Iveta Apkalna gastiert mit rein lettischer Orgelmusik in Köln. Das offenbar schlecht gewartete Instrument macht es ihr nicht leicht.
Kölner PhilharmonieOrgel fällt während Konzert plötzlich auseinander - Weltstar nimmt es gelassen
Die lettische Organistin Iveta Apkalna hat eine besondere Verbindung zur Kölner Philharmonie. Wie sie dem Publikum erzählte, hat sie hier auf der Bühne vor 19 Jahren ihren Lebenspartner kennengelernt und dann auf den Tag genau vor 18 Jahren am 13. Januar in der Domstadt geheiratet. Seitdem hat sich Apkalna in Köln durch regelmäßige Auftritte ein festes Publikum erspielt. Dieses hielt der Interpretin auch jetzt bei einem Programm die Treue, das anstelle bekannter Orgelmeister ausschließlich Werke lettischer Komponisten präsentierte, bis auf Pēteris Vasks hierzulande allesamt unbekannt.
Iveta Apkalna lernte in der Kölner Philharmonie ihren Lebenspartner kennen
Den Auftakt setzte die Künstlerin mit der „Fantasia“ des 1879 geborenen Alfrēds Kalniņš. Das effektvolle Bravourstück wechselt ohne verbindende Thematik gleichwohl etwas unmotiviert zwischen vollen Registern und lyrischen Passagen. Der 1951 geborene Aivars Kalējs lässt in „Via Dolorosa“ unablässig neue Harmonien mit schmerzvollen Vorhaltsdissonanzen ineinandergleiten. Der Passionszug steigert sich zu einem malstromartig zähen Sog, bis am Ende alles Leben aus der Orgel entweicht und tiefe Basspfeifen nur noch wummernde Luft statt Töne aushauchen. Gewidmet ist das Stück den Opfern der sowjetischen Okkupation Lettlands und den vielen Familien, die damals nach Sibirien deportiert wurden.
In „Cantus ad pacem“ unterbricht der 1946 geborene Vasks eine akkordische Passage plötzlich mit Trillern, Figuren und impulsiven Gesten der höchsten Pfeifen, die wie eine muntere Vogelschar tirilieren. Nach einem streng kanonischen Abschnitt darf die Königin der Instrumente dann ihre volle majestätische Kraft und Erhabenheit ausstrahlen. In „Weiße Landschaft“ zeichnet Vasks mit vielmals wiederholten Kreisfiguren und Liegetönen eine monochrom in Eis und Schnee erstarrte Winterszenerie. Die extreme Redundanz wirkte jedoch dünn und langatmig. Auch das impressionistische „Spiel der Wellen“ von Jāzeps Vītols, Jahrgang 1863, kam über maritim kräuselnde Oberflächeneffekte nicht hinaus.
Insgesamt gewann man den Eindruck, lettische Orgelmusik setze vor allem auf Klangmalerei, Atmosphäre, Minimalismus und spirituelle Emphase, weniger dagegen auf Struktur, thematische Prägnanz und originelle Form. Die Musik wurde indes auch durch den hörbar schlechten Zustand des Instruments getrübt. Bei der 1986 mit der Kölner Philharmonie eingeweihten Klais-Orgel blieben in mehreren Registraturen hohe Pfeifen als Dauertöne hängen, so dass es durch Pausen pfiff und leise Akkorde mit harmoniefremden Tönen bereichert wurden. Bei Vasks pathetisch aufgedonnertem „Hymnus“ von 2019 fiel der Organistin schließlich sogar die vordere Holzblende des Spieltischs auf die Füße - das Stück musste unterbrochen werden. Wie peinlich: Ein schlecht gewartetes Provinzinstrument für eine Weltklasse-Organistin.