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„Immer wieder Aufbruch!“Kölner Museum Kolumba wird für einen Tag ukrainisch

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau mit entblößtem Rücken liegt auf einer spiegelnden Oberfläche.

Die ukrainische Tänzerin Daria Koval stellt ihre Kriegserfahrungen auf der Bühne von Kolumba dar.

Am 23. August feiert Kolumba ein ukrainisches Widerstandsfest gegen die russische Propaganda. Der Eintritt ist frei, das Museum wird zum politischen Gesamtkunstwerk.

Am Anfang des Kriegs, sagt André Erlen, hätten sich viele ukrainische Künstler an der Waffe ausbilden lassen, um gegen die russische Invasion zu kämpfen. Bald hätten sie aber gemerkt, dass es auch eine andere Frontlinie zu verteidigen gibt und sie für diesen Kampf, den um die von Putin erst in Abrede gestellte und dann mit Bomben beschossene ukrainische Kultur, deutlich besser gerüstet sind.

Es geht darum, der Kultur der Ukraine ein Gesicht zu geben

André Erlen gehört zum kleinen Team, das in Köln ein eintägiges Kulturfestival organisiert: Am 23. August soll aus Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums, ein „ukrainisches Kolumba“ werden, bei freiem Eintritt und mit Theaterstücken, Konzerten, Lesungen, Performances, Filmen und Bildern vor allem, aber nicht ausschließlich ukrainischer Künstler. Es gehe darum, der Kultur des Landes ein Gesicht zu geben, sagt Frank Bender vom Kölner Verein Blau-Gelbes-Kreuz, und der russischen Propaganda, nach der es keine eigenständige Kultur in der Ukraine gebe, den Boden zu entziehen.

„Immer wieder Aufbruch!“, so der Titel des Festivals, ist nicht der erste Versuch, dem Kölner und rheinischen Publikum die bedrohte Kultur der Ukraine nahezubringen. Im Winter des vergangenen Jahres gastierte die Kiewer Ausstellung „Worth Fighting For“, eine prominente Auswahl zeitgenössischer Kunst, in Köln, in diesem Sommer stellte das Museum Ludwig die „Ukrainische Moderne“ der Jahre 1900 bis 1930 aus. Im Vergleich zu diesen Projekten hat das „ukrainische Kolumba“ beinahe einen offiziellen Anstrich. Außer dem Blau-Gelben Kreuz, ein privater, 2017 gegründeter Verein, beteiligt sich auch das ukrainische Generalkonsulat in Düsseldorf am Festival, das zudem am Vortag des Unabhängigkeitstages der Ukraine stattfindet. Die Museumstüren werden erst um Mitternacht geschlossen – man gehe, so die Ankündigung, mit einem besonderen Ereignis in den Feiertag hinein.

Die Kultur bleibt wichtig für den Widerstand
Iryna Shum, Generalkonsulin der Ukraine in Nordrhein-Westfalen

Möglich wird das Festival am prominenten Ort durch die Umbauphase von Kolumba. Zwischen den Jahresausstellungen des Kunstmuseums steht das Haus für wenige Tage leer – für Kolumba-Direktor Stefan Kraus mehr als eine glückliche Fügung. Der russische Einmarsch in die Ukraine sei von Anfang an darauf ausgelegt gewesen, „auch zivile Ziele anzugreifen und die Kultur des Landes zu zerstören“. Er wisse, so Kraus, wie schnell Kulturorte vernichtet seien und wie lange es dauere, sie wieder aufzubauen. Sein auf den Ruinen einer im Krieg zerstörten Kirche errichtetes Museum sei selbst ein Beispiel dafür, wobei die damalige Bombardierung eine Antwort auf den deutschen Aggressor gewesen sei. Das unterscheide das zerstörte St. Kolumba von den Verwüstungen in der Ukraine. Und doch fühle er sich als Hausherr von Kolumba mit betroffen.

Für lediglich zwölf Stunden ein großes Haus wie Kolumba zu bespielen, ist ein Luxus, aber vor allem ein Kraftakt. „Wir bieten das Programm einer ganzen Festivalwoche an einem Tag“, so André Erlen, künstlerischer Leiter des Kölner Theaterkollektivs Futur3. Zudem versucht das Festival, über Gattungs- und Genregrenzen hinweg die Vielfalt der nationalen Künste abzubilden. Auf den drei Stockwerken von Kolumba wird eine nicht nur in diesem Haus einzigartige Mischung zu erleben sein. So zeigt die Tänzerin Daria Koval ein Solostück über ihre Kriegserfahrungen, die Medienkünstlerin Olga Chekotovska zieht Verbindungen zwischen brennenden Weizenfeldern und dem massenhaften Hungertod in der stalinistisch regierten Ukraine, Olesya Yaremchuk liest aus ihrem Buch „Unsere Andere“ über ihre Heimat als Vielvölkerstaat und das Designbüro Balbek zeigt architektonische Formen, die durch die Zerstörung der dörflichen Kultur verloren zu gehen drohen.

Eine Besonderheit der ukrainischen Kultur, sagt Erlen, sei das bis heute lebendige Wechselspiel zwischen Avantgarde und Tradition. Während die westliche Moderne eher verächtlich auf die volkstümliche Kultur blicke, gebe es in der Ukraine unter zeitgenössischen Künstlern weiterhin eine starke Bindung zur überlieferten ländlichen Kultur. Für Frank Bender ist das Festival zudem eine gute Gelegenheit, historische Wissenslücken über die Ukraine zu füllen. Allzu lange habe man die Ukraine, als ehemalige Sowjetrepublik, der russischen Geschichte und Kultur zugeschlagen. Dabei habe Deutschland nicht nur eine historische Verantwortung gegenüber Russland, sondern auch gegenüber der Ukraine – dort sei Hitlers Vernichtungskrieg nicht weniger mörderisch gewesen.

Wie schon „Worth Fighting For“ dürfte „Immer wieder Aufbruch!“ kein Freudenfest werden – wie könnte es angesichts des Krieges auch anders sein? Aber eine hoffnungsvolle Feier der Kultur darf man durchaus erwarten. „Die Kultur bleibt wichtig für den Widerstand“, sagt Iryna Shum, Generalkonsulin der Ukraine in Nordrhein-Westfalen. Und, ergänzt Stefan Kraus, auch für die Heilung, wenn der Krieg endlich vorüber ist.


„Immer wieder Aufbruch! – ein ukrainisches Kolumba“, Kolumba, Kolumbastr. 4, Köln, 23. August, 12-24 Uhr. Eintritt frei.