Auf der lit.Cologne philosophierte die Klimaaktivistin über moralische Dilemmas und warum es albern ist, über Tofu zu diskutieren.
„Da habe ich meine Meinung ziemlich geändert“Luisa Neubauer über Moral in der Klimakrise
Kennen Sie die Comedy-Serie „The Good Place“? Darin sammeln und verlieren Menschen Punkte, je nachdem wie moralisch gut oder schlecht sie sich verhalten. Mit vielen Punkten kommt man in den „Good Place“, mit wenigen in den „Bad Place“ – eine Art Himmel-und-Hölle-Situation. Die Hauptfiguren stehen vor einem Rätsel, als sie feststellen, dass das System spinnt und für bisher gute Handlungen Punkte abgezogen werden.
Während man früher Punkte dafür bekommen hat, seiner Oma Blumen zu schenken, gibt es heute Minuspunkte. Wie kann das sein? Die Auflösung: Die Welt wird immer komplizierter und damit wird es schwieriger, ein guter Mensch zu sein. Die Blumen wurden mit giftigen Pestiziden angebaut, mit einem Handy bestellt, das aus einem Ausbeutungsbetrieb kommt, und dann tausende Kilometer zum Kunden transportiert.
Köln: Luisa Neubauer zeigt moralische Fallen in der Klimakrise auf
Das Gespräch, das Klimaaktivistin Luisa Neubauer und Sozialtheoretiker Nikolaj Schultz am Donnerstag in Ehrenfeld führten, hätte eins zu eins aus dieser fiktiven Serie stammen können. Stattdessen fand dieses sehr reale Gespräch im Rahmen der lit.Cologne statt. Darin skizzierten sie anhand Schultz’ Buch „Landkrank“ eine Karte der moralischen Fallen, auf die man als umweltbewusster Mensch stößt.
„Es ist kein Buch über Klimaschuld“, stellte Schultz, der der Klimabewegung immer wieder Denkanstöße gibt („Zur Entstehung einer ökologischen Klasse“), mehrfach klar. Er wolle ein Gefühl artikulieren, von seinem eigenen Wesen gefangen zu sein. Denn das, was uns nach dem Zweiten Weltkrieg zum Wohlstand verholfen habe, komme wie ein Bumerang zurück, um unsere Lebensgrundlage zu zerstören: Produktivität, Leistung, Konsum.
Luisa Neubauer bei lit.Cologne: Kein Lösungsbuch, aber ein Wegweiser
Schultz räumte mit dem Mythos auf, dass man sich entweder zwischen individueller Verantwortung oder kollektivem politischen Handeln entscheiden müsse. „Das ist albern und ergibt keinen Sinn!“, sagte er erbost. Neubauer hielt es für banal und lächerlich darüber zu reden, ob sie Tofu esse oder Fahrrad fahre. Mit aktivistischem Spirit konstatierte sie, dass wir mehr seien, als Konsumenten: Bürger mit politischer Macht.
Doch diese Macht hat offenbar Grenzen. Angesichts der Klimakrise gibt es mittlerweile viele Menschen, die resignieren, zynisch werden und Angst bekommen. Deshalb ist ihr Ansatz des Aktivismus weiter gefasst: „Ich glaube, da habe ich meine Meinung ziemlich geändert.“ Das Individuum müsse mental gesund bleiben, um überhaupt als Kollektiv politisch am Ball zu bleiben.
Neubauer und Schultz stellten keineswegs ein Lösungsbuch vor, dafür aber einen Wegweiser für eine Welt, durch die zu navigieren kompliziert sein wird und die keine „Good-Place“-Punkte für uns übrig hat. Auf dem Wegweiser stehen die Mittel, die es für Schultz zu nutzen gilt: „Verhandlung, Diplomatie und Bescheidenheit.“