Art-Cologne-Direktor Daniel Hug über die Kölner Kunstmesse, falsche Kunstmarktzahlen und die Diskussion um Israel und Gaza.
Daniel Hug zur Art Cologne„Kunst darf nicht für Propaganda stehen, egal für welche Seite“
Herr Hug, die Art Cologne wird kleiner und kürzer – nach dem Motto „Quadratisch, praktisch, gut“?
Die Messe ist wieder so groß wie vor der Pandemie. 2019 hatten wir 170 Aussteller, genau wie in diesem Jahr. In der unteren Hallenebene behalten wir das Layout bei, allerdings ist der Bereich Art + Object deutlich kleiner. Dafür haben wir dort jetzt unter anderem die Stände der Institutionen, die Gesprächsbühne und vor allem das Restaurant. Das hat letztes Jahr wirklich gefehlt. Wir haben nun neue Lösungen gefunden und neue Konstellationen, bei denen wir sagen: Das ist die Art Cologne, wie wir sie uns vorstellen. Insofern freue ich mich, dass wir uns in diesem Jahr mit der Art Cologne wieder auf unsere Kernkompetenz fokussieren.
Art + Object hatte letztes Jahr noch einen großen Auftritt. Ist das Projekt gescheitert?
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Nein. Das hat sich so entwickelt. Vergangenes Jahr haben wir den Versuch unternommen unsere ehemalige Herbstmesse, die Cologne Fine Art (Cofa), in die Art Cologne zu integrieren. In diesem Jahr wurden die Interessenten für den Bereich Art + Object erstmals auf dessen Bitte hin vom Beirat der Messe ausgewählt, nachdem dieser Bereich 2022 von Sebastian Jacobi kuratiert wurde. Einige Händler waren wohl schockiert, Barockkommoden und alte Meister auf der Art Cologne zu sehen. Ich habe großen Respekt vor Jacobi, aber da gab es offenbar ein Missverständnis. Er wollte die eingestellte Messe Cologne Fine Art spiegeln, ich wollte, dass eine neue Sektion entsteht. Wir haben jetzt vier Aussteller bei Art + Object mit einem Angebot, das besser zu uns passt. Der Bereich könnte so etwas wie unser Joker werden, eine Möglichkeit, angewandte Kunst und andere Kulturen auf der Messe zu präsentieren. Ich denke, dies ist langfristig eine gute Lösung.
Sie haben persönlich versucht, die Cologne Fine Art zu retten.
Meine erste Ausgabe der Cofa in 2019 fand ich schön, die funktionierte auch. Dann kam die Pandemie… 2021 haben wir Cofa und Art Cologne gleichzeitig eröffnet, das hat der Cofa den Glanz genommen. Die meisten Besucher sind einfach vorbeigegangen. Die Integration in die Art Cologne hat leider auch nicht geklappt. Die Messe war einfach zu groß. Ich wollte proaktiv einen neuen Weg gehen und jetzt konzentrieren wir uns wieder auf unsere alte Stärke. Die Konkurrenz schläft schließlich nicht.
Ist die Verkürzung auf vier Messetage nicht etwas gewagt?
Es ist zeitgemäß. Die Armory Show in New York läuft auch von Donnerstag bis Sonntag. Da liegen wir im Trend. Die meisten Kunstmessen dauern heute nur noch drei bis vier Tage. Ich hoffe, die neue Laufzeit wird eine besondere und vielleicht auch intimere Stimmung in den Hallen schaffen. Unter den Teilnehmern sind die Meinungen geteilt: Die Händler zeitgenössischer Kunst hätten es lieber kurz, die anderen lieber etwas länger. Bei unseren Besuchern wird es hoffentlich gut ankommen. Gerade für Sammler aus Süddeutschland und der Schweiz ist es einfacher, wenn die Eröffnung nahe am Wochenende liegt.
Warum das?
Mitten in der Woche muss man sich drei Tage freinehmen, bei einer Vernissage am Donnerstag geht das schon besser. Die meisten unserer Sammler arbeiten nämlich. Uns ist aufgefallen, dass wir immer zwei Besucherwellen haben: die erste zur Eröffnung und die zweite am Samstag. Für die zweite Welle bieten wir am Samstagmorgen erstmals einen exklusiven „Private View“ an. Am Samstag gibt es Champagner und am Donnerstag gibt es Kölsch – der Schampus von Köln.
Im aktuellen Marktreport der Art Basel steht, beinahe die Hälfte der Kunstsammler würde ihre Käufe auf Kredit finanzieren. Sehen Sie angesichts der gestiegenen Kreditzinsen Probleme auf den Kunstmarkt zukommen?
Ich glaube nicht an diesen Report. Wenn man den Autoren glaubt, beträgt der deutsche Anteil am weltweiten Umsatz am Kunstmarkt nur zwei Prozent. Ich kenne viele bekannte deutsche Galeristen, die von Clare McAndrew, der Hauptautorin, oder deren Firma noch niemals kontaktiert wurden. Bei den deutschen Auktionshäusern sieht es ähnlich aus. Und wenn ein deutscher Sammler in London oder New York kauft oder verkauft, taucht das auch nicht auf. Die Zahlen stimmen einfach nicht.
Und die Kreditfrage?
In einem Teil des Kunstmarkts wird viel spekuliert. Die meisten US-Sammler kaufen Kunst über professionelle Berater. Das sieht man auch an den Preisen junger unbekannter Künstler, deren Marktwert plötzlich rasant steigt und dann wieder fällt. Es gibt zu viele Kunststars für sechs Monate – die werden von den Spekulanten gemacht.
Darauf fallen die deutschen Sammler nicht herein, meinen Sie?
Es gibt natürlich auch deutsche Sammler, die auf dem globalen Kunstmarkt agieren. Wir haben auch unsere Milliardäre. Aber die kaufen anders ein. Ich vermute, das liegt am Absturz des Kunstmarkts in den frühen 1990er Jahren. Davon waren auch viele deutsche Sammler betroffen. Die haben ihre Lektion gelernt und sind vorsichtiger geworden. Heute sitzen die Preistreiber vor allem in Asien oder im Nahen Osten. Denen fehlt die schmerzvolle Erfahrung, die andere bereits gemacht haben. Auf die Art Cologne kommen ohnehin „normale“ Sammler, da sind viele Ärzte oder Rechtsanwälte darunter. Die sammeln aus Leidenschaft und kennen sich aus. Und deren Preislimit ist niedriger. Für mich ist dieser „anständige“ Markt der wichtigere: Kunst sollte für alle da sein, nicht nur für Milliardäre. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die sich um die Toplose bei den großen Auktionen streiten. Und die sollen allein den Kurs der Kunstwelt bestimmen?
Während der letzten Art Cologne stand die Weltlage im Zeichen des Kriegs in der Ukraine. Damals herrschte große Einigkeit, zumal in der westlichen Kunstwelt. Das ist nach dem Angriff der Hamas auf Israel und dem israelischen Einmarsch in den Gaza-Streifen anders. Gerade die Kunstwelt scheint geteilt. Wie erleben Sie das?
Ich versuche, beide Seiten zu verstehen und möchte mich größtenteils neutral halten. Aber das gelingt mir nicht immer. Nehmen Sie David Velasco, den entlassenen Chefredakteur von „Artforum“, dem wichtigsten Kunstmagazin der USA. „Artforum“ hatte auf seiner Internetseite einen Offenen Brief zum Krieg in Gaza veröffentlicht, in dem die israelischen Opfer der Hamas nicht erwähnt wurden. Das stand nicht unter Nachrichten, sondern war der Aufmacher der Seite, und Velasco gehörte zu den Unterzeichnern. Diesen Brief auf einer derart wichtigen Kunstseite zu lesen, das fand ich schlimm. Die Kunstwelt ist eine offene Welt. Kunst darf und soll politisch sein. Aber sie sollte für den Dialog stehen und nicht für Propaganda, egal für welche Seite.
Zum Schluss etwas ganz anderes: Der Kölner Verleger und Buchhändler Walther König erhält den diesjährigen Art-Cologne-Preis. Ich nehme an, in der Jury musste niemand überredet werden?
Alle waren happy. Das macht so viel Sinn, wenn man sich überlegt, wie stark Bücher weiterhin die Kunstwelt beeinflussen. Hut ab vor Walther König.
Daniel Hug, geboren 1968 in Zürich, leitet die Art Cologne seit dem Jahr 2008. Davor war er Galerist in Los Angeles.
Art Cologne, Koelnmesse, Halle 11, 16. bis 19. November 2023. Eröffnung: Do., 16. November, 16-20 Uhr. Fr.-Sa. 11-19 Uhr, So. 11-18 Uhr. Tageskarte (nur Online): 30 Euro.