Köln – Das Verhältnis zwischen Gerhard Schröder und George W. Bush war, man weiß es, schlecht. Der Bundeskanzler hatte 2002 die deutsche Teilnahme am Irakkrieg der Amerikaner abgelehnt und diese Position auch gegen erheblichen Druck aus Washington aufrechterhalten. Der US-Präsident gratulierte Schröder nicht einmal zu dessen Wiederwahl als Kanzler.
Nun stand, im November 2002, der Nato-Gipfel in Prag bevor. Würde es dort zu einem Showdown zwischen Bush und Schröder kommen? In dieser Situation wagte die amerika-affine und -erfahrene Kanzlerfrau Doris Schröder-Köpf einen Alleingang: Sie schaffte es, vor dem Treffen an Bush heranzukommen und ihm beizubringen, dass ihr Mann ihn nicht habe verletzten wollen.
Doris Schröder-Köpf gelang es, das Eis zu brechen
Ihr gelang, was jenem in dieser Situation wohl nicht gelungen wäre: das Eis zu brechen. „Am folgenden Tag“, schreibt Heike Specht in ihrem von ihr soeben im Bonner Haus der Geschichte vorgestellten Buch, „ging Bush mit demonstrativer Offenheit auf Schröder zu und schüttelte ihm die Hand.“
Beeinflussten und beeinflussen Präsidenten- oder Kanzlergattinnen die Politik? Ja, offensichtlich. Kinderbacken tätscheln jedenfalls, ihren Ehemann anstrahlen und bei Staatsbesuchen „bella figura“ machen – diese Klischeebilder einer passiven Sahnehäubchenexistenz, die lange Zeit die Auffassung einer breiten Öffentlichkeit beherrscht haben mögen, sind jedenfalls falsch. Specht, Historikerin und Literaturwissenschaftlerin des Jahrgangs 1974, tut es auf der Basis präziser Recherche geschmeidig dar.
Der Titel – „Ihre Seite der Geschichte. Deutschland und seine First Ladies von 1949 bis heute“ – könnte eine Porträtgalerie (mit insgesamt 18 Kapiteln) von Elly Heuss-Knapp bis Elke Büdenbender (bei den Präsidenten) und von Luise Ehrhardt bis Doris Schröder-Köpf (bei den Kanzlern) nahelegen.
Mit dieser additiv-bescheidenen Machart aber hat die Darstellung nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine durcherzählte Historie der Bundesrepublik gerade auch in ihren mentalitätsgeschichtlichen Ausprägungen anhand besagter First Ladies. Dieser Blick folgt keinem ausgeprägt feministischen Ansatz, aber er ist notwendig ein anderer als die herkömmliche, am Prinzip „Männer machen Geschichte“ orientierte Sichtweise. Denn Frauen machen das bei Gelegenheit eben auch. Tatsächlich wurde es höchste Zeit, dass dieser Aspekt der bundesrepublikanischen Chronik einmal konzise, das heißt unter Anwendung leitender und klassifizierender Begriffe, aufgearbeitet wurde.
Dabei ist das Amt der Kanzler- oder Präsidentengattin eigentlich gar keines – die Verfassung sieht keine First Lady vor. Die Wirksamkeit der „Frau an seiner Seite“ hat das nicht beeinträchtigt – auch wenn das „Amt“ nicht bezahlt, seine Ausübung aber sehr wohl erwartet wird. Und sei es dergestalt, dass „sie“ die Schirmherrschaft über eine gemeinnützige Organisation übernimmt beziehungsweise diese sogar ins Leben ruft – wie Elly Heuss-Knapp es mit dem Müttergenesungswerk und Mildred Scheel mit der Deutschen Krebshilfe tat. Im besten Fall ist, so Specht, die Konstellation Präsident/Kanzler – Gattin eine Win-Win-Situation. Durch seine Frau erst wird der Politiker fürs Wahlvolk recht eigentlich sympathisch, und „sie“ kann „ihm“ zu Hause korrigierend jene Bodenhaftung verschaffen, die in der Regierungsroutine verloren zu gehen droht.
Ist die Geschichte der First Ladies auch eine der Emanzipation? Die Antwort muss, wie Specht nahelegt, differenziert ausfallen. Wenn zur Zeit ein Mann, Joachim Sauer, die Rolle wahrnimmt, die bislang ausschließlich Frauen zufiel, dann terminiert darin eine Entwicklung, die in den 50er Jahren noch undenkbar schien. Auf der anderen Seite war es von Anfang an die Persönlichkeit, die die Funktion ausfüllte und prägte.
Die Autorin stellt diesbezüglich eine Typologie auf: Da ist der Typ „politische Partnerin“, verkörpert durch Frauen wie Elly Heuss-Knapp (die, wenn sie nicht relativ früh gestorben wäre, kraft Statur und intellektueller Ausstrahlung sehr wohl das Zeug zur ersten Bundespräsidentin gehabt hätte) und eben Schröder-Köpf (die ihren Mann energisch zur rot-grünen Koalition hindrängte).
Die erste Patchwork-Familie
Dann gibt es den Typ der „atmosphärischen Partnerin“, repräsentiert durch Rut Brandt und Hannelore Kohl; schließlich waren da die Frauen, die „ihr eigenes Ding machten“ – Mildred Scheel zum Beispiel, die auch die erste Patchwork-Familie avant la lettre in der Villa Hammerschmidt etablierte.
„Sie war die aktivste“, konstatierte beim Bonner Vorstellungsabend Horst Arnold, früherer Leiter des Protokolls im Bundespräsidialamt, der mit nicht weniger als sieben Präsidenten und ihren Frauen arbeitete. Zu Stil- und Repräsentationsfragen konnte er etliches beitragen. Christina Rau zum Beispiel sei – „weil sie deutlich jünger als ihr Mann war“ – äußerst zurückhaltend aufgetreten. So trug sie immer lange Röcke – obwohl sie sich, so Arnold, kürzere durchaus hätte leisten können.
Heike Specht: „Ihre Seite der Geschichte. Deutschland und seine First Ladies von 1949 bis heute“, Piper, 400 Seiten, 24 Euro