In der neuen Kolumne „Prominent verteidigt“ bewerten wir die Stars und Sternchen dieser Welt – beziehungsweise die mit ihnen einhergehenden Streits und Diskussionen.
In dieser Folge ist die gute Meghan Markle an der Reihe. Und die hat es, kurz gesagt: nicht eben leicht.
Sie ist gefangen zwischen ihrer alten Rolle im US-Fernsehen und der noch älteren englischen Monarchie.
Kleine Betrachtung über eine Frau in der Klatschvorhölle.
Manche Menschen haben Angst vor großen Spinnen, meine Phobie gilt dem Smalltalk. Nie fallen mir die geeigneten Themen ein, weshalb ich oft einfach sage, was mir gerade durch den Kopf rauscht. Keine gute Idee, bitte nicht zu Hause nachmachen.
Diese kleine Sozialpanik hat unter anderem dazu geführt, dass ich seit Jahrzehnten nicht mehr zum Frisör gegangen bin. Lieber die Haare selbst schneiden, als in einem Stuhl mit der Frage festzusitzen, was zum Teufel man jetzt sagen könnte oder sollte. Die Salon-Abstinenz hat nicht nur zu fragwürdigen Schnitten, sondern auch dazu geführt, dass ich in den Angelegenheiten der gekrönten Häupter chronisch unterinformiert bin. Noch ein gutes Smalltalk-Thema, das mir da entgeht.
Immerhin habe ich „The Crown“ geguckt und Hilary Mantels Cromwell-Trilogie gelesen. Würfen die Intrigen und Machtspiele am Hofe Heinrich VIII. kein erhellendes Licht auf diejenigen der heutigen Monarchie, hätte ihnen Frau Mantel wohl kaum Tausende Seiten gewidmet.
Zum Beispiel Meghan Markle oder korrekt: Meghan, Duchess of Sussex. Die machtbewusste Außenseiterin, die durch eine Liebesheirat in die unmittelbare Nähe des Throns vorstößt, die royalen Verhältnisse eine Zeit lang zum Tanzen bringt, bis endlich das Establishment unbarmherzig zurückschlägt. Mich erinnert Meghan an Anne Boleyn, zumindest so, wie die zweite von Heinrichs sechs Ehefrauen bei Hilary Mantel dargestellt wird. Eine Frau mit klaren Zielen und trickreichen Mitteln, diese zu erreichen. Aber auch eine Frau mit ebenso klaren Wertvorstellungen. Wenn sie sich nur nicht auf den Nebenkriegsschauplatz der Palast- und Zeremoniengestaltung verlegt und es zudem besser verstanden hätte, sich die Sympathien des Volkes zu sichern.
Wussten Sie, dass Meghan und Harry just an dem Tag geheiratet haben, einem 19. Mai, an dem Anne Boleyn unters Messer kam? Und dass Prinz Harrys richtiger Name Henry, also Heinrich, lautet?
Gut, heutzutage muss kein Kopf mehr rollen, die in Ungnade Gefallene desertiert einfach nach Hollywood. Der Megxit. Das nennt man Fortschritt. Der bringt nun allerdings das Problem mit sich, dass ein Kopf, der noch fest am Hals befestigt ist, einfach weiterreden kann. Zum Beispiel in einem Enthüllungsbesuch mit dem unangebracht schwülstigem Titel „Finding Freedom“ (als wäre sie mit Martin Luther King von Selma nach Montgomery marschiert, oder hätte den Osten vom Kommunismus befreit).
Oder vor der Kamera, für Michelle Obamas „When We All Vote“-Kampagne. Hier forderte Meghan Markle zusammen mit anderen Prominenten ihre Landsleute dazu auf, bei der kommenden US-Wahl ihre Stimme abzugeben. Zugegeben, das klingt nicht besonders kontrovers. Aber fragen Sie mal Piers Morgan, den britischen Boulevardjournalisten und vormaligen Gewinner der Promi-Ausgabe von Donald Trumps Show „The Apprentice“. Dieser Tage verdingt sich Morgan hauptberuflich als Kotzbrocken im Frühstücksfernsehen. Angesichts von Meghans Wahlwerbung verlangte er, den Sussexes umgehend ihre Adelstitel abzuerkennen. „Sie können nicht Royals bleiben und auf eine solch schamlos parteiische Weise über ausländische Wahlen faseln.“
Nun ist Meghan erstens immer noch Bürgerin der Vereinigten Staaten, zweitens hat sie gar keine Wahlempfehlung abgegeben, dafür aber zusammen mit Harry den Titel „Königliche Hoheit“. Und drittens, hätte Morgan wirklich Respekt vor dem britischen Königshaus, würde er wohl kaum öffentlich fordern, was allein die Queen zu entscheiden hat.
Die gute Meghan hat es nicht einfach. Sie hängt in der Klatschvorhölle zwischen ihrer alten Rolle im US-Fernsehen und der noch älteren englischen Monarchie. Aber wenn sich die Macher von „The Crown“ beeilen, könnte sie in der fünften Staffel der Serie glatt sich selber spielen. Sollte das passieren, ginge ich glatt wieder zum Frisör. Ein Thema hätte ich dann ja schon.