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Krefelder Ausstellung zur LichtkunstSo spektakulär können Klassiker sein

Lesezeit 4 Minuten

Krefeld – Schon 1961 bot eine Ausstellung in Haus Lange in Krefeld die Gelegenheit, mit Yves Kleins Raum „Le Vide“ (Die Leere) eine radikale Grenzüberschreitung am eigenen Leibe zu erfahren. Der kleine, völlig weiß getünchte Raum im ehemaligen Wohnhaus blieb auf radikale Weise leer, alle räumlichen Gewissheiten und stabilen Bezüge lösten sich auf, man war mit sich selbst und seinem Erleben allein.

Einer der Besucher damals war der Krefelder Künstler Adolf Luther (1912-1990). Dieser hatte einige Jahre zuvor, 1957, seinen Beruf als Richter aufgegeben, um sich gänzlich der Kunst zuzuwenden. Er begann zu malen bis ihm klar wurde, dass er eigentlich etwas völlig Neues suchte, etwas Umfassenderes, Immaterielles. Mit einer „Flaschenzerschlagung“ verabschiedete er sich 1961 lautstark und bildmächtig von der traditionellen Kunstproduktion und dem gemalten Bild. Seither gehörte Adolf Luther zur Avantgarde.

Ein Haufen glitzernder Scherben nach Adolf Luther

In der Ausstellung „Adolf Luther / Julio Le Parc: Interaktive Erfahrungsräume“ im Krefelder Haus Esters liegen nun die Scherben als spiegelnd glitzernder Haufen am Boden. Vor dem großen Fenster daneben stehen weitere kleinere Arbeiten aus jener Zeit. Bemerkenswert ist immer wieder der Reichtum an Lichtsensationen der bescheidenen Glasbruch-Stücke mit ihren scharfen Kanten, seien sie in ihren Rahmen ordentlich hintereinander gestaffelt oder ungeordnet zusammengeschoben.

Ganz klar, in den Arbeiten des Autodidakten Luther ist das Licht einer der wichtigen Akteure, Glas und Spiegel sind seine bevorzugten Materialien, doch auch die Betrachterin ist immer Teil des gesamten Konzepts. Laserstrahlen und künstlicher Rauch (ursprünglich sollte es der Qualm von Zigaretten sein) tragen im abgedunkelten Raum zu einer gewissen Dramatik bei, wie jetzt in Krefeld ebenfalls zu erleben ist. Doch die am wenigsten lauten Arbeiten, die transparenten Glasstelen, Linsen- und Hohlspiegelobjekte, kommen ohne zusätzlichen Zauber aus, sie entfalten ihren eigenen: in den feinen Nuancen und Spiegelungen, Verschiebungen, Reflexionen, Brechungen, flüchtigen Momenten, die sich im Vorübergehen gleich wieder auflösen, verwandeln, auseinanderfallen.

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Das den meisten Arbeiten zugrundeliegende Ordnungsprinzip ist die Rasterstruktur, die die unlenkbaren Lichtphänomene tendenziell ins Unendliche verlängert. So wie etwa die Reflexionen, Verschiebungen und Spiegel-Phänomene entlang der großen gewundenen Linsenmauer aus Plexiglasmodulen. Die sich ständig verändernden Seh- und Raumerfahrung sind vergleichbar den visuellen Erlebnissen bei der eigenen Bewegung im Stadtraum.

Lange galt er als einer der wichtigsten deutschen Nachkriegskünstler, und eigentlich ist es unverständlich, dass er nicht ebenso berühmt blieb wie die Zero-Künstler Mack, Piene, Uecker, die sich ja um ganz ähnliche Phänomene bemühten und dieselben Materialien verwendeten. Auch Luther hatte das Serielle zum Prinzip seiner Kunst erklärt und formulierte mit dem programmatischen Verzicht auf Komposition und Hierarchie eine in weitestem Sinne politische Haltung.

Man wollte sich schließlich deutlich erkennbar von der schweren deutschen Vergangenheit absetzen. Aber er war älter, war Autodidakt und hatte früh schon Erfolg auch mit offiziellen Aufträgen. In Krefeld bietet sich jetzt die gute Gelegenheit, Adolf Luther und seine bahnbrechende Kunst wiederzuentdecken.

Julio Le Parc ist in Lateinamerika längst ein Klassiker

Die andere Hälfte des Dialoges zwischen den beiden Krefelder Mies van der Rohe-Bauten bestreitet in Haus Lange der argentinische Künstler Julio Le Parc (*1928). Mit seinen kinetischen Objekten und raumgreifenden Lichtinstallationen ist der Künstler (auch wenn er lange schon in Paris lebt) Teil der klassischen Moderne Lateinamerikas, die die Utopien einer konstruktiven abstrakten Kunst teilte. Deren universelle, allgemeinverständliche Bildsprache sollte Modell einer demokratischen, gerechten und friedlichen Gesellschaft sein. Die Städte und ihre baulichen Strukturen, die geometrisch durchformte Lebenswelt und ihre Abweichungen fanden Widerhall in den Farben und Formen der Bilder, Installationen und Objekte. Stadtbild und Abstraktion gehören in der Moderne zusammen.

Le Parcs Objekte in Haus Lange sind deutlich bunter und verspielter als die ernsteren Arbeiten Luthers im Nachbarhaus. Doch deutlich wird auch hier, anhand der kinetischen Objekte, die alle zum mitspielen einladen, wie wichtig auch Le Parc der Wunsch ist, den Betrachter aktiv einzubinden in die Ausführung und Komplettierung seiner Kunst.

Seine Arbeiten erinnern schließlich auch daran, dass die Moderne, die in Lateinamerika stattfand, sich um ähnliche Problemstellungen bemühte wie die Moderne anderswo. Die Linie und die Fläche als konstruktive Elemente, Farb- und Formkontraste, Balance, Bewegung, Licht und Schatten sind einige der Themen, die das Großstadtleben aufwarf. Gitter und sphärische Konstruktionen, stürzende Linien, netzartige Strukturen, flirrende optische Effekte, Farb- oder Farbflächenstudien entstanden als Teil der großen Erzählung der urbanen Moderne. Im Kaiser-Wilhelm Museum sind weitere große Lichtinstallationen des Künstlers zu sehen.

Adolf Luther / Julio Le Parc, Haus Lange Haus Esters, Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld, bis 25. September