Am Sonntag ist Justin Timberlake in der ausverkauften Lanxess-Arena aufgetreten. Die Fans lieben ihn vor allem für seine alten Hits.
Justin Timberlake in KölnDer erfahrene Entertainer liefert – doch die neuen Songs zünden nicht
Eine rötlich eingefärbte Kakteenlandschaft in den USA, mitten in der menschenleeren Wüste steht Justin Timberlake in mehrfacher Ausfertigung, übergroß, im dunkelgrauen Anzug und Sonnenbrille. Der Bildschirm hinter der Bühne flackert: Es bleibt nur noch der 43-Jährige, alles um ihn herum ist schwarz. Den Blick auf die Massen gerichtet, leitet er mit verfremdeter Stimme die Show ein: „I’m Everything I thought it Was“ – der Titel des neuen Albums.
In diesem Moment tut sich die Bühne auf und der Mann aus Memphis, Tennessee, kommt von unten hochgefahren. Ohrenbetäubendes Geschrei in der ausverkauften Arena: Justin ist wieder auf Welttournee. Von dem Holzfällerhemd aus dem Jahr 2018, als er mit seinem Ausflug („Man of the Woods“) in den Folk- und Country-Pop so gar kein Gemüt zu erhitzen vermochte, gibt es zum Glück keine Spur mehr. Stattdessen ist er wieder in einen lässigen Anzug geschlüpft: Anders als 2007 in Köln hat er dieses Mal jedoch das weiße Hemd und die Krawatte abgestreift, es reicht ein schwarzes Shirt unter dem Oversized-Sakko. Die polierten, weißen Sneaker leuchten im Licht der Handyscheinwerfer.
Justin Timberlake in der Lanxess-Arena in Köln: Im Publikum vor allem Fans erster Stunde
Nach seinen Doppelkonzerten in Berlin und München ist er nun an zwei Abenden in Folge in der Lanxess-Arena. Gekommen sind Fans vor allem erster Stunde: Als der DJ Andrew Hypes die Menge vor Timberlakes Ankunft warmspielt, und er das Publikum befragt, welchem Jahrzehnt sie angehören, bebt die Arena am lautesten bei der Frage „Where are the Eighties?“. Hypes bereitet die 34- bis 45-Jährigen musikalisch schonmal auf die Nullerjahre vor: Nelly, Beyoncé, Rihanna, Jay-Z, Snoop Dogg, Missy Elliott – alles, was in jenem Jahrzehnt die Charts geflutet hat, soll den Boden für Timberlake bereiten.
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Der lässt natürlich die erfolgreichsten Hits seiner ersten beiden Alben „Justified“ (2002) und „FutureSex/LoveSounds“ (2006) nicht außen vor: Doch der Fokus liegt klar auf dem im März erschienen aktuellen Album. Die neuen Songs zünden nicht so richtig, obwohl Timberlake das Komplettpaket des erfahrenen Entertainers liefert. Jeder Tanzschritt sitzt, die Musikerinnen und Musiker seiner Band The Tennessee Kids verkörpern in ihren schwarz-weißen Outfits pure Coolness und verbreiten gemeinsam mit der Tanzgruppe gute Stimmung, und doch: Die Fans hören lieber die alten Sachen. Die streut Timberlake zwischendurch ein, die vom Publikum gewünschte nostalgische Zeitreise will er nicht verhindern. Die neue Platte sollte nach dem gefloppten Country-Pop-Album wieder mehr an die goldenen Zeiten anknüpfen, als noch Leute wie Timbaland und Pharrell Williams (The Neptunes) einen Hit nach dem anderen für den ehemaligen *NSYNC-Star schmiedeten.
