Im Zweiten Weltkrieg kämpften mehr Soldaten aus der „Dritten Welt“ als aus Westeuropa – ihre Opfer werden gerne mal vergessen. Ändern soll das eine neue Ausstellung im Kölner NS-Dok.
Abschluss in KölnWanderausstellung im NS-Dok rückt vergessene Opfer des Zweiten Weltkriegs in den Fokus

Die Reihe „Comfort Women“ des niederländischen Fotografen Jan Banning findet sich im Gewölbe des NS-Dok.
Copyright: Jörn Neumann
Rund ein Dutzend Frauen blicken einem beim Eintritt in den Gewölbekeller des Kölner NS-Dokumentationszentrums von großformatigen Leinwänden entgegen, direkt in die Augen, so der Eindruck. Bei aller Faszination über die detailreichen Aufnahmen drängt sich vor allem ein Gedanke auf: Diese Indonesierinnen sind wohl gezeichnet vom Leben.
Von ihrem Leid erzählt das Fotoprojekt „Comfort Women (Troosmeisjes)“ des Dokumentaristen Jan Banning. Gemeinsam mit der Journalistin Hilde Janssen interviewte und fotografierte der Niederländer Zeitzeuginnen, die während des Zweiten Weltkriegs von japanischen Soldaten in Militärbordelle verschleppt wurden. Ihre Traumata, so scheint es, spiegeln sich in jeder Falte, in jedem Stirnrunzeln und in jedem Blick wider.
Eröffnung der Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ am 7. März 2025
Die indonesischen „Troosmeisjes“ – Trostfrauen zu Deutsch – sind nur ein kleiner Teil der Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“, die am Freitagabend, 7. März, im NS-Dok eröffnet wird. Gleichzeitig sind sie nur ein kleiner Teil der Opfer, die der Zweite Weltkrieg eben nicht nur in Europa und Amerika, sondern genauso in Asien, Afrika und Ozeanien forderte. Neben Zwangsprostituierten aus Indonesien wurden in diesen Ländern hunderttausende weitere Frauen Opfer sexueller Gewalt.
Ihre Landsmänner rekrutierten die faschistischen Achsenmächte und Alliierten in ihren Kolonien oftmals mit Gewalt. Im Krieg kämpften schließlich mehr Soldaten aus dem heute als „Globaler Süden“ bezeichneten Teil der Welt, als aus Westeuropa. Ihre Länder dienten als Schlachtfelder und blieben nach Kriegsende verwüstet und vermint zurück. Die philippinische Hauptstadt Manila etwa beklagte 1944 mehr Bombentote als Dresden, Berlin oder Köln.
1985 gingen wir erstmals in die Bibliotheken, um herauszufinden: Wie viele Opfer waren das eigentlich? Wir stellten fest: Es gab nichts dazu.
„Doch in der Geschichtsschreibung“, sagt Henning Borggräfe, Leiter des Museums, „wurden die Folgen des Krieges in der Dritten Welt lange Zeit kaum beachtet“. Das zu ändern, schrieb sich Ende der 90er Jahre das Rheinische Journalistenbüro Köln auf die Fahnen, dessen Arbeit ab 2000 vom gemeinnützigen Verein Recherche International weitergeführt wurde.
Von Anfang an dabei war Karl Rössel. „1985 gingen wir erstmals in die Bibliotheken, um herauszufinden: Wie viele Opfer waren das eigentlich?“, erzählt er. „Wir stellten fest: Es gab nichts dazu. Afrika kam schonmal überhaupt nicht vor.“ Auf Reisen in über 30 Länder seien die Journalisten auf Informationen gestoßen, haben Einheimische und Zeitzeugen getroffen, „die sehr wohl berichten konnten“. Viele von ihnen seien frustriert gewesen, weil ihr Beitrag im Krieg in der eurozentrischen Perspektive kaum wahrgenommen werde.
Wanderausstellung findet ihren Abschluss im NS-Dok in Köln
Aus den Gesprächen, Beobachtungen und Sammlungsstücken ist im Laufe der Jahre die Wanderausstellung entstanden, die noch bis Juni als Abschluss des Projekts in sämtlichen Räumen der Kölner NS-Erinnerungsstätte zu sehen ist. Die Größe der Exposition habe Seltenheitswert, sagt Henning Borggräfe. Rund 80 Jahre nach dem Kriegsende in Europa am 8. Mai 1945 komme ihr eine noch größere Bedeutung zu.
Schon vorher gastierte die Ausstellung in mehr als 60 Locations in Deutschland und der Schweiz, eine englische Fassung tourt zudem seit 2017 durch Südafrika. Für Mosambik wurde 2020 eine portugiesische Version erstellt.

Das Askari-Projekt von Amado Alfadni erinnert an sudanische Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Copyright: Janne Ahrenhold
Wie stark afrikanische Staaten in den Kampf gegen den Faschismus involviert waren, zeigt im künstlerischen Ausstellungsbereich etwa Amado Alfadni. Die Werke des Ägypters mit sudanesischen Wurzeln erinnern an Soldaten, die für deutsche und britische Kriegsherren ihre Dienste leisten mussten. Alte Fotos sudanesischer Kämpfer aus Kolonialarchiven kleidet er in Fantasieuniformen und hebt sie vor Pop-Art-ähnlichen, bunten Hintergründen hervor – für eine späte, eigentlich sogar verspätete Würdigung. Passend dazu der Titel der Ausstellung im Gewölbekeller: „Kunst gegen das Vergessen“.
Neben Führungen wird die Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ von zahlreichen Veranstaltungen begleitet, darunter Vorträge, Filme, Lesungen und Theatervorstellungen.
„Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“, NS-Dok, Appelhofplatz 23-25, 50667 Köln, Di.-Fr. 10-18 Uhr, Sa.-So. 11-18 Uhr, 8. März bis 1. Juni 2025. Eintritt: 4,50 Euro, ermäßigt 2 Euro, kostenfrei am 1. Donnerstag im Monat, Begleitprogramm unter www.3www2.de