Der lateinamerikanische Rapper und Sänger hat den Reggaetón zur tonangebenden Popmusik der Welt gemacht. Jetzt gab J Balvin ein Konzert in Köln.
Konzert in der Lanxess-ArenaJ Balvin, Superstar aus Kolumbien, schaut per Ufo in Köln vorbei
Ein Ufo ist gelandet. Quaderförmig steht es senkrecht auf der Bühne der Kölner Arena, aufgeregt angekündigt von spanischsprachigen Nachrichtensprechern. Dazu heult ein Theremin, wie in B-Filmen der 50er Jahre. Der Quader öffnet sich, jetzt dient das untere Drittel als Podest. Auf dem erwartet uns kein Außerirdischer, sondern Reggaetón-Star J Balvin, der ganze Stolz Kolumbiens. Schon hebt er zu „Mi Gente“ an, der unwiderstehlichen Tanznummer, die ihm 2017 den internationalen Durchbruch brachte.
Reggaetón ist ein Hybrid aus jamaikanischen Dancehall-Rhythmen, lateinamerikanischer und karibischer Musik und US-amerikanischen Hip-Hop. Im Fall von J Balvin kommt noch ein Schuss Techno und Eurodance dazu: seine erste Zugabe „Ritmo (Bad Boys for Life)“ zitiert doch tatsächlich „The Rhythm of the Night“, den 93er-Hit des italienischen Produzenten-Projekts Corona.
Mit „Mi Gente“ führte J Balvin in 50 Ländern die Spotify-Charts an
Vor sieben Jahren, als „Mi Gente“ und „Despacito“ jede Tanzfläche füllten, war spanischsprachiger Pop noch lange nicht so selbstverständlich wie heute, auch wenn Kolumbien mit Shakira bereits einen Weltstar hervorgebracht hatte. J Balvins – das J steht für José – Weigerung, englische Versionen seiner Hits aufzunehmen, erschien vor allem als „bad business“. Doch der Mann aus Medellín sollte Recht behalten, „Mi Gente“ führte bald in 50 Ländern die Spotify-Charts an.
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Der sanft insistierende Rhythmus, Balvins einschmeichelnder Singsang-Flow – die hochtourige Aggressivität seines Reggaetón-Vorbilds Daddy Yankee hatte er völlig abgelegt – waren Einladung genug, dass Beyoncé dem Track mit einem Remix das endgültige Gütesiegel verlieh, half selbstverständlich auch. Die Menschen kamen zu ihm, auch ohne des spanischen mächtig zu sein, sie waren alle „su gente“, seine Leute. Sein nächstes Album nannte er „Vibras“, die Vibes mussten stimmen, lyrische Feinheiten waren nicht weiter wichtig.
Was gibt es auch schon zu verstehen? „Meine einzige Mission heute Abend ist Spaß zu haben“, tönt J Balvin vom Quader herab, „let’s fucking party.“ Das muss man der tanzbereiten Menge in der Lanxess-Arena nicht zweimal sagen, sie war schon in Bewegung, bevor das Konzert losging, begrüßte jeden Daddy-Yankee- oder Don-Omar-Track vom Band mit Jubelrufen. Der Unterrang wackelt wie beim Eishockey-Powerplay.
Die Tracks wechseln sich in Windeseile ab – „Dientes“, „Con Altura“, sein Duett mit Rosalía, Blanco, Ginza, Rojo (mit Gospel-Outro) – Hits allesamt, mit verführerischen, nie überwältigenden Rhythmus-Tracks, unterbrochen allein von ekstatischen Signalhorn-Stößen. Die Alien- und Weltraum-Optik ist von DJ-Boboesker Schlichtheit – später greift noch ein Außerirdischer mit aufgeblasenen Armen nach seinen Leuten. Vergangenen Monat konnte er auf dem Coachella-Festival Will Smith als Gast begrüßen, der aus Hollywood verstoßene Star hatte sich noch einmal in sein Men-in-Black-Outfit gezwängt und stimmte den Titeltrack seines alten Filmerfolgs an. Da machte das Bühnendesign kurz mal Sinn.
In Köln lässt J Balvin sich nur von sechs Tänzerinnen und Tänzern begleiten, kaum, dass er mal in deren Schritte einfällt. Die meiste Zeit spaziert er recht gemächlich von einem zum anderen Bühnenende, er ist ja auch schon 39. Aber er erntet spitze Schreie, als er endlich die Glitzerjacke abwirft und seinen tätowierten Oberkörper freilegt: „Familia“ steht in geschwungenen Lettern über seinem Brustkorb zu lesen. Im Hintergrund wuseln ein Hype-Man und sein DJ, das ist schon die ganze Show, live ist allein der Sprechgesang. Das alles korrespondiert jedoch bestens mit der minimalistischen Vorgehensweise des Stars, der den Reggaetón vom Ballast der Straße befreit hat und internationalisiert hat.
Zwei kölsche Mädchen dürfen kurz mit ihm auf der Bühne eng tanzen (dazu mussten sie sich allerdings vorher am Merch-Stand eindecken, J Balvin versteht sein Geschäft), als sie wieder in den Innenraum begleitet werden sollen, ruft eine der Frauen dem Sänger „Danke“ zu. Er versteht nicht sofort, aber als er versteht, kann er gar nicht aufhören „Danke“ zu sagen: „Das ist das Wort, dass mir die ganze Zeit nicht eingefallen ist!“
Zwischendrin nimmt sich J Balvin kurz Zeit, die vielen Flaggen, die im Innenraum wehen, zu identifizieren. Von Argentinien bis Mexiko, das ganze spanischsprachige Amerika ist an diesem Abend in Köln vertreten. Er hat schon noch eine andere Botschaft, außer dem völkerverbindenden Spaß. Der Mann aus dem quaderförmigen Ufo ist kein Außerirdischer, er weiß genau, woher er kommt: „Mein Name ist José und ich bin stolz Latino zu sein!“