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Luke Mockridge im Interview„Ich bin gar keine Rampensau“

Lesezeit 8 Minuten
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Luke Mockridge spielt in „Über Weihnachten“ einen erfolglosen Musiker. 

  1. Luke Mockridge (31) wuchs in Bonn-Endenich mit fünf Brüdern auf. Seine Eltern sind die Schauspieler und Kabarettisten Bill Mockridge und Margie Kinsky.
  2. Er arbeitet als Comedian, Moderator und Produzent. Er lebt in Köln. Die Serie „Über Weihnachten“, in der er seine erste Hauptrolle spielt, ist ab 27. November bei Netflix zu sehen.
  3. Im Interview spricht Mockridge über die neue Herausforderung, Weihnachten und die Corona-Pandemie.

Herr Mockridge, Netflix produziert zurzeit eine Vielzahl von Film und Serien in Deutschland. Warum war diese Miniserie über eine Familie an den Weihnachtstagen das Projekt, in dem Sie Ihre erste Hauptrolle spielen wollten?Mockridge: Weil ich mich darin auskenne. Ich habe großen Respekt vor dem Schauspieljob. Meine Eltern sind Schauspieler, zwei meiner Brüder waren an der Hochschule Ernst Busch und haben den Beruf richtig gelernt. Ich finde es immer respektlos, wenn Quereinsteiger ankommen und sagen: Ja, ich mach das schon irgendwie. Das merkt man vielen Filmen an. Deshalb habe ich versucht, mich über Kontakte meines Bruders darauf vorzubereiten und etwas zu spielen, was auch mir heraus kommt.

Warum hat Ihnen das geholfen?

Man merkt oft bei Leuten, ob sie etwas spielen, das sich andere ausgedacht haben oder ob es authentisch aus dem Inneren kommt. Bei mir als Comedian ist es auch so, dass jede Nummer, die ich erdenke, mit einem Gefühl von mir getriggert wird. Ich versuche, damit eine emotionale Brücke zum Zuschauer zu schlagen. Und ich hatte schon lange die Idee, einen Film darüber zu machen, wie es ist, Weihnachten nach Hause zu kommen. An diesen drei, vier Tage im Jahr kommt es ja zu einem Reset: Man taucht nochmal in den Gossip von früher ein, schläft in seinem Jugendzimmer, obwohl man eigentlich schon erwachsen ist. Das fand ich immer schon ein spannendes Thema, weil es auch mein Thema ist.

Wie halten Sie es denn selbst mit Weihnachten?

Ganz persönlich habe ich so eine Hass-Liebe, die dann aber in Liebe umschwenkt. Ich bin jemand, der ungern stillsteht, zur Ruhe kommt und besinnlich wird. Ich finde es toll, zu sprinten, Projekte zu haben. Ich merke aber jedes Jahr aufs Neue, wie gut es tut, bei der Familie zu sein und runterzukommen.

Ein Thema der Serie ist ja auch, dass gerade an Weihnachten viele Konflikte ausbrechen.

Das ist eine Thematik, die an Weihnachten manchmal zur Eruption führt, weil man aufeinander hockt. Man muss sich miteinander auseinandersetzen. Das ganze Jahr über kann man Konflikte per WhatsApp und Telefon auf Distanz kaschieren - aber Weihnachten kommt es dann raus. Meine Mutter hat früher immer gesagt: Unter jedem Dach ein Ach. Und ich glaube, das trifft nicht nur auf unsere, sondern auf jede Familie weltweit zu.

Wie groß war die Herausforderung, mit gelernten Schauspielern zu agieren und eine Serie als Hauptdarsteller zu tragen?

Groß. Ich habe auch als Co-Produzent mit am Buch gearbeitet. Da kommt man noch durch, da ist noch nicht so überprüfbar, ob man die eigenen PS auf die Straße bringt. Aber vor dem Moment, wo das Rotlicht an ist, hatte ich großen Respekt und muss den Kollegen, die den Job ja teilweise schon sehr lange machen, danken, weil sie es mir sehr, sehr einfach gemacht haben. Ich habe auch in meiner Begrüßungsrede betont: Ich bin der Neue, ich habe das noch nie gemacht. Sagt mir, wenn euch irgendwas auffällt. Ich bin immer ein Teammensch gewesen. Ich habe fünf Brüder, wir sind eine große Familie, ich habe jahrelang Fußball gespielt. Nur im Team kann man zu Höchstleistungen auflaufen.

Wie nah ist Ihnen denn dieser Bastian? Er ist aus der Eifel nach Berlin gegangen, um dort als Musiker Karriere zu machen, arbeitet aber im Callcenter und traut sich nicht so recht, das zuzugeben. Wie viel Verständnis haben Sie für ihn?

So wie ich Basti für mich angelegt habe, ist da viel Nähe. Für meinen Erfolg im Showgeschäft gibt es viele Gründe. Und bei mir – wie auch bei allen anderen, die in dem Geschäft erfolgreich sind – ist Glück die Komponente, die prozentual am höchsten ausschlägt, egal was andere behaupten. Deshalb habe ich das Glück einfach rausgenommen und Basti so angelegt, wie es wäre, wenn Luke nicht diesen Erfolg hätte, sondern noch immer auf Bühnen rumtingeln würde und diesen Traum nicht lebt, sondern nur hat. Es hat Spaß gemacht, sich so mit der Figur zu verbinden.

Es geht in der Serie ja auch darum, dass wir versuchen, uns besser darzustellen, als wir es sind. Ist das in unserer Social-Media-Zeit besonders ausgeprägt?

Es gibt bei Social Media diesen Mechanismus, sich dort so darzustellen, wie man gerne wahrgenommen werden möchte. Und ein Dorf ist ja wie ein geschlossenes Soziales Netzwerk. Du bist ein laufendes Profil, deine Klamotten, das, was du über die anderen weißt, das ist quasi die Real-Life-Version einer Facebook-Gruppe. Menschen vergleichen sich immer und wollen immer toll wahrgenommen werden. Da ändert sich nur die Plattform. Früher war es ein Marktplatz, heute ist es ein Instagram-Profil, aber worum es geht, ist immer gleich.

Die Serie spielt in Monschau, die Eifel sieht darin sehr idyllisch aus. Ist das auch Liebeserklärung an die Provinz?

Ja, total. Ich komme aus Bonn-Endenich und würde mich nicht als Dorfkind bezeichnen, aber ich bin auf dem Land zur Schule gegangen und hatte da viele Freunde. Das ist schon ein kleiner Liebesbrief an Dorfkinder und das provinzielle Leben. Ein Kumpel von mir, dem ich das gezeigt habe, hat dann auch von Stadtflucht gesprochen. Ich habe kürzlich in einem Artikel gelesen, dass seit 2018 das erste Mal genauso viele Menschen aus den Städten aufs Land ziehen wie vom Land in die Stadt. Die Provinz kommt nochmal ganz groß raus.

Die Serie behandelt auch die Frage, ob man versucht, die Erwartungen zu erfüllen, die die Familie an einen stellt. Sie kommen aus einer Künstlerfamilie, Sie und Ihre Brüder sind alle auch in diese Richtung gegangen. Gab es irgendwann mal den Impuls, etwas ganz anderes zu machen?

Ich habe das immer gewollt und immer gespürt, dass es toll wäre, aber ich habe es immer als komplette Träumerei verbucht: Als ob es jemals passieren wird, dass du die Treppe bei Stefan Raab runterläufst. Ich war fest davon überzeugt, dass mir dieses Glück nicht gegeben ist. Ich war sehr bescheiden und bin auch nicht so groß geworden zu denken, ich bin der Beste. Aber ich hatte immer diesen Traum. Ich will jetzt nicht zu pathetisch klingen, aber wenn man eine klare, visuelle Vorstellung von seinem Ziel hat, diesen Beruf irgendwann einmal ausüben zu können, dann trifft man unterbewusst jede Entscheidung im Leben so, dass man da ankommt. Und bei mir ist es Gott sei Dank so gekommen. Dann wird dann aus dem Wort Beruf tatsächlich Berufung.

Ich habe gelesen, dass Sie gegen Zweifel kämpfen müssen, wenn Sie auftreten. Warum zieht es Sie dann auf die Bühne?

Wenn ich auf einer Party bin, und da stehen acht Leute und erzählen sich Anekdoten, habe ich die Wahl, ob ich mitmache und performe oder nicht. Da zieh ich mich immer zurück und bin gar keine Rampensau, die Gags raushaut. Aber auf der Bühne hat man diese Wahl nicht. Das ist wie ein Sprung vom Zehn-Meter-Brett. Wenn du diesen Schritt gehst, ist nur noch Fall. Und sich diesen Kick zu geben, sich in diesem Zwischennirvana zu befinden, macht den Reiz aus. Ich hab das Gefühl, dass viele Leute, die auf der Bühne stehen, dort genauso sind, wie sie gerne wären. Auf der Bühne dürfen sie ausleben, was sie im echten Leben sein wollen. So ist es bei mir.

Die Corona-Pandemie trifft die Kulturbranche hart. Wie gehen Sie damit um?

Man muss einfach akzeptieren, dass wir in einer Situation sind, die größer ist als wir. Ich werde auch immer gefragt, wann es weitergeht. Ich habe keine Ahnung. Man muss akzeptieren, dass wir als Menschen, die es gewohnt sind, selbst zu fahren, jetzt mal auf dem Beifahrersitz Platz nehmen müssen. Wir müssen das erleben und haben es nicht in der Hand, wann es zu Ende geht. Man kann alles dafür tun, dass es so glimpflich wie möglich ausgeht, aber eine Aussage dazu treffen sollen andere in Facebook-Kommentarspalten. Ich bin da selbstbewusst genug zu sagen: Ich habe keine Ahnung.

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Ich habe ein Live-Team, mit dem ich in engem Kontakt bin. Ich las kürzlich, man wird dafür bestraft, dass man sich für ein Leben in der selbstständigen Kultur entschieden hat. Aber auch da: Ich bin kein Politiker und sehr dankbar, dass ich diese Entscheidungen nicht fällen muss. Ich kann nur meine Stimme nutzen, um darauf aufmerksam zu machen, dass da ein Missstand ist.

Können Sie sich nach der Erfahrung mit dieser Serie vorstellen, sich verstärkt der Schauspielerei zuzuwenden?

Mir hat das Spaß gemacht, und man merkt an der aktuellen Situation, dass man sich breit aufstellen muss. Ich habe Gott sei Dank für mich Kanäle und Ausspielwege gefunden, auf denen ich mich austoben und auch sortieren kann. Ob es Musik ist, Live-Shows, Fernsehen oder Streaming-Projekte, da ist noch total viel Drive und Lust da. Ich fühle mich gesegnet, dass ich das alles ausprobieren darf.