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Kinder, Dauerlächeln und fünf FreundeDas bietet das Kölner Museum Ludwig im Jahr 2025

Lesezeit 4 Minuten
Drei Mädchen spielen auf der Straße ein Spiel mit bunten Spielsteinen.

Standbild aus Francis Alÿs Videoarbeit „Children's Game #32“. Sie ist bald im Kölner Museum Ludwig zu sehen.

Das Kölner Museum Ludwig zeigt ein Kindermuseum mit Francis Alÿs, mehrere Fotoschauen und ein Netzwerk der Nachkriegsmoderne.

Gemalte Menschen lächeln nicht. Die Porträtkunst wird beinahe ausschließlich von Personen bevölkert, die sich mit ernstem Blick einer ungewissen Zukunft wappnen, und wenn einer Dame doch einmal der Anflug eines Lächelns über das Gesicht huscht, steht die Welt vor dem Louvre Schlange, um dieses unerhörte Naturschauspiel mit eigenen Augen zu sehen. Die Frage, warum wir heute bei jeder Gelegenheit in eine Fotolinse grinsen, ist also nicht völlig unerheblich. Noch im 19. Jahrhundert tat man sich keinen Gefallen, wenn man dem Fotografen seine Zähne zeigte. Ein schöner Mensch hatte nach allgemeinem Empfinden auf seinem Abbild den Mund zu halten.

Das Kölner Museum Ludwig widmet sich im neuen Jahr diesem historischen Wandel in der menschlichen Selbstdarstellung und kollektiven Wahrnehmung. „Smile!“ heißt die kleine Schau, die ab 1. November 2025 nachzuzeichnen versucht, „wie das Lächeln in die Fotografie kam“. Die Schuld am Dauergrinsen wird, so viel sei verraten, dabei nicht zuletzt der Foto- und Werbeindustrie zugeschoben. Um die Kamera zum Massenartikel zu machen, wurde sie von dieser als ständiger Begleiter des Familienglücks vermarktet; jedes Bild ein großer Spaß und ein unwiederbringliches Souvenir.

Ein Netzwerk wird vorgestellt: John Cage, Merce Cunningham, Jasper Johns, Robert Rauschenberg und Cy Twombly

So wurde das Kameralächeln offenbar zu einer sozialen Norm, deren Wirkungsgrad sich sogar wissenschaftlich bestimmen lässt. 2015 nahmen sich US-Wissenschaftler die Jahrbücher amerikanischer Highschools des vergangenen Jahrhunderts vor, fabrizierten Durchschnittsgesichter der jeweiligen Dekaden und maßen die Krümmung der Mundwinkel mit Computertechnik. Um 1900 waren die Mienen noch versteinert, danach machte sich allmählich die gute Laune breit; wie echt das moderne Lächeln ist, konnte allerdings nicht berechnet werden.

Kinderlachen gilt dagegen als unverfälscht. Ab dem 12. April soll es durch das sonst eher andächtig stille Museum Ludwig schallen. „Kids Take Over“ nennt der belgische Künstler Francis Alÿs sein Kölner Gastspiel, für das er den großen Ausstellungssaal des Ludwigs 50 Kölner Schülern zwischen acht und 13 Jahren überlässt. Sie sollen ein Kindermuseum und einen Spielparcours kuratieren, für ersteres wählen sie Arbeiten der Museumssammlung aus, um sie zu kommentieren. Alÿs, der 2023 im Museum Ludwig den Wolfgang-Hahn-Preis erhielt, lässt allerdings nicht nur arbeiten. Er hat auch 30 Videoprojektionen der „Children’s Games“, seines bekanntesten Langzeitprojekts, im Gepäck: Seit 20 Jahren filmt er Kinder in aller Welt beim Spielen. Vieles an ihnen erscheint universell in seiner ansteckenden Fröhlichkeit, aber es zeigen sich auch Unterschiede zwischen Arm und Reich, Krieg und Frieden, Süden und Norden.

Der Schatten eines Mannes fällt auf den Rücken einer Frau.

Selbstporträt als Schattenriss von Lee Friedlander: „NYC, 1966“

Bei den „5 Freunden“, die Ludwig-Direktor Yilmaz Dziewior ab 3. Oktober vorstellt, wurde mutmaßlich auch gelegentlich gelacht. Es geht um John Cage, Merce Cunningham, Jasper Johns, Robert Rauschenberg und Cy Twombly, die, jeder für sich, zu den Helden der US-Nachkriegskunst zählen, sei es als Maler (Rauschenberg, Johns und Twombly), als Choreograf (Cunningham) oder wie Cage als Komponist und genialer Scherzkeks vor dem Herrn. In der Kölner Ausstellung (die ab April bereits im Münchner Museum Brandhorst gezeigt wird) geht es um das Netzwerk, das sich um diese Künstler spannt, angefangen bei den Denkanstößen, die Cage den anderen versetzte, bis zu den Bühnenbildern, die Rauschenberg und Johns für Cunningham anfertigten. Dabei werden, verspricht das Museum, Kunstwerke, die im selben Atelier entstanden, zum ersten Mal gemeinsam im musealen Raum gezeigt. In Kooperation mit Musik- und Tanzensembles sollen Werke von Cage und Cunningham zudem neu inszeniert und „in der Gegenwart verankert“ werden.

Ansonsten führt das Ludwig im Jahr 2025 einige Langzeitprojekte fort. In der Ausstellungsreihe „Hier und Jetzt“ nimmt die US-Künstlerin Marie Watt kitschige Postkartenmotive aus der Ludwig-Sammlung kritisch in den Blick, und in der „Artist Meets Archive“-Reihe der Internationalen Photoszene Köln widmet sich Pauline Hafsia M’barek den Studien und Fotografien des Fotohistorikers und Chemikers Erich Stenger.

Einige Klassiker der Straßenfotografie sind ab Mai im Fotoraum zu sehen. Bei Lee Friedlander, Garry Winogrand und Joseph Rodríguez lächelt (fast) niemand in die Kamera, die drei Fotografen waren (oder sind) moderne Bilderdiebe, die das ungestellte Leben zeigen wollten. Die Ausnahmen wurden dafür umgehend berühmt, wie die beherzt lachende Eisesserin auf dem Titel von Winogrands „Women are Beautiful“. Entweder hatte der Fotograf eine Tarnkappe um oder die sich biegende Frau flirtet mit der Ewigkeit.