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Kölner Theater-Mitarbeiter kritisieren„Viele Maßnahmen sind nicht plausibel“

Lesezeit 5 Minuten

Menetekel an der Wand? Szenenbild aus dem Stück „Geld, wir müssen reden!“ im Freien Werkstatt Theater Köln

  1. Die Corona-Pandemie hat die Kultur- und Veranstaltungsbranche sehr mitgenommen.
  2. Die Angst vor einer zweiten Schließungswelle geht um, auch in den Kölner Theatern, die bereits von der ersten Corona-Welle hart getroffen wurden.
  3. Wir haben René Michaelsen vom Theater im Bauturm und Marco Berger von der Orangerie um eine Einschätzung der aktuellen Situation und der Zukunftsperspektiven gebeten.

Was bedeutet die neue Regelung für ihr Haus?René Michaelsen: Für ein kleines Theater wie das unsrige ist es entscheidend, ob wir ein Drittel der Plätze in den Verkauf geben können – wie seit Spielzeitbeginn – oder lediglich 20 Prozent. So werden die Möglichkeiten zur Generierung von Einnahmen noch geringer, so dass die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs zusehends diffiziler wird.

Marco Berger: Zuerst einmal heißt das mehr Einschränkungen. Wir laufen dabei Gefahr, dass wir Leute zurückschicken müssen, die schon Karten für Vorstellungen erworben hatten. Da ist nun viel Organisationsarbeit vonnöten. Wir empfangen die Gäste jetzt schon vor der Vorstellung nur noch draußen. Vielleicht verlegen wir auch im Winter Aufführungen ganz nach draußen, soweit das möglich ist.

Finden sie die Maßnahmen gerechtfertigt?

Michaelsen: Wir sind keine Virologen und können zur Beurteilung der Maßnahmen daher lediglich unser Augenmaß heranziehen. Aus dieser Perspektive aber scheint uns die neuerliche Verschärfung der Maßnahmen nicht plausibel, schließlich haben wir, ebenso wie viele andere Theater in Köln, in den vergangenen Wochen durch die Umsetzung eines akribisch ausgearbeiteten Hygienekonzepts dazu beigetragen, den Theaterraum so sicher wie möglich zu machen. Warum diese Maßnahmen nun offenbar unzulänglich scheinen und verschärft werden müssen, ist für uns nicht einsichtig – insbesondere angesichts des Umstands, dass bisher noch keine Infektion innerhalb eines Theaterraums dokumentiert ist.

Berger: Ich bin kein Virologe und muss die Regeln zuerst einmal akzeptieren. Ich möchte mich dabei auch nicht mit anderen Orten messen. Auch wenn man beobachtet, dass in der Stadt an vielen Stellen die Leute wesentlich unachtsamer die Regeln befolgen als in den Kultureinrichtungen, wo sehr streng darauf geachtet wird und auch die soziale Kontrolle sehr gut funktioniert.

Gibt es schon Reaktion von Zuschauern?

Michaelsen: Die Solidarität bleibt groß, ebenso wie ihr Interesse an unserer Situation. Umso schmerzhafter ist es, nun wegen der neuerlichen Beschränkungen Zuschauerinnen und Zuschauern absagen zu müssen, die bereits Karten erworben und sich auf einen Theaterabend gefreut haben.

Gemeinsame Erklärung zu neuen Maßnahmen

Die IFT Köln – plattform kölner theater und die Kölner Theaterkonferenz haben unter dem Motto „Bitte in der Corona-Pandemie das Augenmaß nicht verlieren!“ eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Hier einige Auszüge:

Die Theater haben die „Öffnung mit eigenen Hygienekonzepten umgesetzt und stets mit größter Verantwortung darauf geachtet, die Gesundheit und die Sicherheit ihres Publikums in keiner Weise zu gefährden. Bis heute ist kein einziger Fall bekannt, dass von einer Kultureinrichtung eine Corona-Infektion ausging.“

Wir waren sehr erschrocken, „am vergangenen Freitag im Amtsblatt der Stadt Köln zu lesen, dass wir nur noch ein Drittel unseres normalen Platzangebots zur Verfügung stellen dürfen und das – trotz des Tragens einer Maske auch während der Aufführungen – der Abstand von 1,5 m einzuhalten sei. Eine offizielle Information hierüber haben wir übrigens bis heute nicht erhalten. Schon allein diese Einschränkung bringt vieler Kolleg*innen erneut an der Rand ihrer Existenz, insbesondere die Träger der freien und privaten Theater.“

Kaum war der erste Schock überwunden, „weist jetzt das Land die Kommunen an, die ohnehin schon willkürliche Begrenzung auf ein Drittel der Normalauslastung weiter zu reduzieren „auf 20 Prozent der normalen Kapazität des Veranstaltungsortes“ (Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 12. Oktober 2020). Wir finden diesen Überbietungswettbewerb zwischen Stadt und Land unerträglich und ohne jedes Augenmaß. Gerade die Theater tragen in der jetzigen Situation maßgeblich dazu bei, das gesellschaftliche Miteinander aufrecht zu erhalten, setzen wichtige Impulse für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den sozialen Folgen der Corona-Pandemie und tragen verantwortungsvoll dazu bei, dass unser Publikum die bisherigen Einschränkungen akzeptiert.“

Berger: Die Zuschauer reagieren generell sehr sensibel. So wurden wir im Sommer bei Veranstaltungen gefragt, warum Leute in Gruppen zusammen sitzen durften. Jetzt mit den neuen Regeln wird es so sein, dass nur noch Einzelsitze möglich sind, selbst wenn die Zuschauer aus einem Haushalt kommen. Letztendlich müssen sich die Zuschauer sicher fühlen, sonst kommen sie nicht mehr.

Gibt es zusätzliche Hilfe vom Land/Stadt/Bund?

Michaelsen: Weiterhin existiert der Notfallfonds zur Struktursicherung von freien Kulturinstitutionen der Stadt Köln, an den bis zum 31. Oktober Anträge gestellt werden können. Von einer zusätzlichen Unterstützung, die auch die Verschärfung der Verordnung in Betracht zieht, ist uns bisher nichts bekannt.

Berger: Wir konnten bis jetzt als Theater die Hilfsmaßnahmen im vollen Umfang in Anspruch nehmen. Bei Einzelkünstlern und freien Gruppen sieht das allerdings von Fall zu Fall anders aus. Deren Situation ist sicherlich prekärer. Für unser Haus habe ich berechtigte Hoffnung, dass die Hilfen im ersten Halbjahr 2021 fortgeführt werden.

Wie sind sie mit der Kommunikation der Regeln zufrieden?

Michaelsen: Die Kommunikation beurteilen wir als weitgehend suboptimal. Entscheidungen werden nicht in Absprache mit Vertretern der Freien Szene getroffen, sondern ex cathedra verkündet. Die Erfahrungen, die wir in den vergangenen Wochen mit der Umrüstung auf ein corona-kompatibles Theater gewonnen haben, scheinen an höherer Stelle kaum zu interessieren. Hinzu kommt ein äußerst verworrenes Bekanntgabemanagement der offiziellen Organe, die wichtige Informationen oft erst auf Nachfrage aus der Szene übermitteln oder konkretisieren.

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Berger: Wir bekommen unsere Infos vom Gesundheitsamt. Natürlich ist es ein Problem, dass sie teilweise sehr knapp eintreffen. Da bleibt die Frage, wie man das ändern soll. Die Entscheidungen werden vom Amt ja immer in Hinsicht auf die jeweilige neue Situation getroffen.