Interview mit Moderatorin Petra Gerster„In Köln war ich jung, verliebt und glücklich“
- Die „heute“-Moderatorin Petra Gerster und unser Autor Christof Ernst waren in Worms einst in der Grundschule und auf dem Gymnasium in derselben Klasse.
- Es entwickelte sich ein Gespräch, das ein bisschen wie ein Klassentreffen ist. In Interview spricht Gerster über die Sendung „Heute“, die sie moderiert und über ihre frühere Heimat Köln.
Petra Gerster, ich empfand Worms damals als provinziell. Wie war es bei dir?
Für mich war es eher ein Glück, in dieser heilen Kleinstadt-Welt aufzuwachsen. Es gab ein engagiertes Bürgertum. Meine Mutter saß für die FDP im Theaterausschuss, mein Vater im Stadtrat, mein Bruder war schon früh bei den Jusos aktiv, und ich habe für den Tierschutzverein gesammelt. Das hat mich geprägt, obwohl mir heute klar ist, dass das eine privilegierte Erziehung war.
Auf dem Gymnasium warst du als Klassen-, später als Schulsprecherin, fast eine Rebellin...
Das ging damals gar nicht anders, denn um 1968/69 herum gab es ja noch viele verkrustete Strukturen. Einige unsere Lehrer waren alte Nazis, die ihren Unterricht immer noch hoch autoritär durchzogen. Unser Griechischlehrer hatte beispielsweise das lateinische Motto »Oderint dum metuant«. Zu Deutsch: »Sollen sie mich hassen, Hauptsache, sie fürchten mich.« Das war auch der, der mich mal zum Weinen brachte.
Du bist quasi im Schatten des Wormser Doms aufgewachsen. Hat dich das auch geprägt?
Zum Wormser Dom habe ich eine tiefemotionale Beziehung, er ist für mich einfach die schönste Kirche, die ich kenne, weil er so alt und schlicht ist. Von unserem Küchenfenster aus hatten wir einen Blick auf die Westtürme der Kathedrale. Ich war übrigens ein frommes Kind. Das änderte sich aber spätestens nach der Enzyklika »Humanae Vitae« und dem Pillen-Verbot von Papst Paul VI..
Worms ist aber eben auch die Stadt von Siegfried, Kriemhild und der Nibelungensage...
Oh ja. Nach der Kino-Premiere der »Nibelungen« mit Uwe Beyer 1966 sah ich meine Stadt mit ganz neuen Augen. Und setzte mich zu Hause begeistert an die Adler-Schreibmaschine meiner Mutter, um meinen Freundinnen und mir ein Theaterstück über die Sage zu schreiben. Das haben wir dann in einem Partykeller vor den Eltern aufgeführt. Da wir alle Mädchen waren, musste ich als Größte allerdings Hagen von Tronje übernehmen – mit Augenklappe und Holzschwert. Da war ich elf.
Das könnte Sie auch interessieren:
Bei den »richtigen« Nibelungenfestspielen bist du oft zu Gast und wirst sofort von Fotografen umlagert. Ist dir das unangenehm oder schmeichelt das der Eitelkeit?
Bei so einem Event gehört das dazu. Da würde es mich eher irritieren, wenn mich keiner fotografieren wollte. Wenn ich aber privat unterwegs bin, und jemand einfach sein Handy auf mich richtet, ohne zu fragen, finde ich das schon unangenehm.
Mit 50 hast du dich einer Schönheits-OP unterzogen und das öffentlich gemacht...
Schönheitsoperation klingt so bombastisch – ich habe mir vor 20 Jahren mal die Schlupflider korrigieren lassen und darüber später in meinem Buch »Reifeprüfung« geschrieben.
Weiterhin moderierst du die „heute“-Sendung, auch noch mit 65 Jahren. Denkst du nicht an Abschied?
Ja, die Zeiten, in denen man als Frau über 50 vom Bildschirm verdrängt wurde, sind glücklicherweise vorbei. Eigentlich wollte ich im November, zum regulären Rentenbeginn, aufhören, aber das ZDF hat mich gebeten, noch ein paar Monate dranzuhängen. Das mache ich natürlich sehr gerne.
Eine „heute“-Sendung dauert 20 Minuten. Wann beginnen für dich die Vorbereitungen?
Im Normalfall geht es um zehn Uhr los, mit einer ersten Konferenz, in der die Themen des Tages besprochen werden. Die entscheidende Sitzung ist dann um 14 Uhr, wenn die Dramaturgie der Sendung festgelegt wird. Ebenso wie meine Kollegen Christian Sievers oder Barbara Hahlweg schreibe ich den vorderen Teil der Nachrichten selbst, dann geht es in die Maske. Die letzten zwei Stunden vor der Sendung werden oft richtig turbulent. Da wird noch viel geändert, denn wir wollen ja so aktuell wie möglich sein.
Zur Person
Nur ein paar hundert Meter vom Wormser Dom entfernt wurde Petra Gerster am 25. Januar 1955 geboren. Nach dem Abitur am Altsprachlichen Gymnasium 1973 studierte sie in Konstanz und Paris, volontierte beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ und arbeitete danach für den WDR. Ab 1989 moderierte sie zehn Jahre lang beim ZDF das Magazin „Mona Lisa“, ehe sie zu den „heute“-Nachrichten wechselte. Mit ihrem Mann Christian Nürnberger, den sie über eine „Zeit“-Annonce kennengelernt hatte, hat sie die Kinder Livia und Moritz. (ksta)
Mit 30 wurde bei dir ein Riesenzellentumor entdeckt, Du musstest lange im Gipsbett liegen. Wie übersteht man das?
Das war 1985, direkt nach meiner Heirat. Der Tumor hatte einen meiner Brustwirbel so beschädigt, dass der schon in den Rückenmarkskanal hineinragte. Ein, zwei Millimeter weiter, und ich wäre querschnittsgelähmt gewesen. Die Operation in der Klinik Köln-Merheim war Rettung in letzter Minute. Neun Jahre später war der Tumor allerdings an dieselbe Stelle zurückgekehrt, und die ganze Prozedur mit OP und wochenlangem Gipsbett begann von vorne. Das war diesmal noch schlimmer für mich, weil ich inzwischen ja zwei kleine Kinder hatte, von einem und vier Jahren.
Du hast in Köln beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ volontiert und für den WDR gearbeitet. Was ist von Köln hängen geblieben?
Wir wohnten von 1984 bis 1988 im 13. Stock des grünen Hochhauses gegenüber der Bastei, hatten einen wunderbaren Blick auf den Rhein und die Stadt. Eine sehr glückliche Zeit. Wir waren jung, verliebt und alles stand auf Anfang. Wir mochten die Stadt mit ihrem Laisser-faire wahnsinnig gern – die Kölner sind die Italiener Deutschlands.