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Interview mit Nina Hoss„Ich suche nach den Widersprüchen“

Lesezeit 5 Minuten

Nina Hoss über den Dächern von Berlin

  1. Die Schauspielerin spricht im Interview über ihre Rückkehr auf die Leinwand, die Zusammenarbeit mit Regisseurinnen und ihren Film „Das Vorspiel“.
  2. Der Film handelt von Frauen, die sich nehmen, was sie wollen.

Nachdem Ihre letzten bedeutenden Filme schon eine Weile zurückliegen, sind Sie jetzt wieder auf der Leinwand zu sehen.

Ich glaube, das hatte etwas damit zu tun, dass ich ein Jahr viel unterwegs war mit Thomas Ostermeier und dem Theaterstück „Rückkehr nach Reims“. In Manchester habe ich geprobt und lange gespielt. Dann kam noch die Fernsehserie „Homeland“. Kurzum: Ich hatte immer das Gefühl, ich bin ständig am Arbeiten. Jetzt mache ich gerade eine Theaterpause, und im letzten Jahr haben sich dann gleich mehrere tolle Filmrollen für mich gefunden.

Ihr letzter gemeinsamer Film mit Christian Petzold war 2014 „Phönix“. Seither haben Sie nach sechs gemeinsamen Filmen nicht mehr zusammengearbeitet. Können Sie sich vorstellen, irgendwann doch wieder zusammenzuarbeiten?

Das kann gut sein. Es ist ja nicht so, dass wir uns im Streit getrennt hätten. Es war nur so – wir haben so lange und intensiv zusammengearbeitet, dass wir mal eine kreative Pause voneinander brauchten, um uns nicht zu sehr zu wiederholen und im gleichen Fahrwasser zu bleiben.

Das Kino entdeckt gerade die klassische Musik. „Das Vorspiel“ ist einer von mehreren Filmen, in denen sehr ehrgeizige Musikerinnen und strenge Klavierlehrerinnen auftreten. Was ist so interessant an diesem Typ der strengen Lehrerin?

Das Drehbuch beschreibt selbstbewusst den Moment im Leben einer Frau, die sich nimmt, was sie will. Sie hat eine Affäre mit einem Musiker, weil sie jemanden braucht, der sie unterstützt, sie ermutigt zu überprüfen, ob sie nicht doch noch mal ihrem Traum nachgehen soll, selber zu spielen. Anna ist aus der Balance, weil sie in der Mitte ihres Lebens steht und sich fragt, ob es ausreicht, nur Lehrerin zu sein. Ist das nicht genug? Damit geht eine Frustration einher, weil sie selber mehr von sich erwartet, als sie verwirklicht hat.

Zunehmend wird Anna aber übergriffiger.

Natürlich beschreibt der Film auch die Weitergabe der Gewalt. Druck ist eine Form von Gewalt. Annas Prägung durch die Kindheit schimmert durch ihr Verhalten durch: Sie verlangt von sich selbst das Beste, um auf keinen Fall zu versagen, und diese Haltung gibt sie an ihren Sohn und an ihre Schüler weiter. Das weiß sie aber und versucht, sich dagegen zu stemmen, weil sie eine feinfühlige Person ist. Für mich war die Szene wichtig, in der Anna dem jungen Studenten bei sich zu Hause eine Platte mit Yehudi Menuhin vorspielt. Das ist der Moment, in dem man spürt, worum es geht. Das ist ihr Zentrum. Anna liebt es, Musik zu machen, und kann nicht verstehen, warum sie sich selber so im Wege steht.

Sie selbst hatten auch Klavier- und Gesangsunterricht. Gab es da ähnliche Erfahrungen?

Ich hatte eine phänomenale Klavierlehrerin, die mich, wenn ich nicht geübt hatte, auf andere Weise bestrafte, was ihr bestimmt nicht bewusst war. Sie saß neben mir und war einfach nur enttäuscht. Das ist fast noch schlimmer, als wenn mich jemand fertiggemacht hätte. Wenn man selber das Gefühl hat, dass man schlecht ist, und sich von Note zu Note quält, ist alles ein Drama, und man muss da irgendwie durch. Das ist natürlich auch eine Form von Terror.

Die Anspruchshaltungen an den Schauspielerberuf sind sehr unterschiedlich, wenn man zum Beispiel so unterschiedliche Positionen betrachtet, wie sie der Regisseur Robert Wilson, die Schauspielerin Isabelle Huppert oder die Befürworter des sogenannten Method Acting vertreten.

Natürlich stimmt es, was Robert Wilson sagt: dass Schauspiel in jedem Fall etwas Künstliches ist, zumal wenn man sich in Situationen hinein begibt, die man selbst oftmals gar nicht erlebt hat. Aber zugleich bin ich dann doch auch bei Isabelle Huppert, weil ich schon in meiner Figur ganz und gar glaubwürdig sein will, und so mit ihr eins, dass man vergisst, dass ich nur so tue, als ob ich spiele. Beim Method Acting verliert man sich ja ganz und gar in der Rolle. Das ist meines Erachtens nur bis zu einem gewissen Grad möglich, weil ich trotz alledem ja doch meine eigene Persönlichkeit behalte.

Zumal es ja Geschichten gibt, in denen man mit äußerst negativen Energien konfrontiert ist, dass man sich sicherlich davor schützen muss? Sie haben in „Phönix“ eine Frau gespielt, die in einem Konzentrationslager war.

Schauspielen kostet einen etwas. Alles andere interessiert mich auch gar nicht. Das heißt natürlich, dass ich mich im Fall der Nelly in „Phönix“ voll und ganz auf das einlasse, was diese Figur erlebt hat, und das belastet mich persönlich natürlich auch. Ich kann es aber am Ende der Dreharbeiten ganz gut ablegen.

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Ich versenke mich also, weil ich weiß, dass ich auch wieder raus kann. Ich suche nach den Widersprüchen. Dass ich beim Spielen viel empfinde, bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich dieselben Empfindungen beim Zuschauer auslöse. Im Fall der Nelly waren ihre Beschreibungen des Konzentrationslagers schon so grauenvoll, dass ich in ein Lachen geriet, weil es anders nicht auszuhalten war.

Sie haben sowohl mit männlichen als auch weiblichen Regisseuren zusammengearbeitet. Gibt es da Unterschiede?

Bei den Frauen ist es einfach so, dass das Ego nicht so sehr im Vordergrund steht. Alle arbeiten dem Projekt zu. Es ist ein konstruktives, zügiges Arbeiten auf Augenhöhe.

Zur Person

Nina Hoss (44) wuchs in Stuttgart auf. 1995 nahm sie ihr Schauspielstudium an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin auf, die sie im gleichen Jahrgang wie Lars Eidinger, Fritzi Haberlandt, Devid Striesow und Mark Waschke absolvierte. Für ihre Darstellung der Rosemarie Nitribitt im dem Remake des Films „Das Mädchen Rosemarie“ erhielt sie viel Aufmerksamkeit. Für ihre Hauptrolle in „Yella“ wurde sie 2007 auf der Berlinale als Beste Darstellerin geehrt. Zudem spielt sie regelmäßig Theater. Ihr neuer Film „Das Vorspiel“ kommt diese Woche Donnerstag in die Kinos.