Justin Timberlake: Kritik am neuen Album
Doch „I’m Everything I thought it Was“ fiel nach nur vier Wochen wieder aus den amerikanischen Billboard-Charts. In Deutschland landete das Album zunächst auf Platz fünf, verließ die Charts aber ebenfalls rasch. In der Kritik kam es auch nicht gut weg. Es sei technisch gut gemacht, doch „überproduziert“, lautete der Konsens - und die neuen Stücke seien nur ein Schatten von einstigen Großtaten wie „Cry Me A River“ oder „Can't Stop The Feeling“.
Auch die Masche des sexy-soften R’n’B-Jungchens, – im Song „Infinity Sex“ prahlt Justin mit Liebhaberqualitäten – zieht als verheirateter Mann und Familienvater nicht mehr so richtig. Dieses Gepose auf der Discotanzfläche, auf denen sich „no angels“ befinden: Das mutet ein wenig zu sehr nach unreflektierten Macho an.
Das verträgt sich auch nicht mit den jüngsten Enthüllungen seiner Jugendliebe Britney Spears, die in ihrer Biografie vergangenen Herbst ein wenig schmeichelhaftes Licht auf den Sunnyboy von einst wirft: Er solle sie zur Abtreibung ihres gemeinsamen Kindes gedrängt und später per SMS die Beziehung für beendet erklärt haben. Timberlake selbst hat sich nie zu den Vorwürfen geäußert, ob sein trotziges „Ich werde mich bei absolut verdammt niemandem entschuldigen“ bei einem Konzert im Februar in New York gegen Spears gerichtet war, darüber kann nur spekuliert werden.
Dass sich die Lieder teilweise über sieben Minuten erstrecken und das Album insgesamt etwas lang geraten ist, kommt in Zeiten kurzer Aufmerksamkeitsspannen zwar nicht gut an. Doch nicht das ist das Problem. Vielmehr liegt es darin, dass sich der Popstar mit seiner musikalischen Rückbesinnung nicht auf ein gänzlich neues Level erhebt. Der Sound klingt bekannt, der Aha-Effekt bleibt aus.
Justin Timberlake in der Lanxess-Arena: Die Steigerung von Gekreische ist die totale Stille
Ob nach der geglückten Welttournee der Funke doch noch überspringt, bleibt abzuwarten. In Köln jedoch war ungeachtet dessen die Stimmung gut. Die Steigerung des Gekreisches, wenn Timberlake sich seinen Fans nähert, ist die atemlose Stille, wenn er etwa von der Hauptbühne springt und im Zuschauerraum zur zweiten Bühne in den hinteren Bereich rennt. Dann richten Tausende Fans ihre Smartphones gleichzeitig auf den Star, um ihm möglichst nah zu sein.
Später schreibt Justin Timberlake auf Instagram, er habe noch 24 Stunden vor seinem Auftritt in Köln nicht gewusst, ob er es auf die Bühne schafft: Er habe Nackenschmerzen gehabt. Das merkt man ihm nicht an, der ganze Auftritt gleicht einer großen, smoothen Bewegung, wenn er mal am Ständer singt, mal mit dem Mikro in der Hand, für Balladen zur Akustikgitarre greift oder ein paar Töne auf dem Piano anstimmt. Die Stimme kann immer noch viel, muss jedoch bei dem hohen Pensum auch vielfach durch Background-Sänger und vom Band unterstützt werden.
„Manchmal fällt es mir schwer, die richtigen Worte zu finden“, sagt Timberlake, als sich die Show schon zum Ende neigt, „wir sind wirklich zusammen groß geworden.“ Manche in der Arena verfolgen seine Karriere in der Tat seit mehr als 30 Jahren, als er zusammen mit Spears und Christina Aguilera im Mickey Mouse Club zum Jungstar heranwuchs. Mit dem pseudo-sehnsüchtigen Geklimper im Hintergrund wirkt es an dieser Stelle zwar etwas aufgesetzt, doch als er auf Deutsch ruft „Ich liebe Euch alle“, ist es um das Publikum geschehen. Justin ist immer noch Justin: und das Finale mit „Rock Your Body“, „Sexy Back“ und „Mirrors“ ist ein würdiges.