Volker Beck kritisiert ein Kunstwerk als „BDS-Propaganda“ und schießt damit teilweise übers Ziel hinaus. Problematisch ist das Werk trotzdem.
Kommentar zur BundeskunsthalleAbhängen ist auch keine Lösung
Wo hört bei der Kritik an der israelischen Palästina-Politik die Kunstfreiheit auf? Wo schlägt kritische Kunst in Propaganda oder Antisemitismus um? Und wie reagiert man dann darauf? Diese Fragen dürften uns in Zukunft noch oft beschäftigen, denn zum einen berühren sie eine deutsche Staatsräson, und sie stellen sich mittlerweile auch an Orten, an denen man sie nicht vermuten würde. Bei einer Ausstellung zum Einwanderungsland Deutschland denkt man jedenfalls nicht als Erstes an angebliche Foltergefängnisse in Israel.
Was hat das alles mit der Ausstellung zu tun?
Offenbar haben die Kuratoren der Bonner Bundeskunsthalle das „ABC des europäischen Rassismus“ in die Schau aufgenommen, um zu zeigen, wie offener oder latenter Rassismus in unseren Schulen die Chancengleichheit aushebelt und die Integration hintertreibt. Dafür hätte es möglicherweise passendere Beispiele gegeben als ein Werk, in dem Israel eher nebenbei unter die „rassistischen Regimes“ eingereiht wird. Für die Künstlerin Daniela Ortiz mag es auf der Hand liegen, dass Israel, wie in der postkolonialen Debatte häufiger zu lesen ist, eine späte europäische Kolonie auf afrikanischem Boden ist und der Staat, der als Zuflucht vor dem europäischen (eigentlich: deutschen) Rassismus gegründet wurde, diesen Rassismus nun selbst als Staatsräson fortführt. Bei Ortiz geht manches durcheinander. Aber vor allem fragt man sich: Was hat das alles mit dem deutschen Schulsystem zu tun?
Volker Beck hat recht, wenn er meint, dass über solche „israelkritischen“ Werke diskutiert werden muss, unabhängig davon, ob das Museum vom Bund, einer Kommune oder sonst wem finanziert wird. Ob auch eine einordnende Warnschrift in der Ausstellung dazu gehört, ist wiederum eine andere Frage. Und was sollte darauf stehen? Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern füllt Bibliotheken und lässt sich kaum auf einfache Formeln bringen. Versuchen muss man es trotzdem, zumal wenn eine Künstlerin wie Ortiz offenbar falsche Behauptungen wie über privatwirtschaftlich geführte Foltergefängnisse in Israel aufstellt.
Abhängen wäre die einfachste, aber nicht die beste Lösung – es geht in Bonn nicht um einen möglichen Fall von Volksverhetzung, sondern um die Graubereiche der Meinungs- und Kunstfreiheit. Das sieht auch Volker Beck so, der freilich an anderer Stelle übers Ziel hinausschießt. Ist es wirklich, wie Beck meint, schon Verbreitung von BDS-Propaganda, wenn man einige seiner Positionen teilt? Daran zumindest sind Zweifel angebracht.