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Kommentar

Kommentar zur Kinderbuch-Neuauflage
Jim Knopf und die Ignoranz der Menschen, Rassismus zu erkennen

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Lesezeit 4 Minuten
Die Jim-Knopf-Bücher von Michael Ende werden an die Jetztzeit angepasst und sollen zukünftig ohne rassistische Stereotype auskommen. Links das neue Cover, rechts die ursprüngliche Version.

Die Jim-Knopf-Bücher von Michael Ende werden an die Jetztzeit angepasst und sollen zukünftig ohne rassistische Stereotype auskommen. Links das neue Cover, rechts die ursprüngliche Version.

Der Thienemann-Verlag hat gemeinsam mit den Erben von Michael Ende die Jim-Knopf-Bücher überarbeitet. Das gefällt nicht jedem – zu Unrecht.

Es ist eine unendliche Geschichte. Von Menschen, die partout den gesellschaftlichen Fortschritt nicht akzeptieren können oder wollen. Die sich über ihn empören. Und auf Progressivität mit blanker Ignoranz reagieren.

Das neueste Kapitel dieser Geschichte schreibt sich von selbst, als der Thienemann-Verlag am Donnerstag (22. Februar) bekannt gibt, dass eine überarbeitete Neuausgabe von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ (1960) und „Jim Knopf und die Wilde 13“ (1962) erscheinen wird. Gemeinsam mit den Erben des Autors Michael Ende und denen des Illustrators Franz Josef Tripp hat der Verlag einige Änderungen umgesetzt.

Neuauflage von Michael Endes Klassiker kommt ohne Klischees aus

Jim Knopf wird nun in den angepassten Bildern nicht mehr in überzeichneter Blackfacing-Manier dargestellt. Ohne übertrieben dicke Lippen und pechschwarzer, kaum von den Haaren zu unterscheidender Haut. Eine Pfeife hat die Titelfigur – ein Kind – auch nicht mehr im Mund.

Im überarbeiteten Text gibt es keine Vergleiche zwischen der schmutzigen Haut des weißen Lokomotivführers Lukas und der des schwarzen Jim Knopf. Ebenso wurden rassistische Bezeichnungen für indigene Charaktere sowie stereotypische Beschreibungen von Geschlechterrollen angepasst. Das N-Wort, das nur an einer Stelle vorkam, wurde auch gestrichen.

Die Änderungen habe man vorgenommen, „damit Kinder, die die Bücher jetzt lesen, diese sprachlichen Elemente nicht in ihren Alltagswortschatz übernehmen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Thienemann-Verlags.

Aufregung gibt es trotzdem. In den Social-Media-Kommentarspalten ist etwa von „Zensur im Sinne der woken Ideologie“ oder „primitiven Gutmenschen-Getue“ die Rede. Andere Kommentare ziehen sogar Vergleiche zur NS-Bücherverbrennung.

Debatte gab es schon bei Pippi Langstrumpf und Winnetou

Neu ist das nicht. Debatten dieser Art gab es bereits 2010, als der Vater von „Pippi Langstrumpf“ in der deutschen Übersetzung des Kinderbuchs zum „Südseekönig“ erkoren wurde. Zuvor enthielt sein royaler Titel das N-Wort. Als 2022 „Der junge Häuptling Winnetou“ in die Kinos kam, wurde Kritik laut, dass es kolonialistische und rassistische Vorurteile reproduziere. Begleitende Jugendbücher wurden deshalb vom Ravensburg-Verlag wieder zurückgezogen.

Viele wollten die Probleme bei Pippi Langstrumpf und Winnetou nicht einsehen. Wie auch jetzt bei Jim Knopf. Nachvollziehbar ist die Emotionalität bei dem Thema schon, denn die Bücher haben die Kindheit von vielen geprägt. Natürlich muss auch der zeitliche Kontext ihres Erschaffens betrachtet werden. Böse Absichten hatten Astrid Lindgren und Karl May sicherlich nicht. Michael Ende vermutlich auch nicht. Er habe mit den Geschichten von Jim Knopf ein „Gegenbild zur nationalsozialistischen Ideologie gezeichnet“, schreibt der Thienemann-Verlag.

Jim Knopf ohne Pfeife und ohne rassistische Überzeichnung. Auch das Cover von „Jim Knopf und die Wilde 13“ wurde angepasst (l.).

Jim Knopf ohne Pfeife und ohne rassistische Überzeichnung. Auch das Cover von „Jim Knopf und die Wilde 13“ wurde angepasst (l.).

Trotzdem schürt Endes – stellenweise – nicht mehr zeitgemäßer Sprachgebrauch Rassismus sowie weitere Ressentiments. Beispiel N-Wort: Ende der 1950er-Jahre, als der Autor die Kinderbücher schrieb, war es noch normal, dieses Wort zu nutzen. Mittlerweile ist es das aber eben nicht mehr. Es ist eine rassistische Bezeichnung, die schwarze Menschen diffamieren soll. Freifahrtscheine gibt es nicht. Auch, wenn man das Wort nicht so meint oder einzelne schwarze Menschen es als nicht schlimm empfinden.

Ur-Fassung von Jim Knopf weiterhin erhältlich

Jim Knopf zu überarbeiten, ist deshalb absolut richtig und vielleicht auch überfällig. Lange hat der Thienemann-Verlag Rassismusvorwürfe zurückgewiesen. Nun habe man aber eingesehen, dass man mit den Texten Stereotype reproduziere, wie Verlegerin Bärbel Dorweiler in einem „Zeit“-Interview sagte. Die Bücher von Michael Ende habe man jetzt überarbeitet, weil die Vorwürfe all die guten Dinge, die sie ausmachen, nur überschatteten.

Das ist der springende Punkt. Es sind Kinderbücher mit einer zeitlosen Botschaft. Michael Ende wollte mit Jim Knopf vermitteln, wie wichtig Freundschaft, Toleranz und Akzeptanz sind. Das funktioniert dank der Überarbeitung auch noch 60 Jahre später.

Über die neuen Jim-Knopf-Bücher muss sich niemand aufregen. Denn unveränderte Ausgaben werden weiterhin verkauft. Jeder kann also selbst entscheiden, welche Version dem Nachwuchs vorgelesen wird. Im Zweifel eben die mit überholten Klischees, rassistischen Begriffen und rauchenden Kindern. Die Ur-Fassung wird zwar laut Thienemann durch ein einordnendes Nachwort ergänzt, doch das lässt sich – genauso wie der gesellschaftliche Fortschritt – leicht ignorieren.