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Interview mit Winfried BönigDieser Mann spielt die Orgeln im Kölner Dom

Lesezeit 5 Minuten
Bönig trägt ein weißes, gepunktetes Hemd und eine runde Brille. Seine Haare sind weiß und er hat einen Dreitagebart.

Der Kölner Domorganist Winfried Bönig.

Der Kölner Domorganist Winfried Bönig gibt im Rahmen des FELIX!-Festivals ein Orgelkonzert. Im Interview spricht er über die historische Aufführungspraxis, die Orgeln im Dom und seinen Weg nach Köln.

Herr Bönig, Ihr Nacht-Konzert an diesem Donnerstag im Kölner Dom ist für Sie und Ihr Publikum eine Premiere. Es ist die erste Veranstaltung dieser Art im Rahmen des Kölner FELIX!-Festivals. Wie kam’s?

Winfried Bönig: Es kam eine Anfrage, die mich zuerst erstaunt hat, weil ich das Festival mit der Philharmonie verbinde. Auf der anderen Seite liegt es nahe, so etwas zu machen – wir haben ja schon Konzerte gehabt, deren erster Teil im Dom stattfand und der zweite in der Philharmonie. Also, ich freue mich immer, wenn da die Verbindung gesucht wird.

Ich frage auch deswegen, weil man die Orgeln im Kölner Dom – allesamt „moderne“ Klais-Orgeln – nicht unbedingt mit einem Festival für Historische Aufführungspraxis in Verbindung bringt.

Bönig: Da muss man aber sofort fragen: Was ist denn überhaupt Historische Aufführungspraxis? Sicher kann man das streng sehen und sagen: Da erklingt die Musik nur auf dem Instrumentarium und mit den Spielweisen ihrer Entstehungszeit. Ich spiele aber zum Beispiel das Händel‘sche Orgelkonzert opus 7/4 in einer Fassung von Marcel Dupré. Die entstand just zu der Zeit, der im Wesentlichen auch die Orgeln des Kölner Doms entstammen. Und auf der Basis einer ähnlichen musikalischen Stilauffassung. Also: Auch eine romantische Aufführung barocker Musik ist Historische Aufführungspraxis.

Das sind die beiden Orgeln des Kölner Doms

Es gibt im Kölner Dom ja zwei Orgeln, die miteinander verbunden sind…

Bönig: Es gibt die Querhausorgel von 1948 und die Schwalbennestorgel von 1998. Die sind aber für mich ein Instrument, ich kann beide Orgeln gemeinsam benutzen – was dem großen Raum auch sehr angemessen ist.

Gibt es da auch Grenzen – bei der Repertoirewahl? Was etwa Chormusik anbelangt: Da eignet sich wegen des starken Nachhalls in der Kathedrale durchaus nicht alles – bei raschen Tempi verwischt die Polyphonie.

Bönig: Na ja, es gibt immer Möglichkeiten, den Klang der Orgel auf den Raum abzustimmen. Ich habe da auch schon auszugsweise „Die Kunst der Fuge“ im Dom gespielt. Das geht, wenn man die Klangfarben und Register entsprechend einsetzt. Es gibt im Dom auch keine „Wellen“ zwischen den Wänden, der Klang geht eigentlich ganz straight runter auf den Hörer.

So oder so kommt man als Organist in diesem Raum ja wahrscheinlich in einen einzigartigen Flow. Stellt sich da so etwas wie ein musikalisches Allmachtgefühl ein?

Bönig: Ich kann nicht leugnen, dass ich auch Organist geworden bin, weil mir schon als Kind gefallen hat, wie die Orgel einen großen Raum füllt – und ich das allein machen kann. Das ist einfach eine tolle Erfahrung.

Das wird Domorganist Bönig beim FELIX!-Festival spielen

Kommen wir zu Ihrem Programm. Elgars „Pomp and Circumstance“-Märsche in Ihrer eigenen Bearbeitung, das besagte Orgelkonzert aus Händels Londoner Zeit und zum Schluss die zweite Orgelsinfonie von Edwin H. Lemare – Sie haben da eine Agenda gewählt, die vermutlich zu Domorgeln und Akustik besonders gut passt.

Bönig: Genau. Das ist ein sehr sinfonisches Programm – was man bei Händel erst auf den zweiten Blick merkt, weil es sich eben um eine Bearbeitung handelt. Mit „Pomp and Circumstance“ wollte ich ein Zeichen im Sinn der dezidiert britischen Stückewahl setzen – das Trio des ersten Marsches ist ja „Land of Hope and Glory“, die inoffizielle Nationalhymne. Ich habe das gerade in Palermo als Schlussstück gespielt – da waren die Leute echt aus dem Häuschen.

Lemare hingegen kennt man wenig…

Bönig: Ja, außerhalb von Organistenkreisen kaum mehr, obwohl er, als britisch-amerikanischer Komponist und Organist, um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert international eine ganz große Nummer war. Der hat übrigens alles, was nicht bei drei auf dem Baum war, transkribiert, auch Wagner-Opern. Seine Orgelsinfonie ist ein spätromantisches Stück auf völlig tonaler Grundlage, das stark aufdreht, dann aber einen ganz leisen, verdämmernden Schluss hat. Sehr stimmungsvoll – und sehr gut und wirkungsvoll für die Orgel geschrieben.

Winfried Bönig ist seit 1998 Professor an der Kölner Musikhochschule

Beim Stichwort „spätromantische Orgelmusik“ denkt man üblicherweise an Frankreich und seine Cavaillé-Coll-Orgeln. Da setzen Sie einen bewussten Kontrapunkt.

Bönig: ja, die Domorgel ist ja auch keine französische Orgel, sondern Klais aus Bonn in verschiedenen Generationen. Sie repräsentiert so eine Art vermischten deutsch-englischen Stil.

Herr Bönig, Sie sind seit 1998 in Köln – damals zunächst als Professor an der Musikhochschule. Drei Jahre später wurden Sie Titularorganist am Kölner Dom. Wie fühlt sich ein süddeutscher Katholik im ebenfalls katholischen Köln?

Bönig: Also, an der Musikhochschule merkt man davon wenig, die ist ja ein internationales Gebilde. Und sonst? Ich war ja vorher in München, das eindeutig konservativer ist. Köln ist da viel offener, unglaublich lebendig. Der Umzug war nie ein Problem für mich. Und die Stelle im Dom ist für mich in jeder Hinsicht ideal. So viele Möglichkeiten, so viele Leute, für die man spielt und mit denen man zusammenarbeitet. Diese Kombination von Liturgie und Konzertleben – wenn man dafür etwas übrighat, ist so eine Position schon ein Traum.

Zur Person

Winfried Bönig, 1959 in Bamberg geboren, studierte Orgel bei Franz Lehrndorfer sowie Dirigieren an der Münchner Musikhochschule. Von 1984 bis 1998 war er Organist und Dirigent an der katholischen Stadtpfarrkirche in Memmingen. 1998 wurde er als Professor für künstlerisches Orgelspiel und Improvisation sowie Leiter des Studiengangs Katholische Kirchenmusik an die Kölner Musikhochschule berufen. Seit 2001 ist er Kölner Domorganist. Zahlreiche Konzertreisen ins In- und Ausland. Eng mit Bönigs Namen verbunden sind die jeweils zwölf sommerlichen Orgelfeierstunden im Dom, von denen drei von ihm selbst, die übrigen von renommierten Gastorganisten bestritten werden.

Zur Veranstaltung

Im Rahmen des Kölner FELIX!-Festivals für Historische Aufführungspraxis gibt Bönig am heutigen Donnerstag, 22 Uhr, ein Orgelkonzert im Kölner Dom mit Werken von Elgar, Händel und Lemare. Der Eintritt ist frei. (MaS)