- Heute kommt es in Berlin erneut zur einer Demo der Kultur- und Veranstaltungsbranche.
- Im Bonner Haus der Geschichte erlangt Corona Museumsreife.
- Wir haben uns in Köln umgehört, wie die Auslastung im Theater-, Musik- und Kinobereich aussieht.
Köln – Die Corona-Pandemie ist zwar längst noch nicht vorüber, aber schon museumsreif. Das Bonner Haus der Geschichte hat sich bereits mehr als 400 Objekte in seinem Fundus gesichert. Für den Beginn der Krise in Deutschland stehen ein Bierkranz und Getränkebons von der Karnevalssitzung in Gangelt im Kreis Heinsberg. Vom ersten Geisterspiel der Fußball-Bundesliga am 11. März – Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln – zeugen der Original-Ball und ein Trikot. Und was steht noch symbolisch für Deutschland und die Pandemie, peinlicherweise? Ein Schild aus einem Supermarkt warnt vor Hamsterkäufen und mahnt Kunden, nur ein Paket Toilettenpapier zu kaufen. Letzteres fehlt übrigens im Haus der Geschichte, denn Klopapier gab es ja nicht mehr.
„Spätestens mit dem Lockdown im Frühjahr war klar, dass Corona die ganze Gesellschaft betrifft und somit ein großes zeitgeschichtliches Ereignis ist“, sagt Sammlungsdirektor Dietmar Preißler. Wie sehr dieses Ereignis aktuell unter den Nägeln brennt, zeigt eine neuerliche große Demonstration von Betroffenen in der Kultur und der Veranstaltungsbranche, die am heutigen Mittwoch in Berlin auf ihre Misere aufmerksam machen wollen. Wir haben zusammengetragen, wie sich die Situation für die Kulturinstitutionen in Köln darstellt.
Museen
Die Besucherzahlen der Kölner Museen schwanken generell mit der Attraktivität der Sonderausstellungen. Allein die bis Ende Februar gezeigte Rembrandt-Schau lockte 161276 Besucher ins Wallraf-Richartz-Museum, eine Zahl, die schon wegen der aktuellen Einlassbeschränkungen (es dürfen jeweils nur 150 Personen zeitgleich im Haus sein) nicht zu erreichen wäre. Die Zahlen für die Monate Juni (2600 Besucher), Juli (3400) August (3500) und September (3500) liegen hingegen nicht deutlich unter den „nachsaisonalen“ Zahlen des Jahres 2019; damals lag die Auslastung in den Sommermonaten zwischen 4100 und 5000 Besuchern.
Weniger Terminglück hatte das Museum Schnütgen mit seiner großen Meister-Arnt-Ausstellung. Zwar werden die 13000 Besucher vom Museum angesichts der Corona-Pandemie als Erfolg verbucht, doch dürfte das Haus mit deutlich größerem Zuspruch kalkuliert haben. Zum Vergleich: Bei der Heilige-Drei-Könige-Schau im Jahr 2014 kam etwa vier Mal so viel Publikum.
Mit sechsstelligen Besucherzahlen dürfte das Museum Ludwig bei der auf Mitte Dezember verschobenen Andy-Warhol-Ausstellung gerechnet haben; inwiefern dieses Ziel unter Corona-Bedingungen erreicht werden kann, ist ungewiss. „Wenn die Infektionszahlen steigen, sinken die Besucherzahlen“, lautet die Erfahrung des Ludwig aus den letzten Monaten. Seit der Wiedereröffnung nach dem Lockdown Anfang Mai hat man 46655 Besucher gezählt. Im selben Zeitraum des vergangenen Jahres waren es 109572.
Oper
Die 20 Vorstellungen der aktuellen „Zauberflöte“ im Staatenhaus sind, wie die Marketing-Abteilung des Hauses wissen lässt, bei einer Gesamtkapazität von 5250 Plätzen zu knapp 96 Prozent ausgelastet. Für den Vergleich mit der corona-freien Normalsituation Situation biete sich die „Carmen“-Produktion aus der Spielzeit 2019/20 an: Damals liefen 19 Veranstaltungen mit einer Gesamtkapazität von 16 135 Plätzen und einer Auslastung von gut 97 Prozent. Für die Spielzeit 2019/20 vom September bis zum Lockdown im März vermeldet die Oper eine Auslastung von 93 Prozent mit insgesamt 158 Veranstaltungen.
Schauspiel
Die Vorstellungen im Schauspiel Köln sind zurzeit zu einem großen Teil ausverkauft. Die Nachfrage, sagt Pressesprecherin Jana Lösch, sei insgesamt höher als das Angebot. Die bereits seit Beginn der Spielzeit deutlich eingeschränkten Platzkapazitäten mussten durch die aktuellen Regelungen für einige Veranstaltungen noch einmal verringert werden. „Konkret hat das zur Folge, dass wir bestehende Buchungen stornieren müssen.“
Philharmonie
Nach Auskunft von KölnMusik ist es weder möglich noch sinnvoll, genaue Angaben zur Publikumsentwicklung in Corona-Zeiten zu machen: „Da sind einfach zu viele Variablen drin, und die Vorgaben wie die erforderlichen Anpassungen ändern sich dauernd“, teilt Pressesprechering Silke Ufer auf Anfrage mit. Fakt ist, dass die Philharmonie derzeit von rund 2000 möglichen Sitzplätzen nur 250 pro Veranstaltung füllen darf. Bei einer immer mal wieder praktizierten Konzert-Doppelung verdoppelt sich tendenziell auch die Besucherzahl – tendenziell, weil selbst diese begrenzte Kapazität nicht durchweg ausgeschöpft wird. Erschwert wird eine bündige Aussage auch dadurch, dass aus- oder gar überbuchte Konzerte in beträchtlicher Zahl abgesagt werden.
Gürzenich-Orchester
Auch Stefan Englert, Geschäftsführender Direktor des Gürzenich-Orchesters, hält – wegen der problematischen Vergleichsmaßstäbe – valide Aussagen zur Publikumsentwicklung für „schwierig“. Immerhin macht er diese Rechnung auf: Ein Gürzenich-Abokonzert zu „normalen“ Zeiten (mit insgesamt drei Aufführungen) zieht maximal 6600 Zuhörer. Das aktuelle Gürzenich-Konzert fand sogar in sechsfacher Ausfertigung statt, wegen der Kapazitätsbeschränkung auf 250 Plätze kam man aber lediglich auf insgesamt 1500 Zuhörer.
Kinos
Die Zahlen für die Kölner Kinos entsprechen denen des Bundesdurchschnitts, und sie überraschen nicht. Verlässlich ist derzeit die Halbjahresbilanz der Filmförderungsanstalt (FFA), die zwar vom 18. September stammt, aber erschreckend genug ist, um zu prognostizieren, dass sie sich angesichts der derzeit steigenden Infektionszahlen noch einmal verschlechtert haben. Nach Angaben der FFA sind die Kinobesuche und damit der Umsatz der deutschen Kinos im ersten Halbjahr um über 50 Prozent eingebrochen.
Die Zahl der Kinos ist vorerst stabil – die Frage ist, wie lange noch. „Tenet“, der im Sommer nahezu als einziger Blockbuster startete, erreichte in Deutschland bis September knapp über eine Million Zuschauer; das im Vergleich zu normalen Zeiten dürftige Einspielergebnis in den USA von nicht einmal 30 Millionen Dollar hat vor allem dafür gesorgt, dass die Verleiher vor Schreck weitere Blockbuster wie „Wonder Woman 1984“ noch einmal verschieben.