Joko und Klaas sind erwachsen gewordenKlassenclowns mit Botschaft
Unterföhring/Berlin – Wer eine Show des Unterhaltungsduos Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf anschaut, fühlt sich oft in einen aus dem Ruder gelaufenen Kindergeburtstag versetzt. Zwar sind die beiden Moderatoren mittlerweile auch schon 42 (Winterscheidt) und 37 Jahre (Heufer-Umlauf) alt, aber wenn sie ihre Duelle starten – ob gegeneinander oder gegen ihren Haussender ProSieben, dann wird es laut, wild und oft sehr albern.
Wie ewige Klassenclowns stellen sie einander Aufgaben, die bei vielen vermutlich nur Kopfschütteln hervorrufen: Joko ließ sich schon den Mund zusammennähen, Klaas stieg in einem Anzug aus Fleisch- und Fischabfällen in einen Fluss voller Piranhas.
Und auch die Prominenten, die für sich regelmäßig Aufgaben erfüllen müssen, machen einiges mit. So sprang Charlotte Roche im Bungee-Stil von einer russischen Eisenbahnbrücke – aber das Seil, das sie sicherte, war mit vier Titanbolzen in die Haut ihres Rückens gehakt.
Hass-Liebe wirkt glaubwürdig
Die Shows sind manchmal, wie im Fall von Roche, schwer auszuhalten, aber fast immer sind sie vor allem eines: sehr unterhaltsam. Das liegt zu großen Teilen auch daran, dass Joko und Klaas mit einer infantilen Freude an diesen Wahnsinn herangehen, die ansteckend ist.
Auch ihre Hass-Liebe wirkt glaubwürdig. Der eine kann nicht ohne den anderen – erst in jüngster Zeit gehen sie immer häufiger auch eigene Wege im Fernsehen –, aber genervt sind sie dann eben doch auch regelmäßig von den Marotten des anderen.
Sie haben eine sehr ernsthafte Seite
So hätte es für die beiden, die erstmals 2009 in der MTV-Sendung „MTV Home“ gemeinsam zu sehen waren, noch lange erfolgreich weitergehen können. Aber auch die größten Quatschmacher haben oft eine sehr ernsthafte Seite. Und der geben Winterscheidt und Heufer-Umlauf immer häufiger auch im Fernsehen Raum.
Zu bestaunen war das einmal mehr am Mittwochabend. Die beiden hatten am Dienstag in ihrer Show „Joko und Klaas gegen ProSieben“ gegen den Privatsender gewonnen. Als Gewinn erhalten sie für einen Sieg 15 Minuten Sendezeit zur freien Verfügung – immer zwischen 20 Uhr und dem Start der Primetime um 20.15 Uhr.
Doch es kam anders. Pro Sieben räumte sieben Stunden frei, um mit einer Doku ohne Werbeunterbrechung auf Deutschlands Pflegenotstand aufmerksam zu machen. Unter dem Motto #Nichtselbstverständlich wurde mit Hilfe einer Bodycam in Echtzeit eine Schicht der Krankenpflegerin Meike Ista im Knochenmark- und Transplantationszentrum der Uniklinik Münster gezeigt.
Darauf reagierten sogar Bundesminister wie Olaf Scholz. Anerkennung gab es auch von der Konkurrenz: Der Kultursender Arte lobte in einem Tweet „ein Stück deutsche TV-Geschichte“, RTL nannte es eine „starke Aktion“.
Ein beeindruckender Film
Es war ein beeindruckender Film, der die zu Wort kommen ließ, die vor einem Jahr beklatscht und dann wieder vergessen wurden. Und es war ein politisches Statement, das auf einen Missstand in unserer Gesellschaft aufmerksam machte.
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Es war aber nicht das erste Mal, dass Joko und Klaas deutlich Stellung bezogen, sich selbst zurücknahmen und anderen eine Stimme gaben, die sonst zu wenig Beachtung finden.
Sie ließen in früheren Ausgaben ihrer 15 Minuten die Kapitänin eines Schiffs, das Geflüchtete im Mittelmeer rettet, einen Obdachlosenhelfer und eine Aktivistin gegen Rechtsextremismus zu Wort kommen.
„Männerwelten“ ist für den Grimme-Preis nominiert
In der Ausstellung „Männerwelten“ überließen sie Sophie Passmann und anderen Frauen den Sendeplatz, um über Sexismus und sexualisierte Gewalt zu sprechen. Die Sendung ist aktuell für den Grimme-Preis nominiert. Und nach dem Brand des Flüchtlingslagers Moria dokumentierte ein bedrückender Kurzfilm das Elend der Menschen dort.
Auch außerhalb des Fernsehens beziehen beide politisch immer wieder klar Stellung. Die Klassenclowns sind erwachsen geworden. Und so gelingt Joko und Klaas etwas, das im deutschen Fernsehen immer noch Seltenheitswert hat: Sie vereinen Quatsch, Quote und relevante Inhalte.