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Kölner KunstmesseArt Cologne – Mitunter wird es einem dann doch zu bunt

Lesezeit 5 Minuten
Eine weiße Büste Nofretete mit Sonnenbrille.

Eine Nofretete von Isa Genzken gibt es gleich mehrfach auf der Art Cologne. Hier steht eine am Stand der Galerie König.

Die Kölner Kunstmesse Art Cologne startet mit leicht gedrückter Stimmung – und das liegt nicht nur am Bahnstreik.

Als der Eyjafjallajökull vor 13 Jahren Asche spukte und den Luftverkehr lahmlegte, hatte auch die Art Cologne ihr Leid zu klagen: die reichen Amerikaner kommen nicht. Seitdem hat die älteste Kunstmesse der Welt eine globale Seuche überstanden und überdies gelernt, sich mit der angeblichen Flugscham unter US-Sammlern zu arrangieren. Jedenfalls warb Art-Cologne-Chef Daniel Hug zuletzt gerne für die Deutsche Bahn, weil sie die Kunstkäufer aus Berlin, München oder Brüssel verlässlich und in Windeseile nach Köln befördert – wenn sie denn fährt.

Am Eröffnungstag der 56. Art Cologne fuhr die Bahn nicht oder jedenfalls nicht nach Plan – offenbar ist GDL-Chef Claus Weselsky weder Sammler noch über die Maßen um das Wohlergehen des deutschen Kunsthandels besorgt. Der bundesweite Streik der Lokführer fegte in den ersten Messestunden zwar nicht die Gänge leer, machte sich aber durchaus bemerkbar – und passte zur leicht depressiven Rede, mit der Anke Schmidt, neue Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Galerien und Kunsthändler, die Presse auf die Art Cologne eingestimmt hatte.

Ist der Pioniergeist unter den jungen Galeristen tatsächlich dahin?

Schon Schmidts Vorgänger wurde nicht müde, die Bundesregierung für die geschäftsschädigende Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes im Kunsthandel zu schelten. Mittlerweile hat die Europäische Union den Weg zum ermäßigten Steuersatz frei gemacht; aber der Bund denkt offenbar gar nicht daran, den deutschen Kunsthandel zu entlasten. Auch die Abgaben steigen weiterhin, so Schmidt, und der bürokratische Aufwand sei immer noch gewaltig. Man dürfe sich also nicht wundern, dass es kaum noch Neugründungen am deutschen Kunstmarkt gebe.

Ist der Pioniergeist unter den jungen Galeristen tatsächlich dahin? Für die Art Cologne, die sich als Schaufenster des deutschen Kunsthandels versteht, wäre das eine deutlich schlechtere Nachricht als ein Bahnstreik oder ein hustender Vulkan, denn gute Galerien ziehen andere gute Galerien an. In dieser Hinsicht hat die Art Cologne zuletzt ohnehin gelitten: Die großen Drei des weltweiten Kunsthandels, Zwirner, Gagosian und Hauser & Wirth, finden den Weg nicht mehr nach Köln.

Das prestigeträchtige Entree der Messe kann sich natürlich trotzdem sehen lassen: Thaddaeus Ropac zeigt große Formate von Daniel Richter, Andreas Slominksi und Georg Baselitz; gleich gegenüber bietet Daniel Buchholz mehrere Werke von Isa Genzken an, darunter eine bebrillte Nofretete und ein monumentales Gemälde auf Geschenkpapier. Dieses Empfangskomitee wird von Karsten Greve komplettiert, der seine Galerie seit 50 Jahren betreibt und das Publikum zum Jubiläum mit einem kanariengelben Kissenbild von Gotthard Graubner lockt. In den hinteren Kabinetten zeigt Greve weitere Klassiker des Hauses: schwarze Gemälde von Pierre Soulages, etwas Graues von Cy Twombly oder die „stummen Schreie“, die Georgia Russell auf wolkenartige Textilfasern malt.

Ein Mann betrachtet ein Bild.

Das Gemälde von Pablo Picasso Le peintre et son modèle, hängt am Stand der Galerie Bastian (3,75 Millionen Euro).

Ein weiterer Elder Statesman der Art Cologne ist ebenfalls wieder gekommen, obwohl Michael Werner im letzten Jahr noch sehr auf Köln und (beinahe) alles Kölnische geschimpft hatte. Auf sein Angebot gehobener Nachkriegsmalerei ist wie üblich Verlass, auch die malerischen Haken, die Georg Baselitz auf einem „Hasenkreuz“ aus dem Jahr 2001 um verbotene Symbole schlägt, treffen den aktuellen Zeitgeist erstaunlich gut. Bei Nagel/Draxler ist die Messe dann auch technologisch auf dem neusten Stand: Mithilfe von KI legte Sarah Friend einen fiktiven Social-Media-Auftritt auf und inszenierte den alten Zusammenhang von Selbstvermarktung und Prostitution noch einmal ganz neu.

Auf den großen Spielflächen der Art Cologne wirkt alles wie immer, doch auf den hinteren Gängen wird es ungewöhnlich bunt. Man sieht viel figurative Malerei und sogar überlebensgroße Harlekine, die wie Django an Strängen von der Decke baumeln – mitunter fühlt man sich an die schrille Art Fair erinnert, die in Köln nun wirklich kaum jemand vermisst. Thomas Zander setzt gegen diese farbenfrohe Nachbarschaft ganz bewusst auf die Losung „Weniger ist mehr“. Wobei man von Joe Goodes abstrakten Wolkenbildern oder Christiane Baumgartners „immateriellen“ Strandmotiven wiederum gar nicht genug bekommen kann.

Bunt ist nicht gleich bunt, bei Cornelius Völker badet man gerne in Farben

Bunt ist nicht gleich bunt, weshalb man bei Friese gerne in einem Blütenbild von Cornelius Völker badet. Völkers gewinnende Schamlosigkeit gehört zur soundsovielten „neuen Figuration“ und befindet sich in guter Nachbarschaft mit dem „neuen Figurativen“ Dieter Krieg. Ins Naive schlagen die Stofftierbilder des Kölner Malers Philip Emde bei Ruttkowski, Peter Tollens setzt bei Rehbein hingegen ganz auf die innere Stimmung einzelner Farben.

Die alte Figuration findet sich auf der Art Cologne traditionell in der unteren Hallenebene. Hier lockt die Galerie Bastian mit dem teuersten Werk der Messe, einem Picasso für 3,75 Millionen – dabei hatte man gedacht, bei Picasso fange das Zählen erst ab acht Stellen vor dem Komma an. Trotz des „Schnäppchenpreises“ ist es eher unwahrscheinlich, dass Picassos Selbstporträt mit Modell unter den rheinischen Sammlern einen neuen Besitzer findet, denn die suchen im mittleren Preissegment. Fündig werden sie eher bei Henze & Ketterer, die Ernst Ludwig Kirchners Weg in die Abstraktion unter anderem mit einigen Holzschnitten nachzeichnen, und wem die Soulages-Gemälde bei Greve zu teuer sind, wird bei Boisserée mit mehreren Grafiken des Künstlers bestens bedient.

Vor Schockfarben ist man in diesem eher gediegenen Ambiente weitgehend sicher, Namen wie Von Vertes oder Ludorff bürgen seit langem für Qualität. Unbekanntes wie die collageartigen Bilder von Yasutake Iwana am Stand der Tokioter Galerie Taguchi Fine Art entdeckt man hier eher selten. Yasutake Iwana versucht das dörfliche Leben seiner Heimat in meditative Anblicke von Steinen oder Samen zu übersetzen – was leicht in Kitsch umschlagen könnte, bezaubert durch seine Reduktion.

Art Cologne, Koelnmesse, Halle 11, 16. bis 19. November 2023. Eröffnung: Do., 16. November, 16-20 Uhr. Fr.-Sa. 11-19 Uhr, So. 11-18 Uhr. Tageskarte (nur Online): 30 Euro.