verschwindet. Als ihr Kontaktmann ist Martin Freeman zu sehen. Der Film lief auf der Berlinale. (ksta)
Nutzen Sie für Ihre Arbeit eigentlich auch die sozialen Medien?
Instagram ist das einzige, was ich mache. Und den Account führe ich auch selbst, nicht mein Team oder so. Manchmal macht man da gute Erfahrungen, manchmal schlechte. Aber so ist das nun mal, das ist ja irgendwie auch Sinn der Sache. Was ich nicht akzeptiere, sind Bullys. Wenn jemand ausfällig wird oder so, dann melde ich das, und der wird geblockt. Aber insgesamt kann der Austausch dort, auch mit Leuten, die vielleicht mal anderer Meinung sind, ziemlich interessant sein.
Vor einer Weile haben Sie in einem Insta-Post um größeren Respekt für die Privatsphäre gebeten, weil Sie ungefragt mit Ihrem Baby fotografiert wurden ...
Ja, das war sehr spontan. Und wir sehen, ob sich die Leute daran halten werden. Aber ich muss es zumindest versuchen, gerade jetzt, da ich Mutter bin. Es ist mein Wunsch und meine Hoffnung, dass die Öffentlichkeit das auch respektieren wird. Und wem es gefällt, gefällt's, und wem es nicht gefällt ... C'est la vie.
Das Gespräch führte Patrick Heidmann