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Kölner Intendant Stefan Bachmann„Theater ist das Gegenteil von Abstand halten“

Lesezeit 4 Minuten
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Kölns Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann

  1. Kölns städtische Bühnen haben am Montag ihre Spielzeit wegen Corona vorzeitig beendet.
  2. Stefan Bachmann fragt sich nun, wie er die Inszenierungen des Kölner Schauspiels Corona-kompatibel machen kann.
  3. Ein Gespräch über verrückte Zeiten, in denen sich Schauspieler nicht mehr auf der Bühne küssen dürfen.

KölnStefan Bachmann, am Montag hat die Stadt die laufende Spielzeit der Bühnen für beendet erklärt. Sind Sie jetzt erleichtert oder resigniert?

Weil wir als städtische Bühnen diese Entscheidung nicht alleine treffen können waren wir darauf angewiesen, dass die Stadt die Spielzeit für beendet erklärt. Das kam jetzt natürlich nicht überraschend, aber ich freue mich über die Klarheit und habe mich auch dafür stark gemacht. Wir haben durch die Entscheidung Planungssicherheit gewonnen. Für mich ist das eine schizophrene Situation: Ich führe eine Entscheidung herbei, die gegen alles geht, woran ich glaube. Als Theatermensch will man natürlich spielen, da ist die Absage einer Vorstellung grundsätzlich die letzte aller Möglichkeiten.

Neun Premieren, zwei Ballettabende von Richard Siegal mitinbegriffen, stehen in dieser Spielzeit noch aus. Werden die Produktionen jetzt einfach in die kommende Spielzeit geschoben?

Zur Person

Stefan Bachmann, 1966 in Zürich geboren, ist seit 2013 und noch bis 2023 Intendant des Schauspiel Köln. Wäre Corona nicht, hätte er am 4. April mit seiner Inszenierung der deutschen Erstaufführung von Elfriede Jelineks neuem Stück „Schwarzwasser“ Premiere gefeiert. (cbo)

Das ist nicht so einfach. Alles, womit wir schon begonnen haben, also die Produktionen, die vor dem Lockdown schon kurz vor der Premiere standen, haben für die nächste Spielzeit erst einmal Vorfahrt.

Welche Inszenierungen betrifft das?

„Schwarzwasser“ ist quasi fertig, „Der endlose Sommer“ und „Nora“ waren in den Endproben. „Die Jungfrau von Orleans“ hatte gerade angefangen zu proben, ebenso Richard Siegal mit seinem Ballet of Difference.

Bei „Schwarzwasser“, der deutschen Erstaufführung des neuen Elfriede-Jelinek-Stückes, haben Sie selbst Regie geführt. Wie Corona-kompatibel ist Ihre Inszenierung?

Die ist komplett überhaupt nicht Corona-kompatibel! Eigentlich muss ich noch einmal von vorne beginnen, mit einer neuen Textfassung und mit reduzierter Besetzung. Ich weiß noch nicht, ob ich das auf Biegen und Brechen in einer neuen Version zeige, oder auf die Zeit nach Corona schiebe.

Wie spielt man denn überhaupt Corona-kompatibel?

Das versuchen wir gerade herauszufinden. Es geht um beidseitigen Schutz, sowohl der Zuschauer als auch der Mitarbeiter der Bühnen. Flapsig formuliert könnten sie fragen: Wann werden sich Schauspieler wieder auf der Bühne küssen können? Aber tatsächlich gibt es noch jede Menge anderer Situationen auf der Bühne, jedes Mal, wenn Schauspieler sich näherkommen, oder sich anschreien.

Wie lösen andere Theater diese Probleme?

Ich habe am Dienstag eine Telefonkonferenz mit fast allen Intendanten der großen. Häuser in Deutschland. Da wird es unter anderem um diese Punkte gehen. Es sind ja nicht nur die Menschen, die sie auf der Bühne sehen, auch bei der Bühnentechnik wird ja oft Schulter an Schulter gearbeitet. Oder was ist mit den Maskenbildnern? Werden die die Schauspieler überhaupt noch schminken dürfen?

Wie wird es in der nächsten Spielzeit im Zuschauerraum aussehen? Wird nur noch die Hälfte der Plätze besetzt werden?

Die Hälfte wäre optimistisch. Selbst wenn sie die Leute mit ein paar Plätzen Abstand zueinander setzen, wie kann dann jemand aus der Mitte der Reihe auf die Toilette gehen? Wir werden auf jeden Fall die Sitze reduzieren, eventuell auch ganze Reihen herausnehmen.

Können Sie heute schon sagen, wann die nächste Spielzeit beginnen wird?

Das kann ich noch nicht sagen. Ich hoffe Anfang September, so wie ursprünglich geplant. Der Spielplan für 2020/21 stand schon im Februar fest, den müssen wir jetzt natürlich komplett überarbeiten.

Die übliche Frühjahrs-Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Spielplans wird also ausfallen?

Ja, die gibt es vielleicht erst nach den Ferien. Oder überhaupt nicht. Es wird sowieso alles anders sein. Vielleicht werden wir den Spielplan stückweise kommunizieren. Wir brauchen diesen Überraschungsmoment auch gar nicht. Es geht im Moment nicht darum, schneller oder origineller zu sein als andere Theater.

Wie sieht es mit den Stücken aus, die Sie im Repertoire zeigen?

Auch da wird es schwierig. Wir klopfen derzeit das Repertoire auf monologische Inszenierungen und Zwei-Personen-Stücke ab. Ich dachte auch zuerst, dass sich Luk Percevals Inszenierung von Eugene O’Neills „Eines langes Tages Reise in die Nacht“ gut für eine Corona-kompatible Aufführung eignen würde, weil dort die Schauspieler in einzelnen Boxen isoliert sind. Aber dann gibt es da doch viele Szenen, in denen sich die Akteure sehr nahe kommen.

Muss man am Ende vielleicht ernüchtert feststellen, dass Theater an sich nicht Corona-kompatibel ist?

Theater widerspricht einfach allem, was das Gebot der Stunde ist. Es ist das Gegenteil von Abstand halten, von Virtualität. Theater ist Versammlung, Austausch und Nähe. Mit Inszenierungen auf Videoplattformen oder ähnlichem habe ich meine Schwierigkeiten. Ich bin ja zum Theater gegangen, weil es live ist, sonst wäre ich Filmemacher geworden, oder Youtuber. Wir arbeiten jetzt an neuen Konzepten. Ich bin mir sicher, dass diese Situation neue Ansätze, neue Lösungen produzieren wird.