Das Kölner Auktionshaus Lempertz feiert sein 225-jähriges Bestehen und damit auch ein großes Stück Stadt- und Kulturgeschichte.
Kunsthaus Lempertz in KölnWie man Napoleon und Wolfgang Beltracchi überlebt
Auch wenn ein Auktionshaus davon lebt, an den Meistbietenden zu verkaufen, lässt sich manchmal sogar eine abgesagte Auktion als Erfolg verbuchen. Am 10. Juni 1995 sollte in Köln der Nachlass Marga Böhmers versteigert werden, 160 Skulpturen, Grafiken und Zeichnungen des Bildhauers Ernst Barlach, die bis dahin in Barlachs letzter Heimat Güstrow an ihn erinnerten. Eigentlich wollten Böhmers Erben mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern ins Geschäft kommen, doch die Parteien wurden sich nicht einig. Beim Kunsthaus Lempertz waren die Kataloge bereits gedruckt, als der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt einen Spendenaufruf veröffentlichte. Am Ende blieben die Werke in Güstrow, und Lempertz stellte die gerettete Sammlung in seiner Kölner Filiale aus.
Die abgesagte Auktion mag für das Kunsthaus Lempertz ein schlechtes Geschäft, aber dafür gute Werbung gewesen sein. Schließlich zählt im Kunsthandel nicht nur der Umsatz. Es geht auch darum, ein Werk an den richtigen Ort oder an den richtigen Mann, die richtige Frau zu bringen. Im Idealfall ist ein Auktionator gleichermaßen Kuppler, Kaufmann und Kunsthistoriker, eine Mischung, von der bei Lempertz gerade die Kölner Museen immer wieder profitierten. Etliche Erwerbungen Peter Ludwigs fanden vom Neumarkt den Weg in die städtischen Schatzkammern, und als Richard G. Winkler seine Designsammlung bei Lempertz versilbern wollte, endete diese stattdessen im Museum für Angewandte Kunst.
An diesem Samstag feiert das Kunsthaus Lempertz sein 225-jähriges Bestehen, und wenn Henrik Hanstein sagt, das von ihm in vierter Generation geführte Familienunternehmen gehöre zur Kölner Stadtgeschichte, wird ihm niemand widersprechen. „Goethe hat bei uns gekauft, Napoleon ist an unserem Haus vorbeigeritten“, so Hanstein, aber vor allem half Lempertz dabei, die einstige Reliquienschleuder Köln in einen Handelsplatz der schönen Künste zu verwandeln. „Häufig begegnen mir Dinge wieder, die hat schon mein Vater, mein Großvater oder mein Urgroßvater verkauft“, sagt Hanstein, und allen Kölnern erscheint es dann nur gerecht, wenn bei diesem Warenkreislauf etwas vor Ort hängen bleibt. Ginge es nach Hanstein, wäre dies viel häufiger geschehen. Selbst Carl Hasenflugs „Idealansicht des Kölner Doms“ ging 1962 beinahe an Köln vorbei. Heute ist das Gemälde eine Ikone des Stadtmuseums.
Mancher Jubiläumsgast könnte beim Blick auf die Hausfassade stutzig werden, denn dort steht „Gegr. 1845“. In diesem Jahr eröffnete Mathias Lempertz in Bonn ein Auktionshaus, dessen Geschichte allerdings bis ins Jahr 1798 reicht. Johann Matthias Heberle gründete damals in Köln ein Antiquariat, 1840 übernahm Heberles Angestellter Heinrich Lempertz (der Bruder von Mathias) das Geschäft, 1875 stieg dann mit Peter Hanstein abermals ein Angestellter zum Inhaber auf. „Mein Urgroßvater kaufte Lempertz für 10.000 Goldmark“, so Hanstein. „Danach musste er seine Handbibliothek veräußern, um wieder liquide zu sein.“
Heute gehört Lempertz zu den führenden deutschen Auktionshäusern und unterhält Filialen in Brüssel, München und Berlin. Das Angebot ist so vielfältig wie exquisit und Köln für Lempertz immer noch der Hauptumschlagplatz. Allerdings findet Hanstein, die Stadt habe an Ansehen verloren. „Unter den Großen sind wir die kleinsten. Wir sind kein Selbstläufer und müssen etwas tun für den Erfolg.“ Ein gutes Beispiel dafür ist die 1970 von Rolf Hanstein mitbegründete Westdeutsche Kunstmesse. Hätte man diese rechtzeitig für die internationale Konkurrenz geöffnet, so Hanstein, könnte sie heute Marktführer anstelle der Tefaf Maastricht sein. Stattdessen wurde sie 2022 abgewickelt.
In die Schlagzeilen geriet Lempertz durch die Fälscherbande um Wolfgang Beltracchi. Bei Lempertz in Köln hatte diese erstmals erfolgreich Fälschungen in Umlauf gebracht, später flog der Schwindel wegen eines bei Lempertz versteigerten Gemäldes auf. Es war eine Blamage für den gesamten Kunsthandel, denn auch führende Auktionshäuser wie Sotheby’s und Christie’s waren auf Beltracchis Fälschungen hereingefallen. Doch während diese ihre Verkäufe diskret rückgängig machten, sah sich Hanstein stellvertretend (und zu Unrecht) an den Pranger gestellt. Heute sagt er: „Dass Fälschungen in den Markt kommen, kann man leider nicht vollständig verhindern. Aber wir haben dazugelernt, wir sehen heute mehr.“ Erst kürzlich sei Lempertz wieder eine Beltracchi-Fälschung angeboten worden.
Die Zukunft sieht Hanstein rosig. „Der Brexit ist für uns sehr vorteilhaft, dadurch wurden die Koordinaten im Kunsthandel verschoben.“ Auch deswegen sei Sotheby’s nun in Köln. So dürfe es gerne weitergehen. „Wenn wir hier zehn Auktionshäuser hätten, das wäre doch toll.“