Hilary Swank im Interview„Ich will keine Rollen spielen, die mich zum Objekt machen”
- US-Schauspielerin Hilary Swank wurde am Anfang ihrer Karriere aus der Serie „Beverly Hills 90210“ herausgeschrieben.
- Später wurde die Oscar-Preisträgerin in „Boys Don't Cry“ zu einer Ikone für Transsexualität in Hollywood, als sie die Rolle von Brandon Teena spielte.
- Im Interview spricht Swank über ihre Karriereanfänge, Lehren aus Rückschlagen und Rollenklischees.
Locarno – Der Leopard Club Award, der vor wenigen Tagen beim Filmfestival in Locarno verliehen wurde, geht nicht selten an Schauspieler, die bereits eine Karriere von vielen Jahrzehnten hinter sich haben. In diesem Jahr allerdings wurde Hilary Swank ausgezeichnet, die gerade einmal 45 Jahre alt ist und eigentlich noch ein paar Jahrzehnte von Lebenswerk-Ehrungen entfernt ist.
Ab dem 22. August ist Swank nun mit dem Science Fiction-Film „I Am Mother“ auf deutschen Leinwänden zu sehen. Darüber wollte sie in Locarno allerdings ebenso wenig sprechen wie über den umstrittenen Film „The Hunt“, der eigentlich in den USA im September anlaufen sollte und wegen seiner Menschenjagds-Thematik nach den jüngsten Amokläufen nun vorerst im Giftschrank verschwindet. Und so geriet das Gespräch, zu dem Swank im Tessin 20 Journalisten empfing, doch eher zum Rückblick auf bisher Erreichtes.
Frau Swank, Ihr Durchbruch als Schauspielerin kam nicht von heute auf morgen. Würden Sie über manche Fernsehrolle, die Sie in den 90er Jahren spielten, heute gerne das Mäntelchen des Schweigens decken?
Ach, für mich waren diese ersten neun Jahre meiner Karriere einfach eine tolle Lernerfahrung. Alle diese TV-Arbeiten gaben mir das Rüstzeug für die großartigen Gelegenheiten, die sich dann später boten. Man sagt doch oft: Glück ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft. In meinem Arbeitsleben waren diese Fernsehrollen definitiv meine Vorbereitung.
1997 übernahmen Sie eine Hauptrolle in der achten Staffel der Serie „Beverly Hills, 90210“, doch nach 16 Folgen wurden Sie gefeuert. Im Rückblick ein Segen, oder?
Na ja, damals hätte ich nichts dagegen gehabt, noch eine weitere Staffel dabei zu sein. Aber Spaß beiseite: das war natürlich ein riesiger Segen. Und mir bis heute eine Lehre, dass man von jedem Rückschlag etwas lernen kann und er sich womöglich sogar in etwas Positives verwandeln kann. Wie gesagt, ich war nicht happy darüber, dass man mich rausschrieb aus der Serie. Zumal die zu dem Zeitpunkt ja nicht einmal mehr ein großer Hit war. Ich dachte damals: Wenn ich nicht einmal gut genug bin für eine Serie, die kaum mehr jemand guckt, dann habe ich wohl in diesem Job nichts verloren. Aber dann habe ich mich zusammengerissen – und ein paar Monate später sprach ich für eine Rolle vor, die nicht nur meine Karriere, sondern mein ganzes Leben verändern sollte.
Das könnte Sie auch interessieren:
Das war damals der Film „Boys Don’t Cry“, in dem Sie – basierend auf einem wahren Fall – einen jungen Mann namens Brandon Teena spielten, der einst als Mädchen zur Welt gekommen war und aufgrund seiner Transsexualität vergewaltigt und ermordet wurde. Was bedeutet er Ihnen heute?
Bis heute sprechen mich Menschen auf den Film an und bedanken sich bei mir. Nicht mehr so häufig wie früher, aber doch immer mal wieder erzählt mir jemand, dass „Boys Don’t Cry“ sein oder ihr Leben gerettet habe. Oder zumindest die Möglichkeit, sich darüber mitzuteilen, wer sie oder er im Innersten wirklich ist. Das bedeutet mir unglaublich viel. Ich hätte mir nie erträumt, als Schauspielerin einmal in der Lage zu sein, Menschen auf eine derart tiefgehende Weise zu berühren. Man hofft es vielleicht, aber zu erleben, dass das wirklich passiert, ist einzigartig.
War Ihnen auf Anhieb klar, wie wegweisend die Thematik des Films 1999 noch war?
Damals wurde über Trans-Menschen kaum gesprochen. Vergleicht man es mit der heutigen Gesellschaft, muss man Ja sagen, dass es damals noch nicht einmal das ausreichende und korrekte Vokabular gab, um angemessen die Thematik zu erfassen. Damals war alles noch streng unterteilt in hetero und homo, mehr gab es nicht. Die schwul-lesbische Szene wollte mit der Trans-Community nicht wirklich etwas zu tun haben, von Inklusion war keine Rede. All das hat sich zum Glück geändert, auch wenn immer noch ein weiter Weg vor uns liegt.
Und Sie haben mit „Boys Don’t Cry“ zu diesen Veränderungen mit beigetragen?
Der Film stand jedenfalls mit am Anfang einer dringend nötigen Konversation. Gerade aus der Trans-Community haben sich häufig Menschen dafür bedankt, dass ich diese Rolle gespielt habe, gerade auch weil ich eine heterosexuelle Frau bin. Denn sie meinten, dass der Film anderenfalls mit Sicherheit nicht von so vielen unterschiedlichen Menschen gesehen und akzeptiert worden wäre. So wurde Brandon Teenas Geschichte zu einer, die jenseits von Geschlecht und Gender etwas über das Lieben und geliebt werden erzählte.
Rollen zu spielen, die komplexer und fern von typisch weiblichen Klischees sind, wurde anschließend zu Ihrem Markenzeichen.
Ich habe, gar nicht unbedingt bewusst, sehr früh beschlossen, dass ich keine Rollen spielen möchte, die mich als Frau zum Objekt machen. Nur gut aussehen zu müssen oder das Anhängsel eines Mannes zu spielen, war mir einfach zu langweilig.
zur Person
Hilary Swank wurde 1974 in Lincoln, Nebraska geboren und ist eine US-amerikanische Schauspielerin, Filmproduzentin und zweifache Oscar- sowie Golden Globe-Preisträgerin. Auf dem 71. Filmfestival Locarno ist sie nun mit dem Ehrenpreis „Leopard Club Award“ für ihre schauspielerischen Leistungen ausgezeichnet worden. Aktuell ist sie im australischen Science-Fiction-Thriller „I Am Mother“ zu sehen. In Grant Sputores Debütfilm spielt sie eine fremde Besucherin, welche die von Robotern dominierte Welt ins Wanken bringt.
Ist die Erkenntnis im Rückblick heute: Talent setzt sich durch?
Insgesamt würde ich behaupten, dass nicht nur in diesem Beruf, sondern ganz allgemein für uns Menschen Disziplin superwichtig ist, wenn wir etwas erreichen wollen. Sei diszipliniert, wachsam, hartnäckig und unvoreingenommen, das ist der Schlüssel zu allem. Gelernt habe ich das als Schülerin, durch den Sport, denn damals drehte sich alles ums Schwimmen und Turnen. Mein Turn-Trainer sagte immer: „Ich kann nicht heißt ich mach’s nicht. Und ich mach’s nicht heißt Liegestütze! Damals habe ich sehr schnell gelernt, die Wörtchen „ich kann nicht“ aus meinem Vokabular zu streichen. Dabei fand ich Liegestütze noch nicht einmal so schlimm. Aber lange Rede, kurzer Sinn: ich finde, das wir uns selbst oft das größte Hindernis sind, aber mit harter Arbeit eigentlich alles erreichen können.
Sie selbst stecken diese Disziplin inzwischen auch verstärkt ins Produzieren. Welche Art von Geschichten wollen Sie erzählen?
So oft wie ich das gefragt werde, sollte ich eigentlich eine gute, pauschale Antwort parat haben, doch dem ist leider nicht so. Aktuell bin ich zum Beispiel mit der Entwicklung einiger alberner Komödien befasst. Aber gleichzeitig möchte ich auch die Geschichte eines syrischen Flüchtlings auf die Leinwand bringen, eine unvergleichliche und wahre Geschichte über Vergebung und Beharrlichkeit. Ich suche immerzu und an allen Orten nach Menschen, die mich mit ihren Geschichten inspirieren. Da gibt es nicht immer unbedingt einen gemeinsamen Nenner.
Hat der Kontext der Präsidentschaft von Donald Trump einen Einfluss auf die Auswahl Ihrer Projekte?
Nein, mein Interesse, bestimmte Geschichten zu erzählen, hängt nicht davon ab, wer im Weißen Haus sitzt. Die Rollenauswahl, die ich bislang getroffen habe, ist eng mit meiner Persönlichkeit verknüpft, und daran wird sich auch nichts ändern. Geschichten über Außenseiter und Underdogs werden weiterhin das sein, was mich am meisten interessiert, genauso wie das Einstehen für Menschenrechte